Schneekanonen, Lifte, AnreiseIst der Skiurlaub eine Klimasünde?

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Wintersportler am Skigebiet Hintertuxer Gletscher in Österreich

Wintersportler am Skigebiet Hintertuxer Gletscher in Österreich

Der Skiurlaub in den Alpen wird immer stärker vom Klimawandel bedroht – und ist dabei gleichzeitig Teil des Problems.

Eigentlich wären gerade in zahlreichen Skigebieten in der Schweiz, Bayern und Österreich viele Ski- und Snowboardfahrende unterwegs. Denn der Winter ist die typische Ski-Hochsaison in den Alpen. Doch angesichts der warmen Temperaturen von teils um die zehn Grad Celsius müssen einige Skigebiete ihre Skisaison pausieren oder verschieben. Denn bei solchen Temperaturen sind viele Pisten grün statt weiß – und selbst für Kunstschnee ist es aktuell einfach zu warm.

Skifahren auf rein natürlichem Schnee ist in den Alpen ohnehin eine Seltenheit geworden. Wenn es zu warm für Schnee ist, kommen Schneekanonen zum Einsatz: Sie verleihen den Bergen einen dicken Schneemantel, den man aufgrund der Folgen der Klimakrise ansonsten nicht mehr so oft sehen würde. Der Klimawandel bedroht die Skigebiete, und gleichzeitig gilt der Skiurlaub als ökologisch verwerflich.

„Man kann beim heutigen Skifahren exemplarisch und deutlich sehen, wie energieintensiv unser Freizeitverhalten geworden ist“, sagt Werner Bätzing, Alpenforscher und emeritierter Professor für Kulturgeographie am Institut für Geographie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Energieintensive Schneekanonen, die viel Wasser verbrauchen, sind inzwischen nicht mehr aus dem Skitourismus wegzudenken – ebenso wenig wie andere moderne Technologien, die den Skiurlaub so bequem machen wie Schlepplifts oder Luft- und Standseilbahnen. Ohne sie müssten Urlauberinnen und Urlauber mühsam zu Fuß auf die Berge steigen.

18 Kilowattstunden pro Mensch und Skitag

Der Verband Deutscher Seilbahnen und Schlepplifte gab im vergangenen Jahr einen Energieverbrauch von durchschnittlich 18 Kilowattstunden pro Mensch und Skitag an – also etwa so viel, wie 900 Stunden lang am Laptop zu arbeiten und 18 Mahlzeiten für vier Personen zu kochen. Auf diese Schätzung kommen auch die Bergbahnen Oberstdorf Kleinwalstertal, die auf ihrer Website auflisten, wie sich diese Zahl zusammensetzt. Für über ein Drittel des Energieverbrauchs sei die Beschneiung verantwortlich, die Aufstiegsanlagen für knapp 3,4 Kilowattstunden.

Auffällig ist, dass der Verband, das Unternehmen und andere Seilbahnbetreiber diese Zahlen beispielsweise Flügen, Autofahrten oder auch den Gesamtenergieverbrauch eines Staates gegenüberstellen – das sei laut Bätzing eine beliebte Strategie. „Doch diese Aussage ist unangemessen, weil man den Skiurlaub genauso wie den Klimawandel in einem sehr komplexen Gesamtzusammenhang betrachten muss“, sagt er. Schließlich setze sich die Klimaerwärmung nicht nur aus den großen Verursachern zusammen, sondern auch aus den zahllosen Kleinen – und dazu gehörten auch die Seilbahnen und Schneekanonen.

An- und Abreise machen Skiurlaub besonders klimaschädlich

Die Zahlen gehen zudem lediglich auf die direkten Effekte des Skifahrens auf den Klimawandel ein, die sich unter anderem aus dem Energieverbrauch der Schneekanonen und Lifts zusammensetzen. Viel gravierender sind jedoch die indirekten Effekte – die energieintensive Verstädterung der Ski-Tourismuszentren zum Beispiel, wie Bätzing erklärt. Laut des Klimaschützers Thomas Frey vom Bund Naturschutz sei „die Hauptursache für die Klimaschädlichkeit des Skiurlaubs“ die An- und Abfahrt. „Ungefähr 75 Prozent der CO₂-Emissionen im Alpentourismus kommt aus dem Verkehr“, sagt er.

Das Problem sei, dass viele Menschen mit dem Auto reisen – teils sogar mehrmals im Winter für nur einen Tagesausflug. Wie energieintensiv das sein kann, zeigt eine Rechnung der Umweltstiftung WWF: Für eine 700 Kilometer lange Autoreise von Dresden nach Lech in Österreich verursache ein Mensch, der allein reist, demnach 296 Kilogramm CO₂. Zusammen mit der Rückreise hätte er also bereits über fünf Prozent des jährlichen Pro-Kopf-Ausstoßes eines Deutschen erreicht, der laut Umweltbundesamt im Schnitt 11,2 Tonnen CO₂ verursacht.

