Absturz der MH17Gesichter der Tragödie

Die 25-jährige Karlijn Keijzer und ihr Freund Laurens van der Graaff wollten in den Urlaub nach Indonesien fliegen.
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Die Liste scheint kein Ende zu nehmen. 283 Namen stehen auf dem „Passenger Manifest“ von Flug MH17, der am vergangenen Donnerstag 298 Menschen das Leben kostete, 15 weitere auf dem Verzeichnis „Tech & Cabin Crew“. Die Namen sind nach dem Alphabet geordnet. Wer wo saß, ob Business-Class oder Economy, wer wessen Nachbar war in den drei Stunden vor dem Absturz – wen interessiert das noch? Besonders groß ist die Trauer in den Niederlanden, aus denen die meisten Opfer stammen. Auch vier deutsche Namen stehen auf der Passagierliste: Wilhelmina Louisa Broghammer, Fatima Dyczynski, Olga Ioppa, Gabriele Lauschet. Und noch immer kommen die Angehörigen nicht zu der Absturzstelle vor. Ein Blick auf einige der Opfer und ihre zerstörten Träume.
Gabriele Lauschet
Die Aachenerin Gabriele Lauschet, 47, war nach einem Heimaturlaub auf dem Rückflug von Europa nach Australien. Kuala Lumpur sollte nur ein Zwischenstopp sein auf der knapp 20-stündigen Reise zurück in ihre neue Heimat. Seit 15 Jahren betreute die gebürtige Rheinländerin an der „German Internation School“ in Sydney die Vorschulkinder. Lustig und lebensfroh sei die Gaby gewesen, sagen die sichtlich geschockten Kollegen der deutschen Schule. Eine Feier zum Start ins neue Schuljahr in dieser Woche ist bereits abgesagt. „Ich kann kaum glauben, dass sie nicht mehr zur Schule kommen wird“, schreibt ihre Kollegin und Freundin Gudrun Daniels auf Facebook.
Vor sieben Jahren hatte Gaby Lauschet bei einem Kostümball den Business Manager Andreas S. kennengelernt, im Februar dieses Jahres feierte das Paar Verlobung. Erst am 4. März hatte die 47-Jährige auf Facebook ihr Titelbild geändert. Das Foto zeigt ein Banner mit der Aufschrift: „Dear Typ will you marry me. Gaby Maus“. Das Bild, aufgenommen während der Verlobungsfeier, wird das letzte auf der Facebook-Seite von Gaby Lauschet aus Aachen bleiben.
Olga Ioppa
„Wir sind total schockiert und fühlen mit der Familie“, sagt eine Sprecherin der Stadtverwaltung von Rheine. Hier wuchs Olga Ioppa auf, eine schöne junge Frau mit langen blonden Haaren und neugierig funkelnden Augen. Bis vor einigen Jahren nahm sie für den örtlichen Tanzclub, den RHTV Rheine, an Tanzturnieren teil. Olga Ioppa wurde 23 Jahre alt. Gemeinsam mit ihrem kanadischen Freund Andrei wollte die Medizinstudentin am Welt-Aids-Kongress im australischen Melbourne teilnehmen und anschließend einige Wochen durch Asien reisen. Das Paar hatte sich an der Universität von Clui in Rumänien kennengelernt, wo beide Medizin studierten.
Zuvor hatte die Studentin ein Jahr lang als Au-pair-Mädchen in Washington gearbeitet. Olga Ioppa wollte in die Fußstapfen ihrer Mutter Elena treten, die am Klinikum Ibbenbüren als Fachärztin für Innere Medizin arbeitet. Die Kolleginnen und Kollegen der Inneren stünden noch unter Schock, sagt eine freundliche Klinik-Sekretärin. „Ganz schrecklich“ sei der Tod der jungen Frau. „Hier kann niemand darüber sprechen. Wir sind einfach viel zu entsetzt.“
Fatima Dyczynski
Das polnischstämmige Ärztepaar Jezy und Angela Dyczynski aus Perth, Australien, hält einen Tag nach dem Absturz der Maschine stumm ein Foto seiner Tochter Fatima in die Kameras westaustralischer Fotografen. Es zeigt die 24-jährige Luftfahrtingenieurin in einem Raumanzug. Ihr lächelndes Gesicht schaut unter einem großen Helm hervor, als wolle sie gleich losziehen und neue, fremde Welten erkunden. Die junge Frau mit den langen, blondierten Haaren wollte in Australien eine Stelle antreten. Kurz vor dem Abflug hatte sie noch einmal mit ihren Eltern telefoniert, die schon lange in Perth leben, und beteuert, wie sehr sie sich auf Zuhause freue.
