Derzeit verfügt Belgien über zwei Kernkraftwerke mit sieben Reaktoren – drei wurden allerdings bereits vom Netz genommen.
Trotz Mängeln an AKW nahe NRWBelgien macht Atomausstieg rückgängig – und plant neue Reaktoren

Das Atomkraftwerk Tihange steht am Ufer des Flusses Maas. (Archivbild)
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Das belgische Parlament hat mit großer Mehrheit für ein Ende des Atomausstiegs gestimmt. 102 Abgeordnete votierten für eine Verlängerung der Laufzeit der bestehenden Reaktoren, acht stimmten dagegen. Es gab 31 Enthaltungen. Die rechte Regierung von Ministerpräsident Bart De Wever plant auch den Bau neuer Reaktoren. Derzeit verfügt Belgien über zwei Kernkraftwerke mit sieben Reaktoren – drei wurden allerdings bereits vom Netz genommen.
Belgien: Debatte um Atomausstieg zieht sich seit Jahren
In Belgien wurde der Atomausstieg 2003 gesetzlich festgelegt. Ursprünglich sollten die weiteren Reaktoren der beiden Kernkraftwerke in Doel nahe der Stadt Antwerpen und Tihange 2025 abgeschaltet werden. Doch die Debatte zieht sich seit Jahren.
Angesichts der Sorge um die Sicherheit der Energie-Versorgung und mit Blick auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine hatte Belgiens Regierung 2022 beschlossen, den Atomausstieg um zehn Jahre zu verschieben. Jeweils ein Meiler der beiden belgischen Kernkraftwerke sollte bis 2035 am Netz bleiben.
Diskussionen um belgische Atommeiler auch in Deutschland
In Deutschland sorgen die belgischen Atommeiler aus den 1970er und 80er Jahren immer wieder für Diskussionen. So wurden bei Reaktoren im Nachbarland mehrfach Mängel festgestellt, etwa marode Betonteile. Unter anderem die nordrhein-westfälische Stadt Aachen und die Bundesregierung forderten deswegen in der Vergangenheit wiederholt die Stilllegung.
So hatte etwa der Essener SPD-Politiker Ali Kaan Sevinc nach der 2022 von Belgien beschlossenen Laufzeitverlängerung die Entscheidung des Nachbarlands scharf kritisiert. „Seit Jahren wird auf die Gefahr durch die beiden Atomkraftwerke Tihange und Doel in Belgien hingewiesen“, schrieb Sevinc bei X. „Die Mängel sind unübersehbar und so wächst die Gefahr rasant, die von beiden Meilern ausgeht“, führte Sevinc aus. „Bedauerlich, dass Belgien hier wieder verlängert.“
Belgische Atomkraftwerke sorgen seit Jahren für Diskussionen
Das Kraftwerk Tihange liegt nur etwa 60 Kilometer von Aachen entfernt. Bereits 2018 waren bei dem AKW unweit der Grenze Unregelmäßigkeiten entdeckt worden. Bei der Reparatur maroder Betonteile sei aufgefallen, dass Stahlverstärkungen an einer Schutzdecke nicht den Bauplänen entsprechen, teilte der Betreiber Engie Electrabel damals mit. Das Problem besteht demnach wohl schon seit Bau des Reaktors.
Die damalige Bundesumweltministerin Svenja Schulze hatte das Nachbarland daraufhin bereits 2018 dazu gedrängt, die alten Atommeiler abzuschalten. Viele Menschen im Grenzgebiet um Aachen fühlten sich von den nahen Atommeilern Tihange und Doel bedroht, sagte die SPD-Politikerin damals bei einem Besuch in Belgien. „Ich halte das für den falschen Weg“, fügte Schulze 2018 an. Deutschland hat 2002 den Atomausstieg beschlossen, 2023 wurden die letzten AKW im Land abgeschaltet. (das/dpa)