Schüler stehen vor dem NichtsWie der Streit über das Gymnasium Nonnenwerth eskaliert

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Blick auf die Insel und das dort befindliche Gymnasium Nonnenwerth

  • Seit fast 170 Jahren wird auf der idyllischen Rheininsel Nonnenwerth unterrichtet.
  • Nun ist die renommierte Schule in Gefahr, gut 500 Schüler drohen ihren Lernort zu verlieren.
  • Schuld am Desaster will niemand sein, weder der umtriebige Investor Peter Soliman, der die Insel vor drei Jahren kaufte, noch die Behörden.

Nonnenwerth – Seit etwa zwei Wochen kursieren im Netz Handyvideos, die auch die Polizei beschäftigen. Schüler des Gymnasiums auf Insel Nonnenwerth wollen mit der Fähre aufs Festland übersetzen, um an einer Demonstration zum Erhalt ihrer Schule teilzunehmen. Doch das vom Schulträger  installierte Sicherheitspersonal will sie davon abhalten. „Das ist Freiheitsberaubung“, ruft ein Lehrer. „Wir haben Anweisung“, entgegnet der Security-Mann. „Das ist mir scheißegal“, antwortet der Lehrer. Die Polizei Remagen hat Ermittlungen aufgenommen.

Der Vorfall ist nur das jüngste Kapitel eines Dramas, das vor etwa anderthalb Jahren begonnen hat. In diesem Drama wird geschrien, geweint, gedroht, beleidigt, verklagt, gekündigt. Es werden  Tausende Seiten Schriftsätze produziert, Mails geschrieben, bis in die Nacht telefoniert. Von Hackerangriffen ist die Rede, von Recherchen unter falschem Namen, von Geiz und Gier, von politischem und behördlichem Versagen.

Schüler, die seit Wochen täglich mit den Tränen kämpfen

Es gibt Schüler, die nach Aussagen der Eltern täglich mit den Tränen kämpfen. Ein 12-Jähriger schreibt: „Ich schlafe seit Wochen sehr unruhig. Ich habe Angst und mache mir Sorgen um Nonnenwerth.“ Dabei wollen die Schüler nur eines: Weiter ihre Schule besuchen. Die Chancen dafür stehen schlecht. Dieses Drama hat nur Verlierer, die meisten von ihnen sind Kinder.

Die Insel Nonnenwerth ist ein geschichtsträchtiger Ort. Auf zwei Kilometern Länge schlängelt sich das Eiland bei Remagen durch den Rhein. Seit fast 170 Jahren wird hier unterrichtet. Inzwischen ist das Franziskus Gymnasium eine staatlich anerkannte Privatschule. Eine Einrichtung nur für Privilegierte will sie indes nicht sein. Es herrscht der franziskanische Geist, heißt es in der Eigenwerbung. Die Schule wird zu etwa 80 Prozent vom Land Rheinland-Pfalz refinanziert. Die Eltern zahlten 60 Euro im Monat. Den Rest hatten die Ordensschwestern ausgeglichen, die auch  auf der Insel lebten.

Über den Kaufpreis haben der Orden und Soliman Stillschweigen vereinbart

Doch im August 2020 verkaufen die Nonnen die Insel, mit allem, was darauf steht und sind inzwischen ausgezogen. Der neue Besitzer heißt Peter Soliman und ist ein wohlhabender Geschäftsmann aus Meerbusch. Wie viel er für das Grundstück in exklusiver Lage bezahlt hat, ist nicht bekannt. Der Orden und er haben Stillschweigen vereinbart. Um die Deckungslücke zu stopfen, erhöhte Soliman den monatlichen Schulbeitrag auf 200 Euro. Mehr lässt das rheinland-pfälzische Schulgesetz nicht zu.

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500 Schüler hoffen, dass sie auf dem staatlich anerkannten Gymnasium und der Insel bleiben können.

Die Eltern konnten sich damit arrangieren. Dann aber ging der Ärger los. Soliman wollte die Schule auf vier Züge erweitern, um mehr zahlende Schüler unterbringen zu können. Bei einer Prüfung des Gebäudes stellte sich allerdings heraus, dass es gravierende Mängel beim Brandschutz gibt.  Die Probleme konnten kaum neu gewesen sein. Plötzlich aber musste es schnell gehen. Damit weiter unterrichtet werden konnte, bedurfte es einer Notlösung. Soliman ließ unter anderem ein Gerüst am Gebäude errichten. 300.000 Euro habe ihn das Provisorium gekostet. Die Behörde erteilte  eine Duldung – bis zum Ende dieses Schuljahres.

