Amerika verstehenJoe Bidens Probleme mit China

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Elektriker installieren Solarpaneele im New Yorker Stadtteil Queens.

Elektriker installieren Solarpaneele im New Yorker Stadtteil Queens.

Der in den USA lehrende Historiker Klaus Larres erklärt die politischen Hintergründe für die Erhöhung von Einfuhrzöllen auf chinesische Waren.

Die amerikanisch-chinesischen Beziehungen gehen seit fast einem Jahrzehnt den Bach herunter. Präsident Joe Bidens Ankündigung, die Zölle auf Elektroautos, Solarzellen, moderne Batterien und andere klimarelevante Technologien aus China erheblich zu erhöhen, hat die Spannungen weiter verschärft. Schließlich soll der Zoll auf elektrische Autos aus China demnächst 100 Prozent betragen und damit vervierfacht werden. Ein E-Auto, das China zum Durchschnittspreis von umgerechnet 31.600 Euro in den USA anbieten möchte, würde dann lockere 62.600 Euro kosten und wäre damit - wie von Washington beabsichtigt - kaum mehr konkurrenzfähig.

Worum geht es Biden?

Biden will die Chinesen nicht absichtlich verärgern. Tatsächlich sind die USA darauf bedacht, die Beziehungen zu Peking auf einem einigermaßen stabilen Niveau zu halten, damit sie nicht völlig aus dem Ruder laufen, wie das vor dem bilateralen Gipfel zwischen Biden und Xi Jinping im November 2023 in San Francisco der Fall war. Der US-Präsident hat vor allem aus drei Gründen neue Zölle auf chinesische Produkte verhängt.

1. Die US-Präsidentschaftswahl

Angesichts der vielen Äußerungen Donald Trumps, dass er im Fall seiner Wiederwahl einen superharten Kurs gegenüber China fahren werde, fühlt sich Biden in die Enge getrieben. Der Präsident will zeigen, dass er gegenüber Peking noch härter durchgreifen kann, als sein republikanischer Konkurrent das vollmundig ankündigt. Bereits 2018 hatte Trump als Präsident einen Handelskrieg mit China vom Zaun gebrochen. Die aggressive Wirtschafts- und Außenpolitik Chinas ist bei allen Parteien in den USA zum beliebten Haudrauf-Thema geworden. Gerade jetzt, wo es mit der internationalen Beliebtheit der USA wegen des Verhaltens ihres engen Verbündeten Israel bergab geht und die Amerikaner selbst innenpolitisch immer tiefer zerstritten sind, ist ein gemeinsames Feindbild willkommen, an dem sich die vielen Frustrationen abarbeiten lassen.

Klaus Larres

Klaus Larres, Politikwissenschaftler und Kolumnist des „Kölner Stadt-Anzeiger“

In der Praxis ist eine Zollgebühr von 100 Prozent auf chinesische Elektrofahrzeuge von geringer Bedeutung. 2023 wurden nur etwa 2200 Elektrofahrzeuge der chinesischen Firma Geely-Polestar auf dem US-Markt verkauft. 40 Prozent der in China produzierten E-Autos werden in die EU exportiert. Doch Ende des Jahres will Polestar mit der Produktion eines neuen Modells in South Carolina beginnen, und auch der Autobauer Volvo, mehrheitlich im Besitz von Geely, will den populären E-Sportwagen EX30 demnächst in den USA anbieten.

Das wird zwar kaum mehr vor den Wahlen in den USA geschehen, doch Biden geht davon aus, dass seine Abschottung der heimischen Autoindustrie gegen die chinesische Konkurrenz mit Hilfe einer drastischen Zollpolitik seine Wahlchancen erhöhen wird. Jüngste Meinungsumfragen haben gezeigt, dass Biden in fünf der sechs wichtigsten „Swing-Staaten“ hinter Trump liegt. Da Biden für eine zweite Amtszeit Pennsylvania, Wisconsin und Ohio gewinnen muss, alles Staaten mit vielen Fabriken und zahlreichen Wählern aus der Arbeiterschicht, könnte die Einführung hoher Zölle auf Elektrofahrzeuge, Solarpanels und andere klimarelevante Technologieprodukte aus China für den Sieg in diesen Staaten durchaus entscheidend werden.

2. Die nationale Sicherheit

Daneben ist die Biden-Regierung auch davon überzeugt, dass eine Dominanz Chinas bei der Herstellung von Elektrofahrzeugen die nationale Sicherheit der USA gefährden würde. China wäre damit in der Lage, die Preise unerwartet zu erhöhen und damit die US-Wirtschaftspolitik ins Chaos zu stürzen. Auch könnte Peking Druck auf Washington ausüben, indem es Engpässe bei der Materiallieferung für E-Artikel herbeiführt. Nicht zuletzt könnte China auch anhand der von den Elektrofahrzeugen gesammelten Datenmengen detaillierte Informationen über den US-Straßenverkehr und über die Fahrgewohnheiten einzelner Amerikaner erhalten. Möglicherweise würden sogar Informationen über militärische und sicherheitspolitisch relevante Verkehrsbewegungen nach China fließen. Für Washington ist es inakzeptabel, die nationale Sicherheit der USA in wichtigen Bereichen vom Wohlwollen einer potenziell feindlichen ausländischen Macht abhängig zu machen.

3. Die Energiewende

Die Regierung Biden ist überdies fest davon überzeugt, dass eine langsamere, dafür aber zuverlässigere Umstellung auf Solarenergie und Elektrofahrzeuge bei der eigenen Bevölkerung besser ankommen und daher langfristig größere Unterstützung finden würde. Ein „Big Bang“-Ansatz, der den relativ plötzlichen Import von Hunderttausenden billiger, hoch subventionierter chinesischer Elektrofahrzeuge zuließe, würde die Amerikaner überfordern und damit die Energiewende in den USA gefährden - so die Überlegungen des Weißen Hauses. Ob sie die Stimmungslage im Land realistisch wiedergeben, ist schwer zu beurteilen.

Mit einem solchen Politik-Ansatz schiebt die Regierung jedoch die Bedenken vieler Umweltorganisationen beiseite. Diese befürchten, dass der Übergang zu Solarenergie und Elektroautos aus wahltaktischen und sicherheitspolitischen Gründen verlangsamt und auf lange Sicht hinausgezögert wird. Ein Kritiker führte erbost aus, dass es sich die Welt - die USA eingeschlossen - angesichts des dramatisch zunehmenden globalen Klimawandels nicht leisten könne, den ökologischen Transfer auf die lange Bank zu schieben. Wenn die Chinesen Amerikas Umstellung auf Elektrofahrzeuge subventionierten, indem sie den US-Verbrauchern billige Elektroautos verkaufen wollten, so der Kritiker, dann dürfe Washington dieses Angebot nicht ablehnen.

Über allem: der Wahlkampf

Es ist klar, dass in den USA derzeit die gesamte Außen- und Innenpolitik, einschließlich der China-, Energie- und Klimapolitik, dem Wahlkampf untergeordnet ist. An dieser traurigen Situation wird sich in den gut fünf Monaten bis zum 5. November kaum mehr etwas ändern. Erst danach könnte sich ein womöglich wiedergewählter Joe Biden endlich ernsthaft um die Verwirklichung seiner ambitionierten Klimapolitik kümmern.

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