Wolfgang Grupp war für Trigema CEO, Patriarch und Maskottchen in einem. Er zeigte Medien die Familienvilla und polarisierte in Talkshows. Doch das Selbstmarketing hat einen Preis.
Nach Erklärung von Trigema-PatriarchWolfgang Grupps Leben für die Firma – und die Öffentlichkeit

Wolfgang Grupp vor seinem Haus in Burladingen. stock&people
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Dass es für ihn schwer werden würde, loszulassen, damit hatten alle gerechnet. Er durfte seinen Schreibtisch im Großraumbüro hinter der großen Fensterfront behalten, kam morgens immer noch regelmäßig im Zweireiher ins Büro.
Der Gang war etwas hölzern geworden, der Oberkörper leicht nach vorn gebeugt – aber die Motivation war immer noch da.
Wenn man mit wenig zufrieden sei, gehe es einem auch gut, sagt er bei einem Treffen in der Trigema-Firmenzentrale Anfang des Jahres. Verabredet war eine Geschichte über seinen Sohn, Wolfgang Grupp junior, der Anfang 2024 die Geschicke der Firma zusammen mit seiner Schwester Bonita übernommen hatte. Doch Grupp Senior, 83, ließ es sich nicht nehmen, während des Interviews im Hintergrund in Ruhe die Zeitung zu studieren.
So war Grupp zwar offiziell nicht mehr Teil der Geschäftsführung, aber immer noch Teil des Familienbetriebs. Es war ein bewusst sanfter Übergang, den seine Kinder und seine Frau Elisabeth ihm ermöglichten.
Die Kunst des Loslassens
Andere Patriarchen verbringen ihren Lebensabend auf dem Golfplatz oder auf Mallorca; für Grupp war es selbstverständlich, dass er in seiner Firma weiter nach dem Rechten sah, so wie er es die vergangenen 54 Jahre getan hatte. Und trotzdem breitete sich in ihm das Gefühl aus, „ob man überhaupt noch gebraucht wird“, wie er nun in einem Brief an seine Mitarbeiter bekannte. Darin zeigt Grupp sich verletzlich wie selten. Eine Eigenschaft, ganz gegensätzlich zu der öffentlichen Figur, die er über Jahrzehnte verkörperte.
Nach seinem BWL-Studium übernahm er 1969 die millionenfach verschuldete Familienmarke, stieg in hochwertige Tennisbekleidung ein und war sich in den 1980er-Jahren nicht zu schade, auch Discounter zu beliefern. Als deren Geschäft zu billig wurde, baute er die eigenen Filialen auf.

Grupp verwandelte Trigema zu einem Vorzeigeunternehmen mit 130 Millionen Euro Umsatz und 1200 Mitarbeitern, das in vierter Generation noch immer in Deutschland produziert.
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Einen Onlineshop gibt es seit 2004, er macht rund 40 Prozent des Umsatzes aus, weitere 40 Prozent holen die lokalen Geschäfte rein, der Rest wird über Großkunden wie DB Schenker oder Arztpraxen und Sportvereine umgesetzt.
Trigema: Das gute Textilgewissen der Deutschen
Grupp verwandelte Trigema zu einem Vorzeigeunternehmen mit 130 Millionen Euro Umsatz und 1200 Mitarbeitern, das in vierter Generation noch immer in Deutschland produziert.
Und das ist schwer genug in einer Branche, in der Urgesteine wie Gerry Weber, Peter Hahn oder Peek & Cloppenburg mit Insolvenzen kämpfen. Hallhuber ging pleite, vor Kurzem schloss Esprit alle Läden im Land. Trigema produziert noch immer in drei Werken in Baden-Württemberg. Vom Garn zum fertigen T-Shirt, bis zu 80.000 Teile pro Woche.
Neben der unternehmerischen Karriere bestand Grupps größte Leistung darin, seine öffentlichkeitswirksame Person mit der Marke zu verknüpfen. Trigema musste keine bekannten Models buchen, Trigema hatte Wolfgang Grupp. Die TV-Spots zusammen mit Affe Charly sind legendär, dazu inszenierte er sein Leben und das seiner Familie in der weiß getünchten Villa direkt gegenüber dem Werkstor.
