Mängel an TauchschiffExperten finden neue mögliche Ursachen für Implosion der „Titan“

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Das Tauchboot „Titan“ im Atlantischen Ozean kurz vor dem Tauchgang zum Titanic-Wrack am 18. Juni 2023. Das U-Boot war kurz nach dem Start in der Nähe der Titanic implodiert, alle fünf Insassen kamen dabei ums Leben.

Das Tauchboot „Titan“ kurz vor dem fatalen Tauchgang zum Titanic-Wrack am 18. Juni 2023. Experten haben neue Konstruktionsfehler entdeckt, die die Implosion im Atlantischen Ozean verursacht haben könnten.

Das Tauchboot „Titan“ war mit fünf Insassen mitten im Atlantischen Ozean implodiert. Forscher haben neue mögliche Mängel an dem Boot von OceanGate gefunden.

Einen Monat nach der Implosion des Tauchboots „Titan“ in der Nähe des Wracks der weltberühmten Titanic haben Experten und Ex-Passagiere neue Vermutungen über die Ursache des Unfalls im Atlantischen Ozean angestellt. Die neuen Erkenntnisse könnten auch die Ermittlungen der US-amerikanischen und kanadischen Küstenwache entscheidend beeinflussen.

Die „New York Times“ hat einen Monat nach der Katastrophe am Meeresgrund neue Recherchen zur Konstruktion der „Titan“ veröffentlicht. Mehrere Experten kritisieren darin unter anderem das von OceanGate verwendete Material des Tauchboots schwer. Ein Ex-Passagier berichtet außerdem von merkwürdigen Beobachtungen unmittelbar vor dem Tauchgang.

Implodiertes Tauchboot „Titan“: ehemaliger Passagier berichtet von merkwürdiger Beobachtung

Arnie Weissmann, Chefredakteur des Reisemagazins „Travel Weekly“, sollte eigentlich im Mai, wenige Wochen vor der Implosion, mit der „Titan“ zum Wrack der Titanic reisen. Ihn verwunderte, wie das Tauchboot von seinem Mutterschiff, der „Polar Prince“, zur Tauchstelle transportiert wurde. „Die ‚Titan‘ ist auf ihrer Plattform ziemlich umhergeschleudert worden“, erklärte Weissmann.

Um Kosten zu sparen, ließ OceanGate für die „Titan“ kein eigenes Mutterschiff konstruieren. Normalerweise werden Tauchboote oder U-Boote an einem eigens für sie konstruierten Kran zur Tauchstelle gebracht, um Beschädigungen durch starken Wellengang auf dem Ozean zu vermeiden. Diese speziellen Mutterschiffe sind allerdings extrem teuer. OceanGate setzte lieber auf die kostengünstigere „Polar Prince“. Die „Titan“ könnte beim Transport zur Tauchstelle in Richtung Titanic-Wrack beschädigt worden sein.

Implodiertes Tauchboot „Titan“: Metall-Experte nennt mögliche neue Ursache für Unfall im Atlantik

Ingenieure und Metall-Forscher haben neue Hinweise auf möglicherweise fatale Konstruktionsfehler entdeckt. Dr. Tim Foecke, ein Experte für Metallurgie, hält unter anderem die Form der „Titan“ für eine mögliche Ursache der Katastrophe.

Das Tauchboot „Titan“ des Unternehmens OceanGate ist unter Wasser bei einem Tauchgang zu sehen.

Das Tauchboot „Titan“ des Unternehmens OceanGate bei einem Tauchgang zum Wrack der Titanic. Die „Titan“ ist am 18. Juni 2023 mit fünf Insassen an Bord explodiert.

Normalerweise werden Tauchboote in einer kugelartigen Form gebaut, damit sich der enorme Druck in der Tiefsee gleichmäßig auf die Fläche des Gefährts verteilt. Die „Titan“ hingegen war länglich geformt – auch um mehr Passagiere pro Tauchgang mitnehmen zu können. Das Problem: So müsse das Schiff in der Mitte deutlich mehr Druck aushalten als an den Enden.

