ProstitutionRom plant offizielles Rotlichtviertel

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Rom – Grell geschminkte, üppige Händlerinnen käuflicher Liebe gehörten in Fellinis Film „Roma“ ebenso zur Ewigen Stadt wie Papst und Kardinäle. Auch Pasolini machte in „Mamma Roma“ eine Prostituierte zur Hauptfigur. Die Außenseiterinnen waren im katholischen Italien mit seinem traditionellen Familienverständnis auffallend häufig Stoff für Film und Literatur.
Doch von Politik und Gesellschaft wird das Thema Prostitution bis heute recht unentschlossen behandelt. Auch wenn es zwischenzeitlich einen Premier gab, der sich gern mit Damen aus der Branche umgab und das Geschäft mit Sex in Italien überall präsent ist.
Kontroverse Reaktionen
Jetzt wagt der Bezirksbürgermeister von Esposizione Universale di Roma (EUR), einem Stadtviertel am südlichen Rand Roms, das der faschistische Diktator Benito Mussolini in den 30er Jahren bauen ließ, einen Vorstoß. Er will einen Rotlichtbezirk einführen – etwas, das es bisher nirgends im Land gibt. Entsprechend kontrovers sind die Reaktionen. Roms sozialdemokratischer Bürgermeister Ignazio Marino unterstützt den Plan, trotz Warnungen vieler Linker vor einem „Rotlicht-Ghetto“. Die rechte Opposition und die Kirche protestieren. Ein schändlicher Plan sei das, erregte sich „Avvenire“, die Zeitung der italienischen Bischofskonferenz – und das „in der Wiege und im Herzen des christlichen Humanismus“.
In Italien sind Prostituierte gezwungen, auf der Straße zu arbeiten. Prostitution ist zwar erlaubt, Bordelle aber sind verboten. Bis in die 50er Jahre hatte es noch die „Case di tolleranza“ gegeben, vom Gesetzgeber tolerierte Puffs. 1958 dann verordnete ein von der sozialistischen Abgeordneten Lina Merlin eingebrachtes Gesetz die Schließung der damals 2500 Bordelle. Man hoffte, Zuhälterei einzudämmen.
Wie erfolglos das blieb, ist in den Randgebieten und an Ausfallstraßen der Städte, in Parks und Gewerbegebieten zu sehen, wo zu jeder Tageszeit ganze Heere halbnackter Frauen aller Hautfarben sowie Transvestiten ihre Dienste anbieten. Auch wenn das offensive Werben um Freier strafbar ist, werden Autofahrern eindeutige Signale gegeben, nachts oft im Schein kleiner Feuerstellen. Vom Lichtschein inspiriert ist auch der italienische Ausdruck für Prostituierte: „lucciole“ – Glühwürmchen.
Bis April sollen die Straßen bestimmt sein
Doch niedlich ist das Geschäft nicht. Mafia-Gruppen haben es in der Hand. Zwangsprostituierte aus Osteuropa und Nigeria sowie eine steigende Zahl Minderjähriger werden ausgebeutet. Die nach Schätzungen bis zu 120 000 Prostituierten haben keine Rechte, sind aber auch nicht steuerpflichtig, der Staat verschließt eher die Augen. Italiens Sexindustrie setzt nach Schätzungen zwischen zwei und 7,5 Milliarden Euro jährlich um.
Anwohner und besorgte Eltern klagen über die wilde Prostitution. In EUR etwa werden Frauen auf dem Nachhauseweg von Freiern belästigt. Man könne den Kindern angesichts des Treibens auch nicht ständig erzählen, es sei Karneval, sagt der Bezirksbürgermeister. Bis April will er drei Straßen bestimmen. Sozialarbeiter sollen den Prostituierten dort Gesundheitschecks anbieten, Kondome verteilen und Zuhälter fernhalten. Freier, die anderswo anbändeln, zahlen 500 Euro, hat Roms Bürgermeister Marino angekündigt.
Doch es könnte sein, dass die Stadt sich selbst strafbar macht. Skeptiker verweisen auf das Verbot der Förderung von Prostitution. „Es gibt keinen Zweifel, dass man in diesem Fall eine Art Sex-Markt organisieren würde“, sagt der Ex-Bürgermeister und Sozialdemokrat Francesco Rutelli, der selbst in EUR wohnt. Ohne eine Gesetzesänderung sei das nicht möglich. Viele Italiener glauben, es wäre am sinnvollsten, wieder Bordelle zuzulassen.