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Gießen im AusnahmezustandZehntausende Demonstranten bei AfD-Jugendkongress erwartet

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Aufruf zum Protest: Aktivisten mobilisieren am Berliner Olympiastadion gegen die Versammlung der AfD-Jugend in Gießen. /Sebastian Räppold/

Aufruf zum Protest: Aktivisten mobilisieren am Berliner Olympiastadion gegen die Versammlung der AfD-Jugend in Gießen. /Sebastian Räppold/

Gießen erwartet der Ausnahmezustand: Bis zu 50.000 Demonstrierende versuchen, die Gründung einer neuen Jugendorganisation der AfD zu verhindern.

Bis zu 50.000 Demonstrierende kommen am Wochenende voraussichtlich in einer Stadt von 90.000 Einwohnern zusammen, um den Gründungskongress der AfD-Jugend mit rund 1000 Teilnehmenden zu blockieren. Und mehr als 5000 Polizistinnen und Polizisten aus fast allen Bundesländern wollen sie daran hindern. Das sind die nackten Zahlen des Ausnahmezustands, den das mittelhessische Gießen erwartet.

Das Aktionsbündnis „Widersetzen“ mobilisiert bundesweit unter dem Motto „AfD-Jugend verhindern“. Mehr als 200 Busse sollten nach Gießen und in den Nachbarort Heuchelheim unterwegs sein. Die Demonstrierenden wollen Abfahrten und Straßenkreuzungen blockieren, um den Kongressteilnehmern die Anfahrt zu erschweren. Die AfD-Kader wiederum haben eigene Sammelpunkte vereinbart, von denen aus sie mit Bussen zur Hessenhalle gebracht werden sollen.

„Rechtsextremes Szenetreffen“

Ähnlich lief es bereits im Januar im sächsischen Riesa. Bis zu 15.000 Teilnehmende von „Widersetzen“ hielten dort einige Delegierte des AfD-Parteitags teils stundenlang auf. Verhindern konnten sie ihn nicht. „In Riesa konnten wir ein starkes Zeichen setzen, indem wir den Beginn des Parteitags verzögern konnten“, sagte Rieka Becker von „Widersetzen“ dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „In Gießen werden wir mehr. Unser Ziel ist, dieses rechtsextreme Szenetreffen nicht stattfinden zu lassen.“

Die nächste Generation der AfD werde „unfassbar gefährlich“, sagt Becker zur Begründung. „Sie ist eng verflochten mit rechtsextremen Gruppierungen. Ihre Absicht ist es, gezielt in jungen Köpfen Hass und Hetze einzupflanzen und junge Menschen in eine hasserfüllte Richtung zu politisieren.“

Keine ausdrückliche Distanzierung von Gewaltaufruf

Hasserfüllt liest sich aber auch ein Beitrag, der Anfang November anonym auf der Website „indymedia.org“ hinterlassen wurde und laut Selbstbezeichnung aus dem anarchistischen Spektrum stammen soll. Dort heißt es, man werde „die Stadt Gießen zum Brennen bringen“.

Auch auf Nachfrage distanzierte sich „Widersetzen“ nicht ausdrücklich von diesen anonymen Gewaltfantasien. „Tausende Menschen aus dem ganzen Bundesgebiet kommen zu einem bunten und vielfältigen Protest”, sagte Becker dem RND. „In unserem Aktionskonsens steht, dass von uns keine Eskalation ausgeht. Aber wir lassen uns nicht teilen in gute und schlechte Demonstrierende.“

AfD-Parteichefin Alice Weidel kritisierte, der große Polizeieinsatz rund um die Versammlung sei nötig, „nur damit wir unser demokratisches Recht ausüben können“.

Polizisten aus 15 Bundesländern

Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) sprach am Mittwoch in Gießen von einer „herausfordernden Großlage“, auf die sich die Polizei seit Monaten „mit Hochdruck“ vorbereite.

Der überwiegende Teil der Protestierenden werde wohl friedlich demonstrieren – man müsse aber auch damit rechnen, dass wenige gewaltbereite und auch gewalttätige Teilnehmer dabei sein werden. Poseck sprach von einer voraussichtlich dreistelligen Zahl solcher Teilnehmer, auch eine vierstellige Zahl sei aber nicht ausgeschlossen.