Die An- und Abreise könnte die Klimabilanz des Skiurlaubs künftig noch weiter verschlechtern, wenn die Ski-Tourismuszentren wie angenommen immer mehr Gäste aus Asien begrüßen würden. In China erfreute sich das Skifahren vor allem vor der Corona-Krise anlässlich der Olympischen Winterspiele in Peking im vergangenen Februar großer Beliebtheit. Die Regierung kündigte an, dass 300 Millionen Chinesinnen und Chinesen bis 2025 für Wintersport begeistert werden sollen – man möchte der weltweit größte Markt für die Branche sein. „Dann wird das Skifahren noch einmal viel klimaschädlicher, weil die Menschen dafür im Flugzeug um die halbe Welt fliegen müssen“, sagt Alpenforscher Bätzing.

Schneekanonen: Millionen Liter Wasser pro Hektar Piste nötig

Außer der Energie und der Emissionen bereitet Klimaschützerinnen und Klimaschützer auch der Wasser- und Flächenverbrauch für die Schneekanonen Sorgen. Frey kritisiert, dass in Bayern Schneekanonen immer noch staatlich subventioniert werden. „Das ist in Zeiten der Energiekrise absurd“, sagt er. Um die Schneekanonen mit viel Wasser versorgen zu können, werden riesige Speicherseen angelegt, die viel Fläche benötigen – im Fall des Speicherteichs Panorama im Ötztal sind es 415.000 Kubikmeter Fassungsvermögen, also so viel wie 166 olympische Schwimmbecken. Die Wirtschaftskammer Österreich gibt an, dass umgerechnet drei Millionen Liter Wasser pro Hektar Piste nötig sind. Zwar muss meist nicht die gesamte Pistenfläche der Skiregionen beschneit werden, jedoch dürfte angesichts der knapp 50.000 Hektar großen Flächen allein in Österreich, der Schweiz und Bayern trotzdem unzählige Liter Wasser pro Saison benötigt werden.

Klimaschützer: Im Bayerischen Alpenraum ist in 20 bis 30 Jahren Schluss mit Skifahren

Die heutige Form des Skiurlaubs sei jedoch, so Bätzing, nicht klimaneutral zu gestalten. Die übliche Anreise mit dem Auto und alle übrigen technischen Hilfsmittel für die Abfahrt und Beschneiung machten das unmöglich. Immerhin könnten Urlauberinnen und Urlauber laut Frey aber ihren „ökologischen Fußabdruck deutlich reduzieren, indem sie mit Bus und Bahn anreisen und nicht nur Tagesausflüge in die Berge machen, sondern eher länger am Ort bleiben“. Zudem könne man bei der Suche nach einem Hotel oder einer anderen Bleibe darauf achten, dass sie möglichst klimafreundlich ist.

Um den CO₂-Ausstoß zu reduzieren und nachhaltiger zu werden, haben Skigebiete in den vergangenen Jahren mitunter Klimaschutzmaßnahmen umgesetzt. Das Seilbahnunternehmen Silvrettaseilbahn AG sagt beispielsweise, dass alle Anlagen des Skigebiets Ischgl mit Strom betrieben werden, der zu über 80 Prozent aus erneuerbaren Energien stammt. Zudem beteilige man sich an der Finanzierung des Skibusnetzes im Paznaun. Durch einen Ausbau von Skibusnetzen soll der Autoverkehr zu den Seilbahnstationen verringert werden. Auch Kombi-Tickets mit Bus und Bahn, die unter anderem von manchen Gebieten in Bayern und Österreich angeboten werden, sollen Menschen dazu animieren, ohne Auto anzureisen. Denn hierbei ist die Bahnanreise sowie der Verkehr vor Ort im Preis für den Skirurlaub enthalten.

Aber auch wenn sich mehr Menschen für eine klimafreundlichere Reise entscheiden und Skigebiete Klimaschutzmaßnahmen ergreifen, müssen sich Skifans bereits in nicht allzu ferner Zukunft aufgrund des Klimawandels vom Skiurlaub in den Alpen wohl oder übel verabschieden. „Im bayerischen Alpenraum werden die allermeisten Skigebiete in 20 bis 30 Jahren keine Schneesicherheit mehr bieten, weil auch der Kunstschnee immer wieder wegschmelzen wird“, sagt Frey.

Auch wenn die Zentralalpen voraussichtlich etwas länger als Skigebiete taugen würden, werde das Skifahren auf lange Sicht aufgrund der steigenden Kosten für Beschneiung und Co. für viele Menschen einfach zu teuer. Der Klimaschützer wünsche sich, dass die Alpen langfristig zu dem werden, wofür sie stünden: eine naturnahe Landschaft, in der man Ruhe und Erholung finden könne. „Wenn sich das Skifahren nicht mehr lohnt, sollte man diese Bereiche wieder frei für Wanderer und die Naturerholung geben. Ich glaube, dass das die Zukunft des Alpentourismus ist.“

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