Während CDU-Politiker Christoph Ploß die Haltung seiner Partei zu verteidigen versuchte, machte Grünen-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann vor allem Jens Spahn für das Debakel verantwortlich.
„So dilettantisch“Haßelmann zieht nach Richterwahl-Debakel über Jens Spahn her

Grünen-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann sagte mit Blick auf die Debatte um Frauke Brosius-Gersdorf: „Diese Art, wie Frau Brosius-Gersdorf angegangen wurde, so kann man mit Frauen in dieser Republik nicht umgehen!“ (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)
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Die geplatzte Verfassungsrichterwahl im Bundestag sorgt weiterhin für Schlagzeilen: Bei „Markus Lanz“ versuchte die SPD-Nominierte Frauke Brosius-Gersdorf am Dienstagabend, ihre Positionen sachlich darzustellen und mit kursierenden Gerüchten und Lügen aufzuräumen. In der Mittwochsausgabe der ZDF-Talkshow lobte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann die Juristin für ihren mutigen Auftritt und sagte, dass sie dafür „großen Respekt“ verdient habe, „denn da ist mit so viel Dreck geworfen worden. So viele Unterstellungen, so viele Aussagen über sie, die sie hat über sich ergehen lassen müssen“.

Im Streitgespräch mit CDU-Politiker Christoph Ploß kritisierte Grünen-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann das Versagen von Jens Spahn. (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)
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Lanz nickte zustimmend: „Ich habe auch eine Idee davon, was es bedeutet, unter wirklich hartem öffentlichen Druck zu stehen. Man kann sich darauf auch nicht wirklich vorbereiten. Das kann man nicht trainieren.“ Sich der Kritik öffentlich zu stellen, sei laut Lanz „etwas, was eine Frau macht, die sich ihr Leben zurückholen will. Die die Kontrolle über ihr Leben zurückgewinnen will. Die nicht mehr Getriebene sein möchte“.
CDU-Politiker Christoph Ploß zeigte sich derweil wenig beeindruckt und erklärte, dass Frauke Brosius-Gersdorf in den wichtigen Fragen kein Licht ins Dunkel gebracht habe. Eine Steilvorlage für Lanz, der wissen wollte: „Wie hätten Sie abgestimmt, wenn abgestimmt worden wäre?“ Ploß antwortete prompt: „Ich hätte sie auch nicht gewählt.“ Während sich die Gäste bei „Markus Lanz“ über die Debatte um Frauke Brosius-Gersdorf echauffierten, machte Ploß deutlich, dass er „nicht den Eindruck gewonnen“ habe, dass die Union einer „rechten Kampagne auf den Leim“ gegangen sei. Vielmehr habe er das Gefühl gehabt, „die Abgeordneten haben sich eine eigenständige Meinung gebildet“.

CDU-Politiker Christoph Ploß stellte sich am Mittwochabend der Kritik an seiner Partei und erklärte, das die Debatte in der Unionsfraktion „rein sachlich und inhaltlich“ gewesen sei. (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)
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Die Union wisse laut Ploß durchaus, „wie wichtig Stabilität ist“. In Bezug auf die umstrittenen Positionen von Frauke Brosius-Gersdorf sei jedoch „ein Kern der Union berührt“ gewesen, nämlich „die Würde des Menschen“. „Sie hat schon eine sehr klare Stoßrichtung“, so der CDU-Politiker. Er ergänzte, dass bei der SPD-Kandidatin für das Verfassungsgericht „eine politische Agenda zu sehen“ sei, „die die meisten in der Union ablehnen und das hat man in den Diskussionen auch wahrgenommen“.
Britta Haßelmann wirft Jens Spahn „verantwortungsloses Verhalten“ vor

Journalistin Melanie Amann warnte bei „Markus Lanz“ vor den gravierenden Folgen nach dem Richterwahl-Debakel im Bundestag. (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)
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Ploß machte deshalb deutlich, dass er es richtig finde, dass Jens Spahn die Abstimmung abgesagt habe. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann reagierte daraufhin irritiert und zog prompt vom Leder: „Wenn ich mir vorstelle, dass eine so wichtige Frage wie die Richterwahl für das Bundesverfassungsgericht so dilettantisch vorbereitet wird, dass Ihre Fraktion da am Montag bis Freitag reinstolpert, dann ist das ein eklatantes Führungsversagen von Jens Spahn!“ Haßelmann weiter: „Ich kann das wirklich nicht verstehen, dass man von seinem eigenen Führungsversagen so ablenkt, indem man so eine Geschichte konstruiert.“ Christoph Ploß wollte dies nicht unkommentiert lassen. Er konterte sichtlich genervt: „Aber Abgeordnete entscheiden doch nach ihrem Gewissen!“ Die Grünen-Politikerin ließ sich davon nicht beirren und stichelte: „Herr Ploß, lassen Sie mich mal ausreden!“
In Bezug auf Jens Spahn wollte sie daher von Christoph Ploß wissen, wie er „einen so wichtigen Prozess“ in seiner Fraktion „abgesichert“ habe. Ihr Eindruck sei inzwischen: „Gar nicht!“ Sie habe vor fünf bis sechs Wochen „im Büro von Jens Spahn gesessen und dort haben wir über die Richterwahlen geredet - vertraulich. Dort war klar, es gibt einen gemeinsamen Vorschlag. Und dann sitze ich da am Freitag und dann wird mir der Eindruck vermittelt, die CDU ist noch nicht ganz so weit und außerdem ist es ja ein Vorschlag der SPD.“

Markus Lanz (links) diskutierte am Mittwochabend mit der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Britta Haßelmann, CDU-Politiker Christoph Ploß (Mitte), Journalistin Melanie Amann (zweite von rechts) und Journalist Robin Alexander. (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)
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Als der CDU-Mann mit einem nüchternen „Aber das ist ja auch Demokratie“ konterte, platzte es aus Haßelmann heraus: „Sie haben doch als Fraktionsvorsitzender eine Verantwortung gegenüber den Menschen, die man da vorschlägt!“ Sie unterstellte Jens Spahn daher ein rundum „verantwortungsloses Verhalten“. Ploß musste daraufhin zugeben: „Das hat Jens Spahn ja selber auch gesagt, dass der Prozess nicht optimal gelaufen ist. Da sind wir uns ja einig, der Prozess war nicht gut und da gilt es auch einiges aufzuarbeiten.“ Eine Aussage, die Melanie Amann verwunderte: „Das ist ja die Untertreibung des Jahrhunderts!“
Haßelmann warnt vor Einfluss der AfD: „Ich mache mir große Sorgen um die CDU/CSU“
Die Journalistin merkte daraufhin an, dass für sie „viel dafür“ spreche, dass Frauke Brosius-Gersdorf nach all den öffentlichen Debatten „nicht Verfassungsrichterin wird“. In dem Zusammenhang warnte sie vor den „gravierendsten Folgen“ der aktuellen Situation und sagte: „Ich glaube, wir haben jetzt die letzte normale Bundesverfassungsrichterwahl erlebt. Es wird ab jetzt alles anders sein bei künftigen Verfassungsrichterwahlen.“
Grünen-Politikerin Britta Haßelmann nickte zustimmend und sagte mit ernster Miene, dass die Union sich „von AfD-nahen, rechten Netzwerken“ habe treiben lassen. „Herr Ploß, ich mache mir große Sorgen um die CDU/CSU!“, so Haßelmann mit Blick auf den Politiker. Sie ergänzte: „Merkt ihr eigentlich nicht, dass die AfD einen Plan hat, euch zu zerstören?“ (tsch)