In Sachsen-Anhalt verzeichnet eine Umfrage ein Plus von 19 Prozentpunkten für die AfD. Die Grünen drängen weiter auf ein Verbot.
„Rechtliche und politische Pflicht“Enormes AfD-Hoch im Osten – Grüne wollen Verbotsverfahren, Streit in der FDP

AfD-Chefin Alice Weidel bei einer Pressekonferenz. Auch in Sachsen-Anhalt ist die AfD in Umfragen nun stärkste Kraft. (Archivbild)
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Ein Jahr vor der Landtagswahl kommt die AfD in Sachsen-Anhalt in einer neuen Umfrage auf 39 Prozent. In der Sonntagsfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap wird die Partei damit klar stärkste Kraft – weit vor der CDU mit 27 Prozent. Auf dem dritten Platz liegt demnach aktuell die Linke mit 13 Prozent. Die SPD würde mit sieben Prozent ihr Rekordtief bei der vergangenen Landtagswahl noch unterbieten, wenn am Sonntag gewählt würde. Das BSW käme auf sechs Prozent. Nicht im Landtag vertreten wären die Grünen (drei Prozent) und die FDP.
Damit würden sich die Kräfteverhältnisse im Landtag deutlich ändern: Für eine Regierungsbildung ohne die AfD wäre die CDU auf ein Brombeer-Bündnis mit SPD und BSW angewiesen und müsste auch mit der Linken kooperieren. Bei der Landtagswahl im Juni 2021 erreichte die CDU als stärkste Kraft 37,1 Prozent, die AfD erhielt 20,8 Prozent. Die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt ist im September 2026 angesetzt. Aktuell regiert ein Bündnis aus CDU, SPD und FDP.
AfD baut Vorsprung im Osten in Umfragen deutlich aus
Mit dem Umfrageergebnis baut die AfD ihren Vorsprung im Osten Deutschlands weiter aus: In Mecklenburg-Vorpommern, wo ebenfalls im nächsten Jahr gewählt wird, sah eine Umfrage die AfD bereits im April als stärkste Kraft vor der SPD. In Sachsen und Thüringen, wo erst 2029 wieder gewählt wird, sahen Umfragen die AfD im Sommer zuletzt mit jeweils 35 Prozent deutlich vor der CDU als zweitstärkste Kraft. In Brandenburg lag die AfD laut einer Juni-Umfrage mit 32 Prozent vorn.
Auch bundesweit gewinnt die AfD an Unterstützung – jedoch auch die Linke. Im aktuellen Forsa „Trendbarometer“ liegt die AfD mit 26 Prozentpunkten einen Punkt vor der Union. Die SPD kommt auf 14 Prozent der Stimmen. Erstmals seit 2017 rangiert derweil die Linke (zwölf Prozent) vor den Grünen (elf Prozent). FDP und BSW bleiben mit jeweils drei Prozent abgeschlagen – und würden den Einzug in den Bundestag bei einer Wahl am kommenden Sonntag nicht schaffen.
Umfragen: Bundesregierung unbeliebter als Ampel-Koalition
Allerdings sehen nicht alle Umfragen die AfD bundesweit vorne: Bei Infratest dimap etwa sprachen sich 27 Prozent der Befragten für die Union aus – die AfD landet dort mit 25 Prozentpunkten auf dem zweiten Platz.
Die jüngsten Umfragen sehen die Zufriedenheit mit der Bundesregierung derweil auf einem Tiefstand. Nur noch 22 Prozent der Befragten äußerten sich in dem am Donnerstag veröffentlichten ARD-„Deutschlandtrend“ zufrieden mit der Regierung von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU).
75 Prozent gaben hingegen an, weniger oder gar nicht zufrieden zu sein. Damit ist die Regierung Merz deutlich unbeliebter als die Ampel-Koalition, die nach vier Monaten im Amt noch auf einen Zustimmungswert von 47 Prozent kam.
Grüne laden zu Gespräch über AfD-Verbot ein
Die Grünen wollen nun aus der Opposition heraus die Initiative ergreifen – und haben Redebedarf hinsichtlich eines AfD-Verbots angemeldet. Die Spitze der Grünen-Fraktion hat die Fraktionsvorsitzenden von Union, SPD und Linke zu einem Gespräch über ein mögliches AfD-Verbotsverfahren eingeladen.
