Die Worte über Belém zeigen: Der Bundeskanzler muss seine Sprache an die Bedeutung seines Amtes anpassen.
Brasilien-AussageMerz’ Stammtisch-Sprüche werden zum Problem


Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) steht nach Aussagen über die brasilianische Stadt Belém in der Kritik. (Archivbild)
Copyright: Kay Nietfeld/dpa
Friedrich Merz ist seit gut sechs Monaten Bundeskanzler, aber er hat eine entscheidende Anforderung an sein Amt noch nicht verstanden: Über die Wirkung seiner Worte nachzudenken, bevor er etwas sagt.
Nun hat er in einer Abwandlung seiner missglückten „Stadtbild“-Metapher für Versäumnisse der deutschen Migrationspolitik das brasilianische Belém als Austragungsort der Weltklimakonferenz beleidigt. Kurz vor seiner Reise an diesem Wochenende zum G20-Gipfel in Südafrika und anschließendem Gipfel der EU und der Afrikanischen Union in Angola sorgt das für internationale Irritationen.
Vermutlich hat er es wieder nicht so gemeint. Aber auf Dauer wird es ein Problem, wenn der Regierungschef der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt Vermittler braucht, die seine eigentlichen Beweggründe übersetzen. Oder wie jetzt im Rentenstreit erst dies und dann das sagt. Oder die vermeintliche Meinung anderer zitiert, um die eigene als anerkannt richtig darzustellen.
Merz war am 7. November für einen Aufenthalt von 21 Stunden nach Belém geflogen. Zeit, die Stadt zu erkunden, hatte er nicht. Mitreisende Journalisten übrigens auch nicht. Was blieb, war die Autofahrt zum Gipfelgelände und vom Hotel zum Flughafen. Vorbei an Häusern und Geschäften, die zum Schutz vor Diebstahl vergittert waren. Durch Straßen mit wenig Beleuchtung und Alleen mit traumhaft schönen Mangobäumen. Auf der COP 30 selbst gab es Kontakte zu Brasilianern, die diesen schwierigen Gipfel – ohne ernsthafte Beteiligung der USA – trotzdem begeistert ausrichten und hoffen, dass die Welt am „Tor zum Amazonas“ die Verschärfung des Klimawandels erkennt, wenn der Regenwald weiter abgeholzt wird.
Belém hat Merz gar nicht groß gesehen
Das neoklassizistische Theater, den beeindruckenden Naturpark am Flussufer, die Basilika von Nazareth, das umgebaute Hafenviertel mit Restaurants und Bars, die Menschen hier zwischen Lebensfreude, Warmherzigkeit, Armut, Kriminalität, Müll und Umweltbelastungen – all das hat Merz nicht erlebt.
Zurück in Berlin hat er dann dies öffentlich gesagt: „Ich habe einige Journalisten, die mit mir in Brasilien waren, letzte Woche gefragt: Wer von euch würde denn gerne hierbleiben? Da hat keiner die Hand gehoben. Die waren alle froh, dass wir vor allem aus diesem Ort, wo wir da waren, wieder nach Deutschland zurückgekehrt sind.“
Erstens: Bundeskanzler und Journalisten duzen sich nicht. Zweitens: Die Frage wurde höflichkeitshalber ignoriert. Es stimmt zwar, dass auch Journalisten nach einer Dienstreise wieder in ihre Heimat zurückkehren möchten. Das aber hat nichts mit einer Einstellung zu der jeweiligen Stadt zu tun, in der sie wegen der knappen Zeit nichts außer dem Konferenzgelände oder einem Regierungsgebäude sehen.
Merz haut etwas raus – und setzt die Union unter Stress
Was der Kanzler wohl ausdrücken wollte: Deutschland geht es so gut, könnten nicht alle etwas dankbarer dafür sein.
Dass Merz etwas raushaut, als säße er am Stammtisch, setzte die Union schon unter Stress, als er Oppositionsführer war. Söhne von Migranten, die Lehrerinnen Probleme machten, nannte er „kleine Paschas“. Er mag die Klage von Betroffenen aufgenommen haben, aber es half den Schulen in ihrem komplizierten Alltag nicht und heizte die Stimmung gegen zugewanderte Eltern an. Flüchtlinge nähmen den Deutschen die Termine beim Zahnarzt weg, war noch so ein Spruch. Zahnarztpraxen widersprachen, aber es zahlte auf den Groll gegen Geflüchtete ein.
Als Bundeskanzler haben seine Äußerungen jedoch eine andere Dