Bundeskanzler Friedrich Merz hat ein mögliches Einlenken bei der Stromsteuersenkung angekündigt. „Wir schauen uns das mit gutem Willen an“, sagt Merz am Dienstagabend bei Sandra Maischberger im Ersten.
Plötzlich schnauzt Merz die ARD-Talkerin an„Das betrifft Sie nicht!“

Friedrich Merz hat „natürlich schon mehr vor, als nur Krise zu managen“. (Bild: WDR/Oliver Ziebe)
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Die Kritik war heftig. Selbst in der Union waren viele mit der Ankündigung von Bundesfinanzminister Lars Klingbeil von der SPD nicht einverstanden. Der hatte in der letzten Woche angekündigt, die Stromsteuer solle im nächsten Jahr nur für Wirtschaftsunternehmen gesenkt werden, aber nicht für Privathaushalte. Das jedoch hatte die Bundesregierung nach den Wahlen versprochen. Am Dienstagabend ist Bundeskanzler Friedrich Merz das erste Mal nach seiner Wahl in einer Talkshow zu Gast. Sandra Maischberger hat ihn eingeladen. Und die spricht ihn auch sofort auf die Stromsteuer an.
Merz stellt sich zunächst hinter seinen Finanzminister und Vizekanzler: „Wir haben einen Koalitionsvertrag gemacht und haben in diesem Koalitionsvertrag Vorhaben aufgeschrieben. Und wir haben die Vorhaben, die finanziert werden müssen, allesamt unter einen Finanzierungsvorbehalt gestellt. Alle! Damit war klar, dass wir uns jetzt im Zuge der Haushaltsaufstellung anschauen, was geht und was nicht geht.“
In den nächsten Jahren komme viel auf die Regierung zu. „Deswegen haben wir gesagt: Wir machen das jetzt eins nach dem anderen. Wenn wir mehr entlasten können, werden wir das tun. Aber wichtig ist jetzt zunächst einmal, dass in Deutschland die Arbeitsplätze erhalten werden können.“ Deswegen würde zunächst die Wirtschaft entlastet, sagt Merz. Das betreffe zunächst etwa 600.000 Unternehmen. „Aber die kleinen Haushalte werden auch entlastet. Und zwar jetzt. Wir werden die Gasspeicherumlage abschaffen beziehungsweise durch den Bundeshaushalt übernehmen und nicht mehr durch die Verbraucher bezahlen lassen.“
„Es ist viel Optimismus da“
Aber vielleicht könne man auch bei der Stromsteuer etwas machen, so der Bundeskanzler. „wenn wir mehr tun können für die privaten Haushalte, dann werden wir das tun. Wir schauen uns das mit gutem Willen noch einmal an. Wir tun, was wir leisten können, was der Haushalt hergibt.“ Der Koalitionsausschuss am Mittwoch werde sich unter anderem auch damit befassen, so Merz.

„Deutschland wird nicht Kriegspartei werden“, stellt Friedrich Merz im Gespräch mit Sandra Maischberger klar. (Bild: WDR/Oliver Ziebe)
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Damit weitere Wahlversprechen wie die Mütterrente oder die Senkung der Gastrosteuer doch eingehalten werden können, muss gespart werden - zum Beispiel beim Bürgergeld, sagt Merz. Dort könnten laut Bundesarbeitsministerium etwa zehn Prozent eingespart werden. Doch der Kanzler geht auch davon aus, dass für den Haushalt bald mehr Geld zur Verfügung stehen werde. Immerhin habe sich gerade in der Wirtschaft die Stimmung in den letzten Monaten zum Positiven gewandelt. „Es ist viel Optimismus da, es sind aber auch viele Hoffnungswerte“, so Merz.
Merz, der Krisenkanzler
Merz weiß: Er ist ein Krisenkanzler. „Aber ich habe natürlich schon mehr vor, als nur Krise zu managen. Ich möchte, dass dieses Land wirtschaftlich wieder auf Kurs kommt. Ich möchte, dass diese Europäische Union wieder handlungsfähig wird und eine Perspektive hat. Und darüber mache ich mir viele Gedanken.“
Seine ersten zwei Monate als Bundeskanzler sieht er positiv: „Wir haben in diesen ersten acht Wochen schon viel auf den Weg gebracht: Wir haben einen neuen Bundeshaushalt 2025, den wir dieses Jahr noch machen müssen. An dem ist die alte Koalition zerbrochen, wir haben das jetzt hinbekommen. Also: Es gibt überhaupt keinen Grund, jetzt über Krise zu reden.“
In der nächsten Zeit wird Merz gewaltige Aufgaben zu bewältigen haben. Kommissionen sollen Reformen bei Rente, Gesundheit und in der Pflegeversicherungen auf den Weg bringen. „Sollen die Krankenkassenbeiträge für Gutverdiener steigen?“, will Maischberger von Merz wissen. Der dreht den Spieß um, als er erfährt, dass die Moderatorin selbst privat versichert ist: „Wenn Sie privat krankenversichert sind, können Sie schon drüber reden - das betrifft Sie nicht.“ Er glaubt: „Einfache Beitragserhöhungen lösen das Problem nicht.“
„Deutschland wird nicht Kriegspartei werden“
Und dann ist da noch die Außenpolitik. Dreimal hat Merz inzwischen US-Präsident Trump getroffen. Der hat ihn beim ersten Mal nicht rausgeschmissen, und das ist schon mal eine Leistung. Merz sagt: „Wir haben offensichtlich einen vernünftigen Weg der Kommunikation miteinander gefunden. Und wenn der amerikanische Präsident und der deutsche Bundeskanzler vernünftig miteinander reden können, egal wer sie sind, dann ist das für sich genommen gut“, urteilt Merz.
Deutschland müsse sich darauf einstellen, dass die USA ihr Engagement aufrechterhalten, aber nicht so wie in den letzten 70 Jahren zuvor. „Da geht jetzt eine Zeit zu Ende. Wie sie zu Ende geht und was darauf folgt, wissen wir nicht.“ Deutschland und Europa müssten in Zukunft sehr viel mehr für die eigene Verteidigung tun. Möglicherweise würden die Beziehungen zu den USA auch wieder besser werden, sagt Merz. „Aber besser ist, wir bereiten uns auf eine schwierige Zeit vor.“
Aktuell gehe es darum, die Ukraine weiter zu unterstützen. Das werden EU und NATO tun, verspricht Merz. Weitere Sanktionen würden auf Russland zukommen, und die Ukraine werde mehr Waffen und Mehr Geld bekommen. Aber: „Deutschland wird nicht Kriegspartei werden“, verspricht Merz.
Seinen ersten größeren TV-Auftritt als Bundeskanzler hat Merz erwartungsgemäß souverän gemeistert. Erfrischend war aber auch die Moderatorin. Sandra Maischberger stellte immer wieder kritische Fragen, ließ sich zwischendurch sogar auf einen Streit mit Merz ein. Das war unterhaltender und informativer als die Gespräche anderer Talkmasterinnen mit den Vorgängern von Friedrich Merz. Dem passte sichtlich nicht jede Frage der Moderatorin. Und genau dafür ist sie auch da: zwischendurch mal dahin zu zielen, wo es weh tut. Dass sie das hervorragend kann, hat Sandra Maischberger an diesem Dienstagabend glänzend bewiesen. (tsch)