13,8 Millionen Euro für den Brandschutz stehen im Raum

Soliman beauftragte Architekten, die aber lediglich eine freie Kostenschätzung für die Sanierung abgaben.  Seitdem steht die Summe von 13,8 Millionen Euro im Raum. Soliman will das nicht bezahlen. Im November 2021 verschickte er Kündigungen an die Lehrer, kurz darauf an die Kindern. Klagen dagegen laufen. Im Sommer soll die Schule schließen.

Einen, den das Drama um Nonnenwerth nicht mehr loslässt, ist Peter Luft. Der Berater in der Baubranche hat fünf Kinder an der Schule und ist bereit zu kämpfen: „Was Herr Soliman hier macht, nämlich eine Schule mit dieser Reputation auf Zuruf wegen Brandschutz dicht zu machen, sollte in der Bundesrepublik Deutschland nicht möglich sein.“ Der Rechtsstaat, meint er, habe versagt. Weil sich die zuständige Bauaufsicht beim Kreis Ahrweiler noch immer kein Bild verschafft habe, haben sie eine Fachaufsichtsbeschwerde eingereicht.  Die Eltern halten die Schätzungen von Solimans Experten für  bewusst zu hoch  dargestellt. 

Den Zutritt zur Insel verwehrt Soliman den Eltern

Um die Schule zu erhalten, gründeten sie den Verein „Rettet Nonnenwerth“ und boten Soliman an, die Trägerschaft  zu übernehmen.  Um eine Bewertung für die Brandschutzkosten vornehmen zu können, verlangen sie Zugang zu den Gebäuden. Den aber verwehrt Soliman. Bevor er sie auf die Insel lässt, soll der Verein  einen Kapitalnachweis darüber erbringen, dass er eine Sanierung stemmen könnte. Von zehn Millionen Euro ist die Rede. So viel Geld kriegen die Eltern nicht zusammen, auch mögliche Gönner wollen vor der Spende ein Gutachten sehen.

Die Verhandlungen mit anderen potenziellen Trägern sind gescheitert. Das Land Rheinland-Pfalz winkt mit Verweis auf das Privatschulrecht ab. Ebenso der Kreis Ahrweiler, der sich wegen der Flutfolgekosten keine weitere Schulträgerschaft aufbürden will.

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Schon seit knapp 170 Jahren beherbergt die Insel Nonnenwerth eine Schule. Anfangs im 19. Jahrhundert wurden hier nur Mädchen unterrichtet.

Eltern glauben, Soliman will Luxuswohnungen bauen

Soliman beklagt, dass die Politik seine Hilferufe ein halbes Jahr nicht erhört habe und wichtige Zeit untätig verstreichen ließ. Aus Sicht der Eltern  ist der gebürtige US-Amerikaner ein gerissener Geschäftsmann, der sich die Insel womöglich mit dem Plan einverleibt habe, sein Vermögen zu mehren. Es kursieren Gerüchte, er wolle Wohnungen, ein Hotel oder ein Eliteinternat errichten.

Als Hinweis dient ihnen das Exposé einer Kölner Immobilienfirma, das im Oktober 2021 auftauchte, aber bereits auf den April 2021 datiert ist, also vor dem Bekanntwerden der Brandschutzproblematik existierte. Darin wird die Insel als Objekt zum Bau von Luxuswohnungen angeboten. Soliman beteuert, die Broschüre sei ohne sein Wissen erstellt worden. Ihm selbst sei das Exposé erst von den Eltern zugespielt worden. Ihm sei schon klar, dass dieser Vorfall dazu tauge, das Klischee von der gierigen Heuschrecke zu bedienen, sagt er. Soliman versichert, er habe zu keinem Zeitpunkt irgendeine geschäftliche Beziehung zu dieser Firma unterhalten. Inzwischen ist er juristisch gegen sie vorgegangen. Dass ein Immobilienunternehmen ohne jeden Auftrag das Eigentum eines  Fremden vermarkten wollte, verblüffte angeblich auch Soliman.

