Ideal, Lorde und Bruce Springsteen, der zuletzt eimerweise altes Material aus seinem Archiv schöpfte und jetzt gleich sieben „verlorene“ Alben auf einmal veröffentlicht: Erfahren Sie hier, was neu, wichtig und hörenswert ist in der Welt der Musik.
Sieben neue Alben von Bruce SpringsteenDas sind die Musik-Highlights der Woche

Beeindruckend: Bruce Springsteen veröffentlicht mit der Sammlung „Tracks II“ gleich sieben neue Alben auf einmal. (Bild: Neal Preston)
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Sieben Alben mit 83 Songs, das würde bei manchen anderen Künstlern reichen, um 20 Jahre Karriere zu füllen. Bei Bruce Springsteen hingegen ist es das Material für eine einzige Zwischendurch-Veröffentlichung. „Tracks II: The Lost Albums“, so nennt der „Boss“ eine neue Sammlung mit liegengebliebenem Liedgut aus über drei Jahrzehnten. Neues und Hörenswertes gibt es außerdem von Ideal und Lorde.
Bruce Springsteen - Tracks II: The Lost Albums

Vor 45 Jahren starteten Ideal mit ihrem selbstbetitelten Debütalbum durch, jetzt wird die „Ideal“-Platte als „2025 Mix“ neu aufgelegt. (Bild: Bodo Dretzke)
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Ein neues Album von Bruce Springsteen. Und noch eins. Und noch eins. Und noch eins ... Dass renommierte Musiker im Herbst ihrer Karriere ab und an mal ein liegengebliebenes oder „verschollenes“ Album aus der Schublade kramen, um es entgegen früheren Entscheidungen doch noch mit den Fans zu teilen, ist nicht neu. Bei Bruce Springsteen allerdings sind es gleich sieben Platten auf einmal, die er jetzt gesammelt unter dem Titel „Tracks II: The Lost Albums“ veröffentlicht.
Warum „Tracks II“? Weil der „Boss“ vor vielen Jahren schon einmal im großen Stil sein Archiv aufgeräumt hat. 1998 erschien die 4-CD-Sammlung „Tracks“ mit 66 Songs (davon 56 bis dahin unveröffentlicht) aus den 70er-, 80er- und frühen 90er-Jahren. „Tracks II“ enthält nun insgesamt 83 Titel, die zwischen 1983 und 2018 entstanden. Stilistisch schlagen die sieben verschiedenen Alben dementsprechend in ganz unterschiedliche Richtungen aus, von Low-Fi-Rock über Country bis hin zu Synthesizer- und Orchester-Musik. „All diese LPs sind abgeschlossene Alben“, betont Springsteen. Er habe sie in der Vergangenheit immer wieder mal engen Freunden vorgespielt und freue sich, das Material nun endlich der Öffentlichkeit präsentieren zu können.
Die Gesamtspielzeit von „Tracks II“ liegt bei knapp fünf Stunden. Wer nicht so viel Zeit hat (oder keinen Platz für neun weitere LPs beziehungsweise sieben CDs im Schrank), kann auch auf eine Art Best-of zurückgreifen, das Springsteen zeitgleich mit den „verlorenen“ Platten veröffentlicht. „Lost An Found: Selections From The Lost Albums“, unter anderem erhältlich als Doppel-LP oder CD, vereint 20 ausgewählte Titel aus der umfangreichen „Tracks II“-Sammlung.
Ideal - Ideal (2025 Mix)

Kunst für die große Masse: Die Neuseeländerin Lorde (“Royals“) erweist sich auch auf dem neuen Album „Virgin“ als eine der spannendsten Alternative-Musikerinnen der Gegenwart. (Bild: Thistle Brown)
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Drei Jahre, mehr war es am Ende nicht zwischen der Gründung und der Auflösung von Ideal (1980 bis 1983). Doch was die Band während dieser Zeitspanne erreichte, wie stark sie die damalige deutsche Musikszene prägte und wie sehr man sie auch heute, über 40 Jahre später, immer noch verehrt - davon konnten und können die meisten anderen Acts der NDW-Ära nur träumen. Eine kurze, große Karriere, könnte man sagen, die jetzt auf besondere Art gefeiert wird: mit einer außergewöhnlichen Neuauflage des selbstbetitelten Debütalbums „Ideal“ von 1980.
„Ideal“ kletterte seinerzeit bis auf Platz drei in den Charts, wurde als erste deutsche Independent-Veröffentlichung überhaupt mit Gold ausgezeichnet und enthielt mit „Berlin“ (“Ich steh' auf Berlin!“) natürlich auch einen echten, stilprägenden Hit. Wenn irgendeine NDW-Platte so ein aufwendiges Reissue verdient, dann zweifellos diese hier.
Annette Humpe, die Sängerin von damals, half tatkräftig mit, das alte Material neu abzumischen. „Neu gedacht im Geist der alten Zeit“ sollten die Lieder wie „Blaue Augen“, „Hundsgemein“ oder eben „Berlin“ sein, deshalb arbeiteten Humpe und Produzent Moritz Enders (Kraftklub, Casper) ausschließlich mit Tontechnik, die auch schon 1980 auf dem Markt war. Zu „Berlin“ wurde auch ein neues Musikvideo im Vintage-Stil produziert. So wird das „Ideal (2025 Mix)“-Projekt zu einer wahrhaft denkwürdigen Zeitreise, auch für Annette Humpe: „Wenn ich die alten Ideal-Songs höre, sehe ich West-Berlin wieder vor mir, mit keinem Ort der Welt zu vergleichen.“
Lorde - Virgin
Sie zieht die Massen an, aber sie tut's auf ihre Weise. Das wurde auch vor ein paar Monaten deutlich, als Lorde in einem New Yorker Park ein spontanes Get-Together startete, um den Fans ihren ersten neuen Song seit fast vier Jahren zu präsentieren (“What Was That“). Bilder von dem Event zeigen relativ viel Chaos, die Veranstaltung wurde von der Polizei schnell wieder aufgelöst. Jetzt folgt endlich das nächste neue Album „Virgin“ - ein Ereignis, dem die Alternative-Pop-Szene zuletzt mit großer Spannung entgegenfieberte.
Mit dem Riesenhit „Royals“ von 2013 etablierte sich Lorde als internationaler Star, mit der letzten Platte „Solar Power“ (2021) gab's aber gefühlt doch mal einen kleinen Karriereknick. Die Kritiken fielen gemischt aus, und Lorde machte kein Geheimnis daraus, dass ihr das ziemlich zusetzte. Wie ihre Musik damals rezipiert wurde, das sei für sie „verwirrend“ und teilweise auch „sehr schmerzhaft“ gewesen, gestand die gebürtige Neuseeländerin hinterher.
So ganz „verwirrend“ und „schmerzhaft“ wird es diesmal hoffentlich nicht für Lorde. Die elf neuen Songs sind zuweilen arg aufgekratzt, sowohl inhaltlich als auch musikalisch, aber meist auf eine gute, verspielte Art. Man kann gut zu dieser Musik tanzen oder gedankenverloren mit Kopfhörern durch den Park spazieren. Man kann auch angestrengt nach klanglichen Innovationen forschen und wird einiges finden. Der Versuchung einer allzu glatt polierten Pop-für-Jedermann-Produktion widersteht Lorde jedenfalls auch mit „Virgin“. Kunst oder Kommerz? Müsste sie wählen, so scheint weiterhin klar, wie Lorde sich entscheiden würde. (tsch)