„Wir sind verloren ohne unsere Tochter“, sagte ihre Mutter jetzt im australischen Fernsehen. Fatima Dyczynski, die in Deutschland geboren wurde, hatte erst kürzlich ihr Studium an der TH Delft abgeschlossen und wollte Astronautin werden. Freunde und Kollegen haben am 19. Juli, ihrem Todestag, eine Facebookseite für sie eingerichtet: „In friedvoller Erinnerung an unsere liebe und geliebte Fatima Dyczynski“ steht darauf.
Karlijn Keijzer und Laurens van der Graaff
Karlijn Keijzer, 25, und Laurens van der Graaff, sind zum niederländischen Gesicht der Tragödie geworden. Eine Vergrößerung des Fotos, aufgenommen kurz vor dem Abflug, grüßt nun traurig im Amsterdamer Ruderklub Skoll, darunter stehen weiße Kerzen und die Kondolenzliste. Das Paar hatte sich im Verein kennengelernt, sie waren auf dem Weg nach Indonesien. Um Urlaub zu machen und ihren Freund zu besuchen: Boudewijn van Opstal, Indonesiens Ruder-Nationaltrainer.
Graaff war Lehrer, seine Freundin Keijzer schrieb in den USA an ihrer Doktorarbeit in Pharmazie. Die Fernbeziehung sollte bald ein Ende haben, das Haus in Amsterdam war schon renoviert. Keijzers Bruder Rutger schickte das Selfie der beiden an die niederländische Zeitung „Volkskrant“, er schrieb: „Die Welt soll sehen, welches Leid wir mitmachen. “
Yuli Hastini, Johnny Paulissen, Arjuna und Sri
Yuli Hastini, Johnny Paulissen und ihre kleinen Kinder Arjuna und Sri waren über Kuala Lumpur auf dem Weg nach Indonesien. In den Niederlanden haben die Schulferien begonnen, in Indonesien wird bald das Zuckerfest gefeiert. Auch deshalb waren viele Indonesier auf dem Weg zu Verwandten. Johnny Paulissen wollte endlich das Grab ihrer Mutter besuchen, die erst vor kurzem verstorben war. Sie wird es nie sehen.
Popo Fan und Jenny Loh
Popo Fan und Jenny Loh betrieben im Zentrum von Rotterdam das Restaurant „Asian Glories“. Es war bis weit über die Stadt hinaus bekannt. Wegen der hervorragenden Küche und wegen der herzlichen Gastfreundschaft. Ihr Sohn Kevin, noch in der Ausbildung zum Koch, bleibt allein zurück. Auch seine Großmutter Siew Po Tan war an Bord. Von einem „unbeschreiblichen Verlust“ berichtet der Sohn im „Algemeen Dagblad“.
Aber Rotterdam ist eine Arbeiterstadt und eine Kämpferstadt. Kevins Freunde haben einen Trauermarsch durch die Innenstadt organisiert. Die Spitzenköche Herman den Blijker und François Geurds erklärten: „Wir werden alles tun, um Kevin zu unterstützen.“ Die Niederlande rücken in der Stunde des Unglück zusammen.
Bryce Fredriksz und Daisy Oehlers
Das junge Paar Bryce Fredriksz und Daisy Oehlers war auf dem Weg in den Urlaub nach Bali. „Es ist eine Tragödie mitten in einer Tragödie“, sagt Bryces Mutter Silene Fredriksz-Hoogzand. Oehlers’ Mutter war vor zweieinhalb Monaten gestorben. Noch immer können die Angehörigen nicht zu den Opfern.
„Herr Putin, bringen Sie unsere Kinder nach Hause, bitte“, sagte Fredriksz-Hoogzand am Montag flehend in Fernsehkameras. Sie sei keine Politikerin. „Aber ich bin sicher, dass Herr Putin in dieser Sache was machen kann.“ Die Niederlande trauern über den unfassbaren Schicksalsschlag, aber sie klagen in dieser bitteren Stunde auch an.
Die Kinder
Barbie-Puppen, Teddybären, Stofftiere – viele Kinder waren mit an Bord von Flug MH17. Und viele Träume. Zahlreiche Kinderbücher liegen an der Unglücksstelle verstreut. Ein zwölfjähriger Junge aus Zuitphen etwa war zusammen mit seiner Mutter auf dem Weg in die Sommerferien nach Bali. Der Junge hatte gerade die Grundschule abgeschlossen. Am letzten Schultag spielte er im Schultheater seinen großen Auftritt: er spielte den Kaiser von China. Es sind diese Geschichten, die die Menschen so sehr bedrücken. (mit „ Algemeen Dagblad“, „NRC“ „Handelsblad“, „Volkskrant“ und BBC)