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RankingDie zehn besten Songs der NDW-Ära

Lesezeit 6 Minuten
NDW-Punk-Pop aus Berlin: „Ideal“ von Ideal erscheint jetzt in einer neu abgemischten Version.  (Bild: WMG/Bodo Dretzke)

NDW-Punk-Pop aus Berlin: „Ideal“ von Ideal erscheint jetzt in einer neu abgemischten Version. (Bild: WMG/Bodo Dretzke)

45 Jahre sind vergangen, seit Ideal ihr gleichnamiges Debütalbum veröffentlichten. Die Platte wurde zu einer der wichtigsten der Neuen Deutschen Welle. Nun erscheint „Ideal“ am 27. Juni abermals, in einer neu abgemischten Version. Aus diesem Anlass zeigen wir die zehn besten Songs der NDW-Ära im - subjektiven - Ranking.

Die West-Berliner Band Ideal um Annette Humpe gaben 1981 ihren Hit „Blaue Augen“ vor den Fernseh-Kameras zum Besten. (Bild: IMAGO / United Archives)

Die West-Berliner Band Ideal um Annette Humpe gaben 1981 ihren Hit „Blaue Augen“ vor den Fernseh-Kameras zum Besten. (Bild: IMAGO / United Archives)

1980 veröffentlichte Ideal um Leadsängerin Annette Humpe ihr gleichnamiges Debütalbum, mit dem die Band der Neuen Deutschen Welle einen kräftigen Schub gab. Die Singles „Berlin“, „Eiszeit“ und vor allem „Blaue Augen“ prägten die Ära mit ihren kratzig-punkigen Gitarrenriffs und der unverwechselbaren Stimme Humpes. Am 27. Juni kommt die Kultplatte abermals in den Handel, in einer von Humpe und dem Produzenten Moritz Enders (Kraftclub, Madsen) neu abgemischten Version.

Das Ergebnis klingt erstaunlich frisch und gegenwärtig und gar nicht so, als lägen zwischen damals und heute ganze 45 Jahre. Verstaubt wurde der progressive Sound der Platte aber ohnehin nie. Wie aber schlugen sich die Songs daraus im Vergleich mit den anderen großen Meilensteinen der Neuen Deutschen Welle? Anders gefragt: Finden sich „Berlin“, „Blaue Augen“ und Co. im folgenden - sehr subjektiven - Ranking mit den zehn besten Liedern der NDW-Ära?

Platz 10: Markus - Ich will Spaß

Ein Song für die Ewigkeit, vielleicht der beste der gesamten NDW-Ära? Am 9. Februar vor genau 40 Jahren veröffentlichten Trio ihren Hit „Da Da Da“. (Bild: Getty Images/Peter Bischoff)

Ein Song für die Ewigkeit, vielleicht der beste der gesamten NDW-Ära? Am 9. Februar vor genau 40 Jahren veröffentlichten Trio ihren Hit „Da Da Da“. (Bild: Getty Images/Peter Bischoff)

Markus (hier mit Nena) gelang mit „Ich will Spaß“ einer der größten Hits der Neuen Deutschen Welle - aber wo landet er im Ranking der besten Songs? (Bild: United Archives/Heinz Browers/Getty Images)

Markus (hier mit Nena) gelang mit „Ich will Spaß“ einer der größten Hits der Neuen Deutschen Welle - aber wo landet er im Ranking der besten Songs? (Bild: United Archives/Heinz Browers/Getty Images)

„Mein Maserati fährt 2010 / Schwupp, die Polizei hat's nicht gesehen / Das macht Spaß“ - heute kämen höchstens noch Gangster-Rapper auf die Idee, solche Inhalte zu veröffentlichen, aber 1982 traf Markus mit seinem Hit „Ich will Spaß“ den Zeitgeist - und einen Nerv. Auch befeuert durch den gleichnamigen Kinofilm mit Nena an seiner Seite. Spaß haben ohne Blick in den Rückspiegel, egal was andere denken - diese Attitüde gehörte eben auch zum NDW-Lebensgefühl. Und wer hat jemals gesagt, dass ein guter NDW-Song wahnsinnig virtuos oder komplex sein muss? Eben.

