Frau vor Zug gestoßenAngeklagter bestreitet Absicht – „Ich schubse keine Frauen“

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Angeklagte Duisburg

Der Angeklagte sitzt zu Beginn seines Prozesses mit einem Briefumschlag vor dem Gesicht im Landgericht im Gerichtssaal.

Duisburg – Mit Handschellen gefesselt, das Gesicht hinter einer Strickjacke versteckt: Als Jackson B. am Donnerstag von einem Wachtmeister in Saal 201 des Duisburger Landgerichts geführt wird, blickt er sich scheinbar seelenruhig um.

Knapp sechs Monate ist es her, dass der bullige Mann mit den raspelkurz geschorenen Haaren am Voerder Bahnhof eine Frau in den Tod gestoßen haben soll. Aus Mordlust, so die Staatsanwaltschaft. Zugeben will er das aber nicht. „Ich schubse keine Frauen“, lässt er seine Verteidigerin Marie Lingnau schon kurz nach Prozessbeginn erklären. Wenn überhaupt, dann müsse es sich um ein Versehen gehandelt haben.

„Habe mich bei der Frau abgestützt“

Schlecht will es ihm an jenem Morgen des 20. Juli 2019 gegangen sein. „Mein Kopf hat sich gedreht, ich habe geschwankt“, heißt es in der verlesenen Erklärung. „Ich kann mir höchstens vorstellen, dass ich mich bei der Frau abgestützt habe.“

Warum er vor Gericht nicht selbst sprechen will? „Er ist psychisch krank“, hatte Lingnau schon vor Prozessbeginn erklärt. „Es gelingt ihm erst langsam, zu begreifen, dass eine Frau ums Leben gekommen ist.“ Für den 28-Jährigen sei die Situation „sehr schwierig“.

Opfer hatte keine Chance

Es war rund 20 Minuten vor neun, als der in Deutschland geborene Serbe die 34-jährige Frau vor einen einfahrenden Zug gestoßen haben soll. Die Mutter einer heute 14-jährigen Tochter hatte keine Chance. Der Notarzt kam gar nicht an sie heran, versuchte verzweifelt, ihr einen Fuß zu amputieren, um den Körper freizubekommen. Doch es gab keine Hoffnung. Die 34-Jährige starb noch im Gleisbett.

„Es wird wohl Jahre dauern, bis die Familie das verarbeiten kann“, sagte Anwalt Reinhard Peters, der im Prozess die Schwester und den Ehemann des Opfers vertritt. Alle seien fassungslos. „Das war der absolute Albtraum.“

Zeuge überwältigt Beschuldigten

Ein 32-jähriger Automechaniker aus Voerde hatte den Beschuldigten damals sofort überwältigt. „Ich habe genau gesehen, wie er die Frau geschubst hat“, sagte er den Richtern. Bei der Polizei hatte er es zuvor sogar noch drastischer formuliert: „Der Typ rannte in den Rücken der Frau, hatte beide Arme angewinkelt. Als er hinter ihr war, hat er beide Arme durchgedrückt und die Frau in Höhe der Schultern sehr feste geschubst.“

Ob sie den Angriff hätte bemerken können? „Nein“, sagt der Zeuge im Prozess. „Ich bin mir sicher, dass sich die Frau nicht schützen konnte.“ Der 28-Jährige war ihm damals schon vorher aufgefallen. Auch, weil er die Spitze eines Schraubendrehers in der Hand gehalten habe. Die habe er ihm noch abgenommen und weggeworfen.

Bundesweites Entsetzen nach Tat

Neun Kinder von zwei Frauen hat der Beschuldigte, der zuletzt in Hamminkeln bei Wesel wohnte. Das hat er einem Psychiater erzählt. Auch von Heroin und Kokain ist im Prozess die Rede. Dass er psychisch krank ist, steht wohl fest. Es gibt keine Anklage, sondern wegen möglicher Schuldunfähigkeit eine sogenannte Antragsschrift. Das heißt: Statt einer Bestrafung kommt im Falle einer Verurteilung nur die Unterbringung in einer geschlossenen Psychiatrie für Straftäter in Betracht. Die wäre allerdings unbefristet.

Die Tat von Voerde hatte bundesweit für Entsetzen gesorgt. Auf dem Bahnsteig wurden Blumen niedergelegt und Kerzen aufgestellt – als Zeichen der Trauer.

Das Duisburger Schwurgericht hat für den Prozess zunächst noch drei Verhandlungstage bis zum 31. Januar vorgesehen.

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