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„Altersschwach“, „geh sterben“Biden teilt gegen Trump aus – und wird unflätig beschimpft

Lesezeit 4 Minuten
ARCHIV - 20.01.2025, USA, Washington: Präsident Joe Biden (r) und der damals designierte Präsident Donald Trump stehen zusammen vor dem Beginn der Amtseinführung des Präsidenten im Januar 2025 in der Rotunde des US-Kapitols in Washington. (zu dpa: «Biden über Trump: «Was für ein Präsident redet so?»») Foto: Saul Loeb/POOL AFP/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Joe Biden (r.) und Donald Trump bei der Amtsübergabe im Januar 2025 im Kapitol.

Joe Biden hat der BBC ein Interview gegeben und darin Trumps Ukraine-Politik kritisiert. Das Lager des US-Präsidenten schlug zurück.

Normalerweise ist es in den USA eher unüblich, dass ehemalige Präsidenten sich bereits kurz nach der Amtsübergabe in die tagesaktuelle Politik einmischen. Joe Biden bricht mit dieser Tradition jedoch, und das bereits zum zweite Mal innerhalb weniger Wochen. Schon im April hatte der 82-Jährige bei einer Rede in Chicago seinen Nachfolger Donald Trump scharf kritisiert. Er warf dem Republikaner vor, die US-Gesellschaft zu spalten und die Sozialsysteme anzugreifen.

Nun äußerte sich Biden erneut, diesmal beim britischen Sender BBC in sehr ausführlicher Form. In dem Exklusivinterview mit dem Journalisten Nick Robinson, dem ersten seit seinem Ausscheiden aus dem Amt, ging es auch um die Außenpolitik Trumps. Das Gespräch fand in Bidens Heimat in Delaware statt. Einen gesundheitlich stabilen Eindruck macht Biden in dem Interview nicht, er wird häufiger von Hustenanfällen unterbrochen.

Biden kritisiert Trumps „Appeasement“-Politik

Inhaltlich ist der Ex-Präsident aber klar: Er kritisiert in deutlichen Worten den Führungsstil des Republikaners. Die Szene im Oval Office des Weißen Hauses, als der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mit Trump und dessen Vize JD Vance in Streit geriet, sei „unter Amerikas Würde“ gewesen, sagte Biden.

Trumps Versuch, den Krieg in der Ukraine zu beenden, indem er Kiew zur Aufgabe von Gebieten dränge, bezeichnete Biden als „modernes Appeasement“. Mit dem Begriff wird die Politik des früheren britischen Premierministers Neville Chamberlain in den 1930er Jahren bezeichnet, der versuchte, einen Krieg abzuwenden, indem er die Annexion des zur Tschechoslowakei gehörenden Sudetenlands durch Nazi-Deutschland absegnete.

Biden findet Trumps Haltung gegenüber Putin naiv

Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine sagte Biden, es sei „einfach dumm“ zu glauben, dass der russische Präsident Wladimir Putin seine Aggression gegen Gebietsabtretungen beenden werde. Mit Bezug auch zu Trumps Äußerungen hinsichtlich einer Übernahme des Panamakanals, Grönlands oder Kanadas fuhr Biden fort: „Was zur Hölle ist hier los? Welcher Präsident redet denn so? So sind wir nicht. Uns geht es um Freiheit, Demokratie und Chancen. Nicht um Beschlagnahmung.“

Die Verachtung für die Nato und die Verbündeten durch die Trump-Regierung sei nicht nachvollziehbar. „Ich verstehe einfach nicht, wie sie nicht begreifen können, dass in Allianzen Stärke liegt, dass sie Vorteile bringen, und die Kosten dafür aufgewogen werden.“ Nur die USA hätten die Kapazitäten, die Welt anzuführen. Nehme die US-Regierung diese Rolle nicht wahr, könnten China und Russland versuchen, in die Lücke zu stoßen. Sollte die Nato zerbrechen, werde das die „moderne Geschichte der Welt verändern“, warnte Biden.

Biden: „Es war schwierig, alles liegenzulassen“

Außerdem nahm Biden zu den Vorwürfen Stellung, er habe nicht früher auf eine erneute Kandidatur verzichtet, sodass die Demokraten Kamala Harris erst sehr spät ins Rennen schicken konnten. Diese Kritik war nach der Wahlniederlage im November 2024 immer wieder aufgekommen. Durch seinen Egoismus, trotz offensichtlich gesundheitlicher Probleme und schlechter Umfragewerte nicht verzichtet zu haben, hätten die Demokraten keinen Kandidaten oder keine Kandidatin systematisch aufbauen konnten, lautet der Vorwurf.

Biden sagte nun, er empfinde keine Reue. „Ich glaube nicht, dass es einen Unterschied gemacht hätte“, sagte er. Er sei bereit gewesen, Platz für die nächste Generation zu machen, „aber die Dinge haben sich so rasch entwickelt, dass es schwierig war, alles liegenzulassen“. Es sei eine schwere Entscheidung gewesen.

„Altersschwach“, „geh sterben“: Trump-Lager ätzt nach BBC-Interview gegen Biden

Nach der Ausstrahlung des BBC-Interviews dauerte es nicht lange, bis das Trump-Lager zurückschlug. Der Kommunikationsdirektor des Weißen Hauses, Steven Cheung, veröffentlichte in den sozialen Medien einen Link zum Interview und kritisierte den ehemaligen Präsidenten scharf.

„Joe Biden ist eine absolute Schande für dieses Land und das Amt, das er innehat. Er hat offensichtlich jeglichen Verstand verloren, und seine Berater hielten es für eine gute Idee, ihn in einem Interview bei jeder Antwort unzusammenhängend murmeln zu lassen“, ätzte Cheung. Dies fühle sich „traurigerweise“ wie ein „Missbrauch“ an.

Auch bei Trumps „Haus-Sender“ Fox News kamen Bidens Aussagen erwartungsgemäß nicht gut an. Chef-Kommentator Brit Hume sprach hämisch davon, dass vier Jahre Amtszeit offenbar Tribut bei dem 82-Jährigen gefordert hätten. Biden sei schon lange vor seinem Ausscheiden geschwächt gewesen. Auch in der Demokratischen Partei dürfte das erneute öffentliche Erscheinen des offenbar „altersschwachen“ Biden nicht gut ankommen, spekuliert Hume. Letztlich würde Biden Trump mit einem solchen Auftreten eher einen Gefallen tun.

Journalist und Satiriker Greg Gutfeld zog bei Fox News noch stärker vom Leder. Biden solle „auf eine Weide gehen“ und sterben, lästerte Gutfeld unflätig. Die Abkürzung des Senders BBC, den sich Biden für sein Interview ausgesucht hatte, stehe für „Biden: Bury or Cremate“ („Biden: Beerdigung oder Einäscherung“), ging es im selben Tonfall weiter, es ist von „Gruft“ die Rede. Das erneut Auftreten von Biden wirke zudem wie ein politischer Kater („Hangover“): Man solle sich daran erinnern, welche „Abscheulichkeit“ seine Präsidentschaft gewesen sei, so Gutfeld. (mit dpa/afp)