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Sonder-Abgabe für Rentner?Vorschlag zum „Boomer-Soli“ trifft auf Kritik – „Wer vorgesorgt hat, ist der Dumme“

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SYMBOLBILD - 24.04.2024, Berlin: Münzen liegen auf einer Renteninformation der Deutschen Rentenversicherung. (zu dpa: «Rente in Brandenburg deutlich unter dem Durchschnitt») Foto: Fernando Gutierrez-Juarez/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

SYMBOLBILD - 24.04.2024, Berlin: Münzen liegen auf einer Renteninformation der Deutschen Rentenversicherung. (zu dpa: ´Rente in Brandenburg deutlich unter dem Durchschnitt») Foto: Fernando Gutierrez-Juarez/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Ein „Boomer-Soli“ soll einkommensschwache Rentner entlasten. Der Vorschlag des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) trifft auf Kritik.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) will Altersarmut mit einem ungewöhnlichen Vorschlag bekämpfen: Gut situierte Rentnerinnen und Rentner sollen künftig eine solidarische Abgabe leisten – den sogenannten „Boomer-Soli“. Ziel sei es, einkommensschwache Ruheständler gezielt zu unterstützen, ohne dabei die junge Generation weiter zu belasten.

Hintergrund ist der bevorstehende Renteneintritt der geburtenstarken Jahrgänge rund um 1960, auch „Boomer “genannt. Mit deren Eintritt in den Ruhestand gerät das Rentensystem weiter unter Druck. Laut DIW könne ein moderater Solidaritätsbeitrag von drei bis vier Prozent auf sämtliche Alterseinkünfte – also auch die Einkommen des Ehepartners, private und betriebliche Versorgung, Mieteinnahmen – die finanzielle Lage armutsgefährdeter Haushalte um bis zu elf Prozent verbessern.

Belastung für die Starken, Hilfe für die Schwachen

„Wenn alle Babyboomer im Ruhestand sind, wird das Rentensystem noch deutlich stärker unter Druck kommen als bisher“, warnte DIW-Forscher Peter Haan. Steuerexperte Stefan Bach ergänzte: „Es wäre nicht fair, die anstehenden Lasten des demografischen Wandels vor allem den jüngeren Generationen aufzubürden.“ Der Boomer-Soli sei daher ein Beitrag zu mehr Gerechtigkeit innerhalb der älteren Generation.

Die Abgabe soll nach einem Vorschlag von zehn Prozent auf Alterseinkünfte oberhalb eines Freibetrags erhoben werden – je nach Modell ab 902 oder 1.048 Euro monatlich. Das DIW geht davon aus, dass der Anteil von Menschen in Altersarmut so von über 18 auf unter 14 Prozent gesenkt werden könnte. Zugleich betont das Institut: Eine Umverteilung nur innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung sei wenig zielführend, da gerade wohlhabendere Haushalte oft auf andere Einkommensquellen zurückgreifen.

Kritik von Kölner Institut: Fehlanreize und Ungenauigkeiten

Doch der Vorschlag sorgt für Aufregung – und Gegenwind. Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln spricht von „Fehlanreizen“ und kritisiert unter anderem, dass Vermögen bei der Berechnung nicht berücksichtigt würden. Auch sei nicht sichergestellt, dass jeder Niedrigeinkommensbezieher über die Armutsrisikoschwelle gehoben und vor dem Gang zum Sozialamt geschützt werde. IW-Ökonom Jochen Pimpertz sagte, der Vorschlag „schießt am Ziel vorbei“.

Auch aus der Politik kommt Kritik. SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach nannte den Vorschlag „Umverteilung unter Rentnern“ und forderte stattdessen eine höhere Erbschaftssteuer. FDP-Politiker Andrew Ullmann sprach auf X von „populistischem Schubladendenken“. Die Mittelstandsbeauftragte der Bundesregierung, Gitta Connemann, (CDU) sagte „N-TV“, die aus der Hüfte geschossenen Vorschläge „sind eine Katastrophe“. Damit raube man den Menschen Verlässlichkeit. Und Ulrich Schneider, früherer Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, warnte: Der Vorschlag sei „brandgefährlich“ und bedeute letztlich, „dass sich die Gemeinschaft aus der Rentenfinanzierung zurückzieht“.

Noch deutlicher wurde Reiner Braun: „Wer vorgesorgt hat, ist der Dumme“, kommentierte er auf X. Er ist Diplom-Volkswirt und Vorstandsvorsitzender der Empirica AG Forschung und Beratung. Ob der „Boomer-Soli“ politische Unterstützung findet, ist offen. Eine neue Rentenkommission soll sich Gedanken über die Zukunft machen. (sbo mit afp)