Platz 9: Paso Doble - Computerliebe

Mit „Goldener Reiter“ gehört auch Joachim Witt auf jedes Best-of zur Neuen Deutschen Welle. (Bild: United Archives/Getty Images)

Mit „Goldener Reiter“ gehört auch Joachim Witt auf jedes Best-of zur Neuen Deutschen Welle. (Bild: United Archives/Getty Images)

Mitte der 80er-Jahre war es fast schon wieder vorbei mit der Neuen Deutschen Welle, die Nachfrage in den Plattenläden sank - aber dann kam doch noch einmal einer dieser NDW-Songs, die in Erinnerung blieben. Und der ging so: „Die Module spielen verrückt, Mensch, ich bin total verliebt / Voll auf Liebe programmiert / Mit Gefühlen“. Futuristische Sci-Fi-Träume und Elektro-Klänge, vor allem aber ein hinreißender Refrain bescherten dem Duo Paso Doble ihren einzigen, aber eben auch denkwürdigen Hit. „Computerliebe“ kam 1985 auf den Markt und erreichte Platz 15 in der Hitparade.

Platz 8: Grauzone - Eisbär

Zumindest aus kommerzieller Sicht war Nena die Nummer eins in der NDW-Szene. Mit der englischen Version von „99 Luftballons“ landete sie sogar auf Platz zwei in den US-Charts. (Bild: Getty Images/Peter Bischoff)

Zumindest aus kommerzieller Sicht war Nena die Nummer eins in der NDW-Szene. Mit der englischen Version von „99 Luftballons“ landete sie sogar auf Platz zwei in den US-Charts. (Bild: Getty Images/Peter Bischoff)

Ihr größter kommerzieller Erfolg war ein zwölfter Platz in den Charts, sie kommen anders als Nena, Witt, Schilling und Co. auch nicht wie selbstverständlich auf jedes NDW-Best-of, aber ohne die Schweizer Band Grauzone wäre die Neue Deutsche Welle vielleicht nie zu einem Massenphänomen geworden. Minimalistische Texte, reduzierte Instrumentierung, Experimentierfreude: Vieles von dem, was man heute den Künstlern der NDW-Ära zuschreibt, findet man bei Grauzone und „Eisbär“ (1981) in seiner ursprünglichsten Form. „Ich möchte ein Eisbär sein / Im kalten Polar / Dann müsste ich nicht mehr schrei'n / Alles wär so klar“ - die NDW-Puristen werden sich mit Freude zurückerinnern.

Platz 7: Ideal - Berlin

Peter Schilling (“Major Tom“) war einer der größten Stars der NDW-Zeit - und vielleicht der beste Musiker jener Zeit. (Bild: David Redfern/Redferns/Getty Images)

Peter Schilling (“Major Tom“) war einer der größten Stars der NDW-Zeit - und vielleicht der beste Musiker jener Zeit. (Bild: David Redfern/Redferns/Getty Images)

Man findet in vielen NDW-Hits Pop- und Schlager-Elemente, aber es gab daneben auch immer eine andere, weniger kommerzielle Seite der Neuen Deutschen Welle - die, die ihren Ursprung im Punk der 70-er hatte. Und so kommen wir, genau, zu Ideal. Annette Humpe und ihre Band kamen aus der Westberliner Subkultur und trugen diesen Geist rotzfrech von der Straße in die Charts. Vor allem mit ihrem ersten und wahrscheinlich besten großen Song, einem aufgekratzten Loblied an die Hauptstadt: „Berlin“. Das Lied kam bereits 1980 auf den Markt, also vor dem ganz großen NDW-Hype. Ungeschliffen, wild, aufregend - und auch heute noch absolut hörbar.

Platz 6: DÖF - Codo

Hier in Zwangsjacke, bei anderen Auftritten auch mal mit Nachthemd: Die Show spielte bei Hubert Kah (“Sternenhimmel“) immer eine wichtige Rolle. (Bild: United Archives/kpa/Getty Images)

Hier in Zwangsjacke, bei anderen Auftritten auch mal mit Nachthemd: Die Show spielte bei Hubert Kah (“Sternenhimmel“) immer eine wichtige Rolle. (Bild: United Archives/kpa/Getty Images)

„Hässlich, ich bin so hässlich, so grässlich hässlich, ich bin der Hass“: Für NDW-Verhältnisse war der Einstieg in „Codo“ ganz schön düster, aber am Ende wurde in dem international erfolgreichen Nummer-eins-Song von DÖF (Deutsch-Österreichisches Feingefühl) alles gut. Der „Herr des Hasses“ wird besiegt, Codo düst durchs All im Sauseschritt und bringt die Liebe mit. Eine zauberhafte NDW-Popgeschichte, die auch knapp 40 Jahre später nichts von ihrem Charme verloren hat. Der Name der geschlechtslosen Titelgestalt Codo war übrigens eine Abkürzung, wie DÖF-Musiker Joesi Prokopetz einmal verriet - wahlweise für „Cosmischer Dolm“ oder „Cosmischer Depp“.