Fernsehleute liebten die Bilder der akkurat herausgeputzten Kinder, wie Grupp Senior aus dem Helikopter stieg oder aus einem goldenen Kelch trank. Ihre Familienbande ist neben den Poloshirts, Softshelljacken und Doppelripp-Unterhemden das eigentliche Kapital der Firma. Doch trotz des Reichtums wirkten die Grupps nie überheblich – das Mittagessen servierten zwar Bedienstete mit weißen Handschuhen, doch es gab stets Müsli.
Deutschlands beliebtester Mittelständler
Dazu blieb er dem Standort Deutschland verbunden, auch als andere Hersteller billig in Asien nähen ließen. Das machte ihn glaubhaft – und selbstbewusst. Mit seinem Talent für Stammtischparolen ging er als „Unternehmerlegende“ in Talkshows viral, bevor es überhaupt Influencer gab:
„Wenn einer zu Hause arbeiten kann, ist er unwichtig.“
„Leider ist heute nicht selten der Anständige der Dumme“.
„Wenn der Sohn die Firma nicht übernehmen will, hat der Vater versagt.“
Grupp verkörperte den konservativen Familienunternehmer so gut wie kein anderer, haftete mit seinem persönlichen Vermögen für Trigema, suchte den Kontakt zu seinen Mitarbeitern und zeichnete die Treuesten von ihnen persönlich in der Grupp-Villa aus.
Nebenbei hielt er das mediale Interesse an seiner Familie hoch: Nur eines der beiden Kinder könne einmal den Betrieb bekommen, lautete seine Losung über viele Jahre, auch die Partnerwahl könne dabei eine Rolle spielen. Damit nahm er zumindest öffentlich einen Wettstreit der Kinder in Kauf. Dass es am Ende anders kam und die beiden nun eine Doppelspitze bilden, wirkte zum Ende von Grupps Karriere wie ein versöhnlicher Kompromiss.
Seine Kinder führen das bodenständige Markenimage von Trigema fort, sie sind zugewandt, familienbewusst und wirken zugleich motiviert, die Firma zu modernisieren und sich dabei von ihrem Vater und Vorbild zu emanzipieren.
„Die Marke Wolfgang Grupp ist sehr stark. Nur ist sie schwierig zu kopieren. Wenn ich Ihnen diese markigen Sprüche geben würde, würde man sagen: Jetzt versucht er, den Vater nachzumachen“, sagt der Junior im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Mein Vater kann diese Dinge sagen, weil er durch seine Erfahrung und seine Firma viel vorzuweisen hat.“
Wolfgang Grupp: „Der König von Burladingen“
Am Firmensitz auf der Schwäbischen Alb gilt der Senior längst als „König von Burladingen“, Besucher der Kleinstadt fahren als Erstes an einer „Trigema“-Tankstelle vorbei, im Großraumbüro hängen Porträts der Grupps in Öl. Auf dem Friedhof steht am Familiengrab ein Stein mit seinem Namen und seinem Geburtsdatum.
Mit dem auf ihm zugeschnittenen Marketing setzte Wolfgang Grupp Maßstäbe. So schaffte Trigema es trotz kleinerer Margen und Werbeetats, in einem hart umkämpften Markt gegenüber internationalen Textilriesen zu bestehen. Doch die Bekanntheit schuf auch eine gewaltige Fallhöhe.
In den vergangenen Wochen zeigte sich der Preis seines Erfolges. Schon als Grupp zuletzt ins Krankenhaus eingeliefert wurde, lief vor allem der Boulevard heiß. Medien spekulierten über eine Schussverletzung, starteten Umfragen im kleinen Burladingen. Die „Bild“-Zeitung begründete ihre Berichterstattung mit Grupps Popularität als einer der bekanntesten Unternehmer des Landes: „Sein Gesundheitszustand ist deshalb von öffentlichem Interesse.“
Dass Grupp über den Vorfall und seinen versuchten Suizid nun gewissermaßen öffentlich aufklärt, in dem er sich seinen Mitarbeitern offenbart, passt zu der Konsequenz, mit der er sein bisheriges Leben mit den Medien teilte.
Genauso wie sein dringender Appell an andere Betroffene von Depressionen, sich Hilfe zu suchen, von seinem Verantwortungsbewusstsein zeugt.
Neben einer raschen und vollständigen Genesung möchte man ihm und seiner Familie nun vor allem eines wünschen: Ruhe.