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Wer war Eva?Wie eine deutsche Sängerin Frankreich eroberte – und dann vergessen wurde

Lesezeit 5 Minuten
Eva Killutat auf einem Bild im Jahre 1976.

In Frankreich und Kanada ein Star, in Deutschland nahezu unbekannt: Die in Berlin geborene Eva Killutat auf einem Bild im Jahre 1976. (Archivbild)

Fast vergessen, jetzt digital wiederentdeckt: Die deutsche Chansonsängerin Eva Killutat begeisterte einst Frankreich und Kanada.

Sie war in den 60er- und 70er-Jahren eine gefragte Stimme des französischen Chansons, stand auf legendären Pariser Konzertbühnen, sang in Montreal vor ausverkauften Häusern – und ist doch weitgehend in Vergessenheit geraten. Die Rede ist von Eva, eigentlich Eva Killutat, einer gebürtigen Berlinerin, die mit ihrer rauchigen Stimme, ihren melancholischen Liedern und ihrer zurückhaltenden Bühnenpräsenz in Frankreich und Québec große Erfolge feierte. Seit dem Frühjahr 2025 sind ihre Alben wieder über Streaming-Dienste wie Spotify erhältlich – eine Gelegenheit, sie neu zu entdecken.

Eva Killutat: Erfolge von Paris bis Montreal

Man muss tief graben, um die verblasste Karriere der 1943 in Berlin geborenen Chansonette nachzuzeichnen. „Ich wurde in Berlin geboren, aber ich bin Preußin, das ist nicht dasselbe ...“, sagte sie einmal augenzwinkernd. Anfang der 1960er-Jahre soll sie nach Paris gezogen sein, wo sie bald in den Cabarets der Rive Gauche auftrat. Ihre ersten Chansons veröffentlichte sie 1964. Kritiker beschrieben ihre Stimme als „rauchig, schwer, fast wie aus einer anderen Zeit“.

Außerhalb Frankreichs trat sie auch international auf, so im Libanon, in der Türkei und mehrfach in Kanada. In Montreal feierte sie zwischen 1968 und 1973 große Erfolge, füllte die Salle Maisonneuve und wurde von der Presse in Québec als „beliebteste ausländische Chansonstimme“ bezeichnet.

Vergleich mit Barbara und Marlene Dietrich

Frankophone Zeitungen verglichen sie oft mit zwei großen Namen der Musikgeschichte: Mit der Chanson-Ikone Barbara – wegen der Tiefe und Ernsthaftigkeit ihrer Lieder – und Marlene Dietrich – wegen ihrer geheimnisvollen Aura. „Eine Barbara, aber dramatischer“, hieß es 1968 in einem Artikel des „Indépendant du Dimanche“.

Kein Geringerer als der große Chansonnier Georges Brassens lud Eva in die Music Hall Bobino ein. Ihre Lieder handelten von Kindheitserinnerungen, gescheiterten Utopien, Liebe und Vergänglichkeit. 

Mein Repertoire ist zart, leise, ich kann keine Lieder über Gewalt singen.
Eva in einem Interview, Anfang der 70er-Jahre

Dabei wich die Sängerin konsequent jeder Vermarktung aus – Interviews gab sie nur selten, Medienrummel war ihr fremd. „Ruhm ist etwas Beängstigendes. Man verliert den Bezug zur Realität. [...] Ich will keine Nationalheldin werden“, sagte sie einmal in einem Interview.

Zu melancholisch für Deutschland

Auch in Deutschland blieb Eva nicht völlig unbeachtet. So widmete ihr das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ 1968 einen ausführlichen Beitrag unter dem Titel „Deutscher Aufschrei – Ein deutsches Evchen zieht immer mehr Franzosen zu sich hin“, nachdem sie fünf Wochen lang gemeinsam mit Serge Reggiani im Pariser Bobino aufgetreten war.

Da waren ihre ersten beiden Chanson-Alben „Toi et moi“ (1964) und „Comme les blés“ (1965) längst Bestseller. Sie sang Klassiker wie „Lili Marleen“, „Unchained Melody“ oder Chansons von Barbara, Alice Dona oder der Pionierin der feministischen Liedkunst, Anne Sylvestre. Viele ihrer Texte schrieb Eva selbst – mit feinem Gespür für Zwischentöne, Melancholie und poetische Bilder.

1973 versuchte man hierzulande, Eva aufgrund stimmlicher Ähnlichkeiten als Nachfolgerin der 1969 tödlich verunglückten Sängerin Alexandra zu positionieren, ein Vergleich, den sie in einem Interview mit dem „Hamburger Abendblatt“ 1973 jedoch entschieden zurückwies: „In Frankreich wissen 50 Millionen Menschen, wer ich bin, und hier soll ich in die Fußstapfen einer Kollegin treten. Das kommt gar nicht infrage.“

Sie veröffentlichte zwei Singles in deutscher Sprache: „Ich kann nur von dir träumen“ und „Alles wird einmal vorübergeh’n“. Auf dem Cover der zweiten Single strahlte sie uns wie eine verhinderte Schlagersängerin entgegen. Ein letzter Versuch ihrer Plattenfirma, den deutschen Markt durch die Hintertür zu öffnen. Vergeblich.

Rückzug nach Québec – und Stille

Nach einer Handvoll weiterer Platten und dem Versuch, sich als Popsängerin zu positionieren (z.B. mit der französischen Version von Bonnie Tylers „It's a Heartache“), zog sich Eva Anfang der 1980er-Jahre zunehmend zurück und ließ sich dauerhaft in Montreal nieder. Obwohl sie noch hin und wieder Alben veröffentlichte und Konzerte gab, wurden ihre öffentlichen Auftritte immer seltener.

Sie widmete sich mehr und mehr der Malerei und lebte zurückgezogen. Mit ihrem letzten Album „À Marlene“ schloss sich 2005 ein Kreis, wurde sie doch einst mit der Dietrich verglichen. Ihre Lieder sang sie teils auf Deutsch, teils auf Französisch. Bis zum Ende des Jahrzehnts tourte sie damit durch die Kleinkunstbühnen Québecs. Als Eva im März 2020 in Kanada starb, wurde ihr Tod von den großen Medien in Frankreich und Kanada kaum beachtet. Nur einige Blogs und Chanson-Plattformen wie „Bide et Musique“ oder „Nos Enchanteurs“ würdigten ihr Lebenswerk.

Im Frühjahr 2025 wurden die meisten von Evas Alben sowie eine Sammlung seltener und unveröffentlichter Aufnahmen („Inédits et raretés“) digital über Spotify und andere Streaming-Dienste veröffentlicht. Das führt vielleicht dazu, dass sich ein neues Publikum für Eva interessiert – auch in Deutschland, wo sie nie wirklich bekannt wurde. Ihre melancholischen, einfühlsamen Chansons passen gut in eine Zeit, in der sich viele nach Substanz und Intimität in der Musik sehnen. Vielleicht ist es die späte Würdigung einer Künstlerin, die nie laut sein wollte – und deren Stimme dennoch nachhallt. 

„Québec liebte das Rätselhafte, das Zerbrechliche an Eva. Am Abend ihres Auftritts in einer großen Fernsehproduktion wurde sie gefeiert – wie eine Künstlerin, die man nicht erklären, sondern nur fühlen kann“, hieß es 1976 in einem Artikel der großen kanadischen Tageszeitung „La Presse“. Dem ist nichts hinzuzufügen.