Karbon statt Titan: Experte verwundert über Konstruktionsweise von OceanGate-Tauchboot „Titan“

„Wenn ein Tauchboot aus mehreren Teilen besteht, so wie die Titan, dann gibt in der Regel das größere Teil zuerst nach, wenn der Druck zu groß wird“, sagte Foecke der „New York Times“. Die Verwendung von unterschiedlichen Materialien kann sich an diesem Punkt ebenfalls kritisch auswirken. Das Tauchboot von OceanGate wurde teilweise aus Karbon, teilweise aus dem deutlich widerstandsfähigerem Titan gefertigt. „Das hat mich sehr überrascht“, erklärte Foecke weiter. 

„Das Problem mit zwei verschiedenen Materialen, die verwendet werden, ist ihr Verhalten unter Wasserdruck.
Albert S. Mclaren, ehemaliger U-Boot-Kapitän der US Navy

Denn während die beiden äußeren „Kappen“ des Tauchboots aus Titan waren, war der längere, und damit stärker belastete Mittelteil, aus Karbon gefertigt. Dieses ist widerstandsfähiger, wenn das Material auseinandergerissen würde. Allerdings nicht, wenn es zusammengedrückt wird, wie im Fall der Implosion der „Titan“.

OceanGate nutzte Karbon, weil es deutlich leichter ist als Titan und somit mehr Passagiere ins Boot passten. Unternehmensgründer Stockton Rush sagte dazu: „Man bleibt für die Regeln in Erinnerung, die man gebrochen hat. Ich habe jede Menge Regeln gebrochen. Mit Logik und gutem Ingenieurwesen.“

Tauchboot „Titan“: Ehemaliger U-Boot-Kapitän äußert Verdacht zur Unfallursache

„Das Problem mit zwei verschiedenen Materialien, die verwendet werden, ist ihr Verhalten unter Wasserdruck. Möglicherweise hat sich durch die Veränderung des Materials die eigentlich dichte Verbindungsschicht zwischen Karbon und Titan gelöst“, vermutet der ehemalige Navy-U-Boot-Kapitän Albert S. McLaren. Metall-Forscher Foecke ergänzt, auch die Sichtscheibe der „Titan“ aus Acryl könnte sich durch den Druck gelöst haben.

Kedar Kirane, ein Maschinenbau-Ingenieur, der sich vor allem mit Unfällen befasst, vermutet, dass das Meersalz in Verbindung mit dem konstanten Wasserdruck die Verklebung zwischen Titan und Karbon gelöst haben könnte – ein in dieser Form neuer möglicher Grund. Das Karbon würde durch den Druck stärker zusammengedrückt als das Titan – und so eine fatale Lücke zwischen beiden Materialien hinterlassen.

US-Küstenwache entdeckt Trümmer der „Titan“ in der Nähe des Titanic-Wracks

Die „Titan“ war am 18. Juni 2023 nach einem Tauchgang in der Nähe des Titanic-Wracks implodiert. Nach einer weltweit beachteten Suchaktion wurden die Trümmer des Tauchboots am 22. Juni von einem Rettungsteam der US-Küstenwache entdeckt. Alle fünf Insassen waren bei dem Unfall ums Leben gekommen.

Neben Ocean-Gate-Gründer Stockton Rush waren auch der französische Titanic-Forscher Paul-Henri Nargeolet, der britische Milliardär Hamish Harding, der pakistanische Unternehmer Shahzada Dawood und sein Sohn Suleman. Die Besitzer der Titanic, RMS Titanic, hatten Nargeolet die Teilnahme nur nach Sicherheitszusagen durch OceanGate genehmigt.

Tauchboot „Titan“: Titanic-Besitzer reichen Klage gegen OceanGate ein

RMS Titanic hatte nach dem tödlichen Unfall Klage gegen OceanGate wegen falscher Sicherheitsversprechen eingereicht. Schon kurz nach dem Unfall war bekanntgeworden, dass die „Titan“ kein Zertifizierungsverfahren durchlaufen hatte und zahlreiche Sicherheitsmängel aufwies.

Die kanadische Küstenwache hat einen Großteil der Überreste der „Titan“ mittlerweile geborgen und an die Küste von Neufundland gebracht. Dort sollen die Trümmerteile analysiert werden. (shh)

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