Interview mit René MarikDer kultige „Maulwurfn“ hat eine dunkle Seite

René Marik mit seinem „Maulwurfn“
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- René Marik wurde bekannt für sein Puppenspiel mit dem albern-dadaesken, sprachbehinderten „Maulwurfn“.
- Jetzt hat er sein erstes Buch veröffentlicht, in dem er von seiner Kindheit in der Provinz erzählt. Elke Heidenreich lobt es in höchsten Tönen.
- „Wie einmal ein Bagger auf mich fiel“ hört sich zunächst nach Spaß an, aber es geht auch um Einsamkeit und ein furchtbares Geheimnis.
Herr Marik, wie fühlt es sich an, für ein Erstlingswerk eine hymnische Besprechung von Elke Heidenreich zu bekommen? Das Buch sei in vielerlei Hinsicht „eine Wucht“, schrieb sie in der FAZ.
René Marik: Das war schon toll, zumal es die erste Besprechung überhaupt war. Das Buch ist im Oktober erschienen und dann war erstmal totale Stille. Da dachte ich schon, ich hätte das Manuskript auch gleich in den Kamin schmeißen können.
Könnte die anfängliche Stille auch damit zusammenhängen, dass Sie nun mal als der Puppenspieler mit dem sprachbehinderten Maulwurfn bekannt sind?
Klar, so mancher denkt vielleicht: Jetzt muss der bescheuerte RTL-Puppenheini auch noch ein Buch schreiben. Was soll das sein?
Es ist die Geschichte Ihrer Kindheit in der Provinz im Westerwald, abgeschottet auf einem Kasernengelände, wo ihre Eltern die Kantine betrieben. Eine bleierne Zeit, in der „der Sonntag klebt wie Fichtenharz“. Und es ist vor allem die Geschichte des Missbrauchs ihrer Schwester durch den Vater, über den nie gesprochen wurde. Warum haben Sie sich entschlossen, die Geschichte aufzuschreiben?
Ich habe 2012 bis 2015 eine Bühnenpause gemacht, weil ich an einem Punkt war, an dem ich einfach zu viel gearbeitet habe. Kinofilm, Tour – ich konnte irgendwann nicht mehr. Da habe ich angefangen, die Geschichte für mich aufzuschreiben. Als dann mein Bruder im Winter 17/18 im Sterben lag, kamen viele der Sachen, mit denen ich mich damals beschäftigt hatte, wieder hoch.
Hat das Schreiben Sie befreit?
Nein, auf das Gefühl des Befreitseins warte ich noch heute.
Das Buch ist vor allem eine Abrechnung mit Ihrem Vater. Das Zitat „Fuck you Dad“ ist dem Buch als Motto vorangestellt.
Es ist eine Abrechnung mit meinem Vater, aber auch mit mir selber und der Rolle, die ich damals gespielt habe. Es geht um die Fragen: Wie konnte das passieren? Hätte irgendjemand etwas merken und tun müssen? Unsere Familie ist ja bei weitem nicht die einzige, wo der Missbrauch keine Konsequenzen hat, nie ans Licht kommt – was für die Opfer besonders schlimm ist, weil ihnen die Möglichkeit zur Verarbeitung genommen wird. Die Gewalt bleibt weiter in der Welt. Untersuchungen gehen davon aus, dass statistisch gesehen in jeder Schulklasse zwei Kinder sitzen, die Opfer sexueller Gewalt sind.

René Marik als Kind
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Ist Ihre Arbeit im Comedy-Bereich im weitesten Sinne eine Flucht aus dieser Erinnerung?
Am Ende ist man immer die Summe der Dinge, die man erlebt hat. Aber den direkten Zusammenhang würde ich nicht herstellen. Wie es dazu kam, dass aus dem schüchternen Jungen ein Bühnenmensch geworden ist, kann ich mir bis heute nicht erklären.
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Sie haben sich entschlossen, die Lesung mit Musik zu machen.
Ich wollte mit der Musik die Temperatur des Buches treffen. Da gibt es ja auch durchaus humoristische Momente. Und 90 Minuten nur zu lesen, das fand ich für mich fad. Ein befreundeter Schauspieler und Kontrabassist, Bodo Goldbeck, ist mit auf der Bühne, ich spiele Gitarre. Die Musik ist sehr breit angelegt: Radiohead, Scorpions, Christina Aguilera – die Auswahl hört sich erstmal erschreckend an... Bei uns klingt es natürlich anders.
Den Maulwurf gibt es aber noch oder?
Ich bin nach wie vor auf Tour mit den Puppen. Ob noch einmal ein neues Programm kommt, weiß ich nicht. Ich merke schon, dass mir das Schreiben sehr gefällt.
Das Gespräch führte
Christiane Vielhaber