Platz 5: Hubert Kah - Sternenhimmel

In der kunterbunten NDW-Zeit gab es viele schräge Vögel, er aber trieb das Ganze auf die Spitze: Hubert Kah. Wer seine TV-Auftritte von damals gesehen hat, der denkt diese schrillen Bilder auch heute noch unweigerlich mit, wenn er „Sternenhimmel“ im Radio hört. Aber auch ohne die Schminke, das Nachthemd oder die wie zum Fasching verkleideten Begleitmusiker ist Hubert Kahs Vorzeige-Hit von 1982 ein grandioser Song. Frisch, flott, kreativ, im besten Sinne unerhört - mit „Sternenhimmel“ zeigte Hubert Kah, dass auf dem Höhepunkt der Neuen Deutschen Welle alles ging. Also wirklich alles.

Platz 4: Nena - Leuchtturm

Nena, da haben wir sie also. „Von dir geträumt“, „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“, „99 Luftballons“ sowieso - es gab in den 80-ern so viele große Songs von dieser damals so aufregenden jungen Musikerin. „Leuchtturm“ war nicht der kommerziell erfolgreichste, landete nicht in den US-Charts, steht aber auf der Liste vieler Fans bis heute ganz oben. Vielleicht, weil diese unbedarfte Pop-Perle über die Jahre nicht so totgespielt wurde wie etwa die ewige NDW-Hymne „99 Luftballons“. Weil „Leuchtturm“ von allen verträumten Nena-Songs der verträumteste war. Oder eben, weil sich viele Fans bei genau diesem Song endgültig in Nena verknallt haben. „Ich geh' mit dir, wohin du willst / Auch bis ans Ende dieser Welt“ - hach!

Platz 3: Peter Schilling - Major Tom (völlig losgelöst)

Viele Musiker hätten sich in den 80-ern über die Bezeichnung „NDW-Star“ gefreut, Peter Schilling fühlte sich damit aber nie richtig wohl. Und man kann ihn auch verstehen, denn als Musiker spielte er in einer ganz anderen Liga als viele seiner damaligen Kolleginnen und Kollegen. Sein Meisterwerk, natürlich: „Major Tom (völlig losgelöst)“ aus dem Jahr 1982. Jeder - vor allem neuerdings die deutschen Fußballfans - kennt noch heute den schmissigen Mitgröl-Refrain, aber hören Sie beispielsweise mal auf den Bass, der teilweise komplett quer zum Rhythmus läuft - so progressiv, so musikalisch anspruchsvoll wie hier klang die Neue Deutsche Welle nur ganz selten. Und doch wurde „Major Tom“ zu einem Nummer-eins-Hit, der es in der englischen Variante sogar bis nach Amerika schaffte.

Platz 2: Trio - Da Da Da

Jemand hat irgendwann mal nachgezählt: 84-mal „da“ und 18-mal „aha“ in der Radio-Version. Man hat „Da Da Da“ im Lauf der Jahrzehnte bis ins letzte Detail zerlegt, von allen möglichen Seiten durchleuchtet und analysiert, aber wirklich verstanden hat den Song womöglich bis heute niemand. Unter anderem auch, weil Trio sich stets weigerten, ihn zu erklären. Das war vielleicht auch ganz clever, denn so kann man auch 40 Jahre später über diesen minimalistischen Geniestreich mit Spielzeug-Keyboard und Sprechgesang reden. Der vollständige Titel eines der unwiderstehlichsten und kommerziell erfolgreichsten NDW-Hits (13 Millionen verkaufte Tonträger) wird übrigens gerne unterschlagen: „Da Da Da ich lieb dich nicht du liebst mich nicht aha aha aha“. Genau, gaga, genial.

Platz 1: Joachim Witt - Goldener Reiter

An der Umgehungsstraße, kurz vor den Mauern unserer Stadt, da spielte Anfang der 80-er ein Song, der wirklich alles hatte: viel Schwung zum Tanzen, eine eingängige Melodie, einen Wahnsinnsrefrain und dazu einen Text, über den man auf dem Nachhauseweg noch lange nachdenken konnte. Mit „Goldener Reiter“ vom Album „Silberblick“ landete Joachim Witt damals seinen ganz großen Wurf. Die 1981 veröffentlichte Single kam seinerzeit nicht über Platz zwei in der Hitparade hinaus, und doch wurde die genial-schizophrene Kapitalismuskritik zu einem Hit für die Ewigkeit. Wir legen uns fest: „Goldener Reiter“ von Joachim Witt war der beste, der großartigste, der geilste Song der gesamten NDW-Ära. (tsch)