Der Druck auf die Koalition ist groß: Dass wirtschaftspolitisch alles „anders gemacht“ werden muss, darüber sind sich alle einig. „Mutige Reformen“ fordert auch FDP-Parteivorsitzender Christian Dürr - und hofft gleichzeitig, diese in den eigenen Reihen zu finden.
„Maischberger“FDP-Chef Christian Dürr fordert „mutige Reformen“

FDP-Chef Christian Dürr fordert von der Bundesregierung eine „Kurskorrektur“ in der Wirtschaftspolitik. (Bild: WDR/Oliver Ziebe)
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Bei kaum einem Thema lagen die drei früheren Ampel-Parteien SPD, die Grünen und FDP weiter auseinander als in ihren Wirtschaftsplänen. Genau diese kamen auch bei Sandra Maischberger zur Sprache, die am Montagabend unter anderem Manuela Schwesig (SPD-Ministerpräsidentin Mecklenburg-Vorpommern) und den FDP-Parteivorsitzenden Christian Dürr in ihre Sendung eingeladen hatte.
Ob seine Partei durch das Festhalten an der Schuldenbremse Politik gegen die Wirtschaft gemacht habe, wollte die Moderatorin von Dürr wissen und berief sich auf den Wirtschaftsweisen Achim Truger. Der hatte angesichts des Sondervermögens für Infrastruktur bis zum Ende der Legislaturperiode 2025 ein fünfprozentiges Wirtschaftswachstum prognostiziert - „wenn es gut läuft.“
Christian Dürr: „Mutige Reformen wären gut fürs Wachstum“
Dieser Nachsatz kam Christian Dürr gerade recht. Der FDP-Vorsitzende begann zu rechnen: Im Bundeshaushalt habe die Ampelregierung 17 Prozent Investitionen vorgesehen, jetzt schlage Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) vor, diese auf 10 Prozent zu senken. „Meine Sorge ist: Wir machen mehr Schulden, aber die gesamte Investitionssumme wird unter der der Ampel liegen“, erklärte Dürr und forderte eine „Kurskorrektur“, um „wenigstens auf dem Niveau der Vorgängerregierung zu bleiben“.
„Die Rechnung stimmt nicht“, widersprach Schwesig. Vielmehr würden die zusätzlichen Investitionen der Wirtschaft die notwendige Planungssicherheit geben. Das Sondervermögen der nächsten zwölf Jahre werde nicht „im Berliner Regierungsviertel ausgegeben“, sondern an die Kommunen verteilt. Sobald dieser Schlüssel vorliege, könnten die Länder ihrerseits Pläne machen. Zudem wäre klar festgelegt, wofür das Sondervermögen ausgegeben würde. „Die Gefahr, dass aus den 500 Millarden Euro Konsumausgaben bezahlt werden, ist nicht gegeben“, betonte sie.
Nicht nur die unabhängigen Wirtschaftsökonomen. Auch Dürr sprang auf diesen Zug auf und sprach von einem „Verschiebebahnhof“ zulasten der kommenden Generationen. „Ich schaue auf Generationengerechtigkeit“, warf er sich als Fürsprecher der Jungen in den Ring und sprach sich für Kapitaldeckung im Bereich der Sozialversicherungsbeiträge und Lohnnebenkosten aus. Zu diesen Themen hätte er gerne noch mehr gesagt, doch Maischberger wollte etwas anderes wissen: „Was, wenn es nicht gut läuft?“, bat sie ihn um eine Einschätzung zur deutschen Wirtschaft.
Dürr zögerte etwas, teilte dann aber doch seine Meinung: „Wenn die Regierung nichts anderes macht als das, was im Koalitionsvertrag steht, wird die Null-Wachstumsrate fortgeschrieben“, erklärte er, fügte jedoch hinzu: „Das kann sich aber korrigieren. Und mutige Reformen wären gut fürs Wachstum.“
Manuela Schwesig widerspricht Kretschmers Nord-Stream-Vorschlag
„Ganz neu und größer denken“, so lautete auch sein Appell an die Bundesregierung in Sachen Energie. das „wäre die klügere Politik“, statt zu versuchen, die Strompreise aus dem Bundeshaushalt zu deckeln. So solle man über CO2-Speicherung und -Nutzung nachdenken.
Die Stromkosten auf Dauer zu subventionieren, sei nicht das Ziel - konterte Schwesig. Vielmehr müsse man mehr in erneuerbare Energien investieren. Um diese zu exportieren, brauche es jedoch Netze. „Hier ist das Problem, dass die Milliardenkosten des Netzausbaus auf die Bevölkerung und die Wirtschaft umgelegt werden“, kritisierte sie den Bund. „Dieser Netzausbau erhöht die Kosten für Strom, damit geht die Akzeptanz verloren. Das würden wir bei Autobahnen niemals tun.“
Dennoch müsse die Linie der erneuerbaren Energien weiter verfolgt werden. Ausgeschlossen sei, die beiden Nord-Stream-Gasleitungen in der Ostsee zu nutzen, um wieder mit Russland ins Gespräch zu kommen - wie der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer kürzlich vorgeschlagen hatte. „Wir entscheiden das nicht vor Ort“, betonte sie, sprach aber von einer klaren politischen Haltung: „Wenn Russland die rote Linie überschreitet, wird nichts ans Netz gehen. Der Krieg ist nicht vorbei“, erklärte sie.
Christian Dürr zur Zusammenarbeit mit der SPD: „Vermissen ist nicht die richtige Kategorie“
Offener zeigte sich Schwesig beim Thema Kernfusion, die stark erforscht werde. Dürr war das nicht genug, stattdessen hatte er einen „kleinen Tipp“: Die Regierung solle das Kernfusionsgesetz beschließen, das die FDP bereits der Ampel vorgelegt habe. Dann könne man „in Deutschland Kernfusion nicht nur testen, sondern bauen“, merkte er an.
Ob sie die Zusammenarbeit mit der FDP vermisse, wollte Maischberger von Schwesig wissen. „Nein“, die Antwort kam wie aus der Pistole geschossen, „die Ampel hatte ihre Chance.“ Jetzt sei das Allerwichtigste, das Vertrauen in die Demokratie zurückzugewinnen. Die Landratswahlen hätten gezeigt, dass man durch gute Arbeit die AfD stoppen könne. „Zurück zur Ampel können wir nicht“, sagte sie.
„Vermissen ist nicht die richtige Kategorie“, gab sich Dürr etwas versöhnlicher. Er habe gerne in der Regierung mitgearbeitet, doch es funktionierte nicht. „Ich bin dabei, neue Reformideen zu entwickeln: Anders und größer denken, das ist der Job der FDP außerparlamentarisch“, wiederholte er etwas, was an diesem Abend öfters zu hören war.
„Ich bin gespannt, wo Sie landen“, merkte Maischberger an.
Im zweiten Teil der Talkshow war die Präsidentin der Europäischen Zentralbank Christine Lagarde zu Gast, um über die Stabilität des Euro und die Folgen von Trumps Zollpolitik zu sprechen.
Als Kommentatoren waren diesmal der langjährige Leiter des ZDF-Hauptstadtstudios Theo Koll, die Korrespondentin im ARD-Hauptstadtstudio Kerstin Palzer und der Kolumnist Hajo Schumacher dabei. (tsch)