Jules Verne trifft „12 Years A Slave“: Die historische Abenteuerserie „Washington Black“ erzählt von einem hochbegabten schwarzen Jungen, der in den 1830er-Jahren über den amerikanischen Kontinent flieht. Ist er für den Tod eines weißen Mannes verantwortlich?
Serie „Washington Black“In 80 Tagen um die rassistische Welt

Ernest Kingsley Junior und Iola Evans stehen im Fokus der Serie „Washington Black“ bei Disney+. Die Produktion nach dem gleichnamigen Bestseller von Esi Edugyan ist eine bunte Mischung aus historischem Abenteuer, Coming-of-Age-Porträt und Studien über Kolonialismus und Rassismus. (Bild: Disney/Chris Reardon)
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„Paradise“-Star Sterling K. Brown, der auch als Mitproduzent der Serie „Washington Black“ fungiert, spielt Medwin Harris, der sich um den jungen George Washington Black kümmert. Hier schaut er sich ein neues Fluggerät des genialen schwarzen Erfinders an. (Bild: Disney/Chris Reardon)
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Tannas Vater (Rupert Graves, links), ein weißer Engländer und Neuankömmling in Halifax, bereitet George Washington (Ernest Kingsley Junior) auf einen Tauchgang vor. (Bild: Disney/Chris Reardon)
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Die kanadische Schriftstellerin Esi Edugyan veröffentlichte 2018 den Roman „Washington Black“. Er schaffte es unter anderem auf die Shortlist des Booker Prize, einer der wichtigsten Auszeichnungen für englischsprachige Literatur. Das Genre der Erzählung wie auch der gleichnamigen Serie (ab Mittwoch, 23. Juli, Disney+) zu benennen, ist nicht leicht. Wenn man sich aber eine Mischung der fantastischen Abenteuergeschichten Jules Vernes wie „In 80 Tagen um die Welt“ oder „20.000 Meilen unter dem Meer“ vorstellt und sie mit Sklavengeschichten wie „12 Years A Slave“ oder „Underground Railroad“ kreuzt, läge man nicht ganz falsch. Erzählt wird auf zwei Zeitebenen vom künstlerisch wie wissenschaftlich hochbegabten George Washington Black. Der elfjährige schwarze Junge (Eddie Karanja) wächst als Sklave in den 1830er-Jahren auf einer karibischen Plantage auf.

Miss Angie (Sharon Duncan-Brewster) und Medwin Harris (Sterling K. Brown) kümmern sich um die schwarze Community in ihrer Gegend. (Bild: Disney/Chris Reardon)
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Christopher „Titch“ Wilde (Tom Ellis), der sanftmütige Sohn des brutalen Plantagenbesitzers, erkennt das Talent des Jungen und fördert dessen Begabungen. Gemeinsam erforscht man die Naturgesetze und baut an einer Flugmaschine. Als auf der Plantage ein Weißer ums Leben kommt, fällt der Verdacht auf den Jungen, der jedoch mit seinem Förderer Titch flieht. Eine Odyssee über den amerikanischen Kontinent und darüber hinaus beginnt.

Naturforscher sowie Erfinder Christopher „Titch“ Wilde (Tom Ellis, links) und sein Protegé George Washington Black (Eddie Karanja) hat es in die Kälte verschlagen. (Bild: Disney/Chris Reardon)
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Die zweite Zeitebene zeigt den erwachsenen George (nun: Ernest Kingsley Junior), der im kanadischen Halifax unter falscher Identität lebt. Als der englische Gentleman Goff (Rupert Graves) aus London dort eintrifft, will er seine Tochter Tanna (Iola Evans), die eine schwarze Mutter hat, aber fast hellhäutig ist, an einen einflussreichen Unternehmer verheiraten. Die intelligente junge Frau mit Sinn für Poesie und Wissenschaft findet in George Washington Black jedoch einen Seelenverwandten. Hat ihre Liebe eine Chance?
Kann man sich von einer Identität als Sklave jemals befreien?

Tanna (Iola Evans) soll in Novia Scotia an den reichen und einflussreichen Unternehmer Billy McGee (Edward Bluemel) verheiratet werden. Eine andere, allerdings nicht „standesgemäße“ Liebe funkt dazwischen. (Bild: Disney/Chris Reardon)
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Globales Abenteuer, Coming of Age und schwarze Selbstermächtigung: George Washington Black (Ernest Kingsley Junior) sucht in der Wüste nach Spuren und Erkenntnissen. (Bild: Disney/Chris Reardon)
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„Paradise“-Star Sterling K. Brown, der in der Serie eine prominente Nebenfigur spielt, produzierte „Washington Black“. Alle acht Folgen stehen ab 23. Juli bei Disney+ zum Streamen bereit. Getragen vom sehr emotionalen Orchestersoundtrack des jungen Komponisten Cameron Moody erinnert die wuchtige Musik der Serie an alte Abenteuerfilm-Scores von Steven Spielberg und Co. aus den 80-ern. Ohnehin muss man sich bei „Washington Black“ auf einen gewagten Genre-Spagat einstellen: Fantasy-Elemente wechseln mit Historien- und Abenteuermotiven, dabei geht es zwischen den kruden Abenteuern der Figuren immer wieder um das Verhältnis zwischen schwarzen und weißen Menschen in deren Machtgefüge. Wie zeigt sich Rassismus, selbst wenn er nicht aggressiv daherkommt? Und kann man sich von einer Identität als Sklave jemals befreien?
Der Roman „Washington Black“ nutzt Motive des Abenteuer- und Coming-of-Age-Romans, um von Sklaverei, Wissenschaft, Freiheit, Selbstfindung und Kolonialismus zu erzählen. In der Serie werden diese Themen mitunter zu Hintergrundflimmern, stehen dort doch hohe Schauwerte und die manchmal etwas sprunghaft erzählte Handlung im Vordergrund. Trotzdem scheinen jene komplexen Beziehungen der Figuren, die dem Achtteiler zugrunde liegen, in den Dialogen immer wieder mal durch. Zusammen mit dem bezaubernden Spiel vor allem des Liebespaares Ernest Kingsley Junior und Iola Evans sammelt die Serie auf diese Weise auch klare Einschalt-Argumente. (tsch)