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ARD-Doku „FAKT“Vertrauter des Magdeburg-Attentäters schockt TV-Reporter

4 min
Das MDR-Team reagiert geschockt auf die Aussagen des Informanten. (Bild: MDR / ARD)

Das MDR-Team reagiert geschockt auf die Aussagen des Informanten. (Bild: MDR / ARD)

In der ARD-Doku „FAKT“ stoßen die Reporter auf einen Bekannten des Attentäters, der mit seinen Aussagen für Entsetzen sorgt. Trotz Quellenschutz werden die Behörden eingeschaltet.

„Eigentlich sollte das ein Film über den Attentäter vom Magdeburger Weihnachtsmarkt werden, Taleb A.“, beginnt die ARD-Doku „FAKT: Attentäter unter uns“. Doch während der Recherchen wird das MDR-Team auf einen weiteren Mann aufmerksam. Ahmed M. verrät im Gespräch, dass er sich noch viel mehr Tote wünschen würde - und schockt damit die Film-Crew. Haben die Journalisten hier gerade einen künftigen Attentäter aufgespürt?

Wie die Recherche des MDR-Teams zeigt, ist der ebenfalls in Deutschland lebende Ahmed M. ein enger Bekannter von Taleb A. Also jenes Mannes, der am 20. Dezember 2024 mit seinem Auto in eine Menschenmenge auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt raste und damit für bundesweites Entsetzen sorgte. Sechs Menschen starben, Hunderte wurden verletzt. Ahmed M. meint dazu im Interview mit dem Team hinter der ARD-Doku, dass diese Tat „mutig“ gewesen sei. Er bedauere, dass „zu wenige Menschen getötet“ wurden.

Außerdem verrät Ahmed M., dass er selbst die Behörden schon bedroht habe. Kurz nach dem Gespräch fehlt von ihm plötzlich jede Spur. Beim MDR-Team macht sich ein mulmiges Gefühl breit ...

Bekannter vom Magdeburg-Attentäter schockt MDR-Team im Interview

Taleb A. kommt aus Saudi-Arabien und lebt seit 2006 in Deutschland. Vor seiner schrecklichen Tat in Magdeburg arbeitete er als Facharzt für Psychiatrie in Bernburg - und wurde tatsächlich schon im Jahr 2019 für einen Film im ARD-Magazin „Fakt“ von dem Sender interviewt. Damals wollte er unter keinen Umständen erkannt werden - angeblich aus Angst vor dem saudischen Geheimdienst. Dabei gab er im Gespräch auch an, einem Mann - ebenfalls aus Saudi-Arabien - bei seinem Asylverfahren geholfen zu haben: Ahmed M.

Der Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt vom 20. Dezember 2024 sorgte deutschlandweit für Entsetzen und Trauer. (Bild: 2024 Getty Images/Omer Messinger)

Der Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt vom 20. Dezember 2024 sorgte deutschlandweit für Entsetzen und Trauer. (Bild: 2024 Getty Images/Omer Messinger)

Nach längerer Suche findet das Doku-Team Ahmed M. schließlich im April dieses Jahres. Dieser bestätigt, dass er mithilfe von Taleb A. 2016 nach Deutschland kommen konnte. Er hatte ihn zuvor über Social Media kennengelernt. Schnell geht es im Gespräch mit den Filmemachern um Talebs Attentat im vergangenen Dezember in Magdeburg, für das Ahmed M. volles Verständnis zeigt: „Das war eine Racheaktion aus persönlichen Gründen. (...) Was er tat, war eine normale, einfache Aktion. Ganz einfach.“

Unter anderem kritisiert er die Willkür der deutschen Behörden, unter der alle arabischen Flüchtlinge seiner Meinung nach zu leiden hätten. Bezüglich Talebs Anschlag geht er sogar noch weiter: „Ich wünschte, seine Bemühungen würden nicht mit dem Tod weniger Menschen enden.“ Da hakt einer vom MDR irritiert nach: „Was hätte das Ergebnis sein sollen?“ Ahmed M.: „Noch mehr zu töten!“

Die Antwort erschüttert die Journalisten. „Wir schützen grundsätzlich unsere Quellen. Aber was, wenn jemand wie Ahmed M. zur Gefahr wird?“, heißt es in der ARD-Doku. Das Team beschließt, sich juristisch zu beraten und die Polizei zu informieren. Doch kurz darauf ist Ahmed M. spurlos verschwunden. Die Staatsanwaltschaft gibt wenig später an, der Sache nachzugehen.

Ahmed M. taucht nach MDR-Interview ab

Das MDR-Team trifft sich mit dem Islam-Wissenschaftler und Radikalisierungsforscher Hans Goldenbaum. Der Experte erkennt beim interviewten Ahmed M. klare Parallelen zum Attentäter Taleb A.: „Der Rachegedanke ist hier ganz zentral. Die Rache soll genommen werden an Deutschland, und Deutschland umfasst hier den deutschen Staat im Sinne von staatlichen Institutionen, im Sinne der Regierung, aber auch im Sinne der Bevölkerung.“

Auch die Drohungen, die Ahmed M. im Gespräch mit dem MDR formulierte, werden Goldenbaum vorgespielt. So erzählte Ahmed M., dass er den Behörden in Halberstadt angekündigt hatte, er wolle „die Stadt und alle darin niederbrennen“, woraufhin er eine Erklärung habe unterzeichnen müssen, dass er seine Drohungen nicht wahrmachen dürfe. Der Radikalisierungsforscher meint dazu: „Bei ihm ist es so, dass wir sagen können: Es könnte sein, dass er in drei Monaten etwas macht, es könnte sein, dass er morgen etwas macht, es könnte aber auch sein, dass er gar nichts macht. Und das ist das große Dilemma.“

Die Gefahr sei durchaus ernstzunehmen, wie in der ARD-Doku deutlich wird. Dass die Behörden auch Wochen nach dem Interview nicht wissen, wo sich Ahmed M. aufhält, beunruhigt die Film-Crew. Ein Sprecher des Bundeskriminalamtes teilt auf Nachfrage des MDR mit, dass derzeit 561 sogenannte Gefährder erfasst sind. Es wird klar, dass es erhebliche Schwierigkeiten dabei gibt, diesen auf die Schliche zu kommen.

Prof. Florian Hartleb von der Modul-Universität Wien erklärt: „Deutschland hinkt hinterher, was Technik anbetrifft. Und wir haben natürlich grundsätzliche Probleme, was den Datenschutz anbetrifft und den Föderalismus und den Behördenabgleich. Und das sorgt dafür, dass wir im Bereich der Inneren Sicherheit und der Terrorabwehrbekämpfung schlecht aufgestellt sind.“

Die komplette ARD-Doku „FAKT: Attentäter unter uns“ ist am Dienstag, 15. Juli, um 21.45 Uhr im Ersten und ab sofort in der ARD-Mediathek zu sehen. (tsch)