In dem Brief der zwei Co-Vorsitzenden, Katharina Dröge und Britta Haßelmann, heißt es: „Der Deutsche Bundestag hat vor dem Hintergrund unserer geschichtlichen Verantwortung die rechtliche und politische Pflicht, sich ernsthaft mit der Einleitung eines Parteiverbotsverfahrens zu befassen, wenn ein entsprechender Anlass besteht.“
Geteilte Meinungen über mögliches AfD-Verbot
Dieser Zeitpunkt sei – angesichts der fortschreitenden Radikalisierung der AfD – jetzt gekommen. Der jüngste Beschluss des SPD-Parteitages, der sich einstimmig für eine Prüfung eines möglichen AfD-Parteiverbotes ausgesprochen habe, sei ein „ermutigendes Signal“, hieß es weiter.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte Anfang Mai mitgeteilt, dass es die AfD fortan als gesichert rechtsextremistische Bestrebung einstufen werde. Wegen einer Klage der AfD gegen diesen Schritt legte die Behörde die Einstufung aber bis zur gerichtlichen Klärung auf Eis.
Bundesinnenminister Dobrindt will AfD "wegregieren"
Die Meinungen über ein mögliches AfD-Verbotsverfahren sind derweil geteilt. Die Innenminister von Bund und Ländern haben die Einsetzung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum weiteren Umgang mit der AfD vereinbart, falls die neue Einstufung des Verfassungsschutzes gerichtlich bestätigt wird.
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) vertritt die Auffassung, ein Verbotsverfahren wäre Wasser auf die Mühlen der Opfererzählung der AfD. Er wolle die AfD lieber „wegregieren“, erklärte Dobrindt. Über ein Parteiverbot kann nur das Bundesverfassungsgericht entscheiden.
„Wer mit der AfD koalieren will, hat in unserer Partei nichts verloren“
Wirbel gibt es unterdessen bei der FDP: Zuvor hatte der Schweriner FDP-Kreischef Paul Bressel erklärt, eine „gelb-schwarz-blaue Koalition wäre mir lieber als eine AfD-Alleinregierung“ und sich damit offen für eine Zusammenarbeit mit der AfD gezeigt. „Die Brandmauer verzerrt Wählerwillen; Mehrheitlich wird freiheitlich/rechts gewählt, geliefert wird links“ hatte Bressel bei X ausgeführt und einen „Strategiewechsel“ gefordert.
FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann legte Bressel daraufhin einen Parteiaustritt nahe. „Wer in der FDP mit der AfD koalieren will, hat in unserer Partei nichts verloren. Punkt“, schrieb Strack-Zimmermann bei X. „Die völkische AfD legt die Axt an alles, was Liberalismus ausmacht“, führte die Düsseldorferin aus.
Umfragen sorgen für Warnungen und Kampfansagen
Auch die stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP, Svenja Hahn, fand deutliche Worte. Die FDP stehe „für alles, was die AfD verachtet und zerstören will: Fortschritt, Weltoffenheit in einem geeinten Europa und vor allem die Freiheit eines jeden Einzelnen“, schrieb sie bei X. „Liberale dürfen sich nicht zum Steigbügelhalter für Demokratiefeinde machen“, fügte sie an.
Die Umfrageerfolge der AfD sorgen unterdessen für eindringliche Warnungen und politische Kampfansagen. „Nur eine starke Linke wird AfD-Politik verhindern können, egal ob sie von AfD oder CDU kommt“, schrieb Linken-Parteichefin Ines Schwerdtner mit Blick auf die Umfragewerte aus Sachsen-Anhalt.
„Das ist längst noch nicht das schlimmste Szenario“
„Der Feind steht in Moskau und er steht rechts! Düstere Aussichten und das ist längst noch nicht das schlimmste Szenario“, kommentierte auch der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk die jüngsten Zahlen bei X. So sei es auch möglich, dass in Sachsen-Anhalt „die beiden Kremlparteien AfD und BSW“ bei der Sitzverteilung zusammen die Hälfe der Mandate erringen könnten, warnte Kowalczuk. „CDU und Linke, SPD und Grüne brauchen neue Ideen – noch ist es nicht zu spät“, forderte der Historiker. „Neue Ideen heißt auch, gemeinsame Ideen.“
Auch der Ökonom Marcel Fratscher warnt vor den Folgen eines AfD-Erfolges. „Die Stärke der AfD und ihre Politik führen in die wirtschaftliche wie soziale Katastrophe für Deutschland“, erklärte Fratscher bei X. „Der AfD Kurs der Abschottung, des Protektionismus und der Polarisierung würde das Geschäftsmodell der deutschen Wirtschaft zerstören und viele Millionen Arbeitsplätze kosten“, prognostizierte der Ökonom. „Die Hauptleidtragenden wären insbesondere die Wählerinnen und Wähler der AfD.“ (mit dpa)