Der Vorfall bleibt mysteriös. So wie auch die Figur Soliman selbst, die anscheinend  Wert auf Diskretion legt. Fast nichts ist über ihn bekannt. Wer seinen Sprecher nach einem Lebenslauf fragt, erhält folgende Antwort: „Peter Soliman stammt ursprünglich aus den USA. Dort absolvierte er erfolgreich sein Studium, stieg in einer internationalen Unternehmensberatung zum Partner auf und investierte anschließend in Unternehmen.“

Auf Nachfrage wird angefügt, Soliman habe Chemie studiert. Allerdings taucht Soliman in einem Jahrbuch der Wharton Business School auf, wo er einen „Master in Business Administration“ machte. Wharton gilt als Elite-Schmiede, an der auch Ex-US-Präsident Donald Trump seinen Abschluss machte.

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Das Kloster Nonnenwerth.

In den vergangenen Jahren hat sich Soliman dem Immobilienbusiness zugewendet und dafür die „Objektgesellschaft Meerbusch“ gegründet.   Im Jahr 2014 stieg er  in eine Branche ein, die wenig Profitmaximierung verspricht: In den Schulbetrieb. Als Investor übernahm er die Privatschule „International School on the Rhine“ (ISR) in Neuss und machte sie zum „Erfolgsmodell“, wie er sagt.

Geld will Soliman nach eigenen Angaben mit der Schule nicht verdienen

Soliman suchte fortan immer neue Schulen, in die er einsteigen wollte. Als Motivation gibt er an: Das Thema Schule werde in Zukunft immer wichtiger werden. Er wolle der Gesellschaft etwas zurückgeben. Geld, so betont er gegenüber dieser Zeitung, wolle er damit nicht verdienen: Die schwarze Null sei das höchste der Gefühle.

Soliman versuchte es bei der in Düsseldorf ansässigen ISD, die  in finanzielle Schieflage geraten war. Der Deal platzte, genauso wie der mit der Liebfrauenschule im hessischen Bensheim, obwohl sich das Bistum Mainz und der Chemiker aus den USA angeblich schon einig waren. Nach eigenen Angaben hat er verzichtet, weil zu dieser Zeit die Probleme mit dem Brandschutz  auftauchten  und eine Investition andernorts schwer zu erklären gewesen wäre.

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Eltern demonstrierten im vergangenen November für den Erhalt der Schule Nonnenwerth.

Aber wieso kaufte Soliman überhaupt eine Insel mit einem Gebäude, das dermaßen gravierende Mängel aufweist? Der Unternehmer liefert eine eigenwillige Erklärung. Er habe die Insel damals erworben, ohne die Gebäude wirklich in Augenschein genommen zu haben. Drei Mal nur sei er vor dem Kauf persönlich dort gewesen. Weil ihm die Nonnen den Zutritt zunächst untersagt hätten, sei er das erste Mal zum Tag der offenen Tür dort erschienen, unter dem Vorwand, seine Kinder hätten Interesse an einer Schullaufbahn. Die beiden anderen Male habe er außer dem Konferenzsaal ebenfalls nicht viel gesehen. Auf einen Fachmann habe er verzichtet. Die Nonnen hätten ihm im Vertrag bestätigt, dass mit dem Gebäude alles in Ordnung sei. Er sei damals „naiv“ gewesen, sagt er.

Die Insel wolle er nie verkaufen

Mit seinem Wissen als Immobilienexperte habe er geglaubt, das werde schon alles seine Richtigkeit haben. Es sei sein Fehler gewesen, das nicht genauer geprüft zu haben. Eine Klage gegen den Orden sei rechtlich nicht mehr möglich, da er einen Verzicht auf Schadensersatz gleich mitunterzeichnet habe. Er könnte den Verkauf lediglich rückabwickeln lassen. Das aber schließt er aus. „Verkaufen werde ich die Insel nie.“

Zu konkreten Plänen, wie er die Insel nach nutzen will, schweigt er. Aber er teilt mit: „Dass laut Flächennutzungsplan nur Kirche, Schule und Bildung auf der Insel erlaubt sind, wird von dem Inseleigentümer selbstverständlich akzeptiert und nicht in Frage gestellt.“

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Der Streit schlägt unterdessen neue Volten. Am Montag vergangener Woche setzten zwei Polizisten auf die Insel über, um dort einen weiteren Vorfall zu untersuchen. Soliman hat Strafanzeige erstattet wegen Vandalismus. Im Klostertrakt sollen Schüler Blumenkübel umgeworfen haben, an den Wänden klebte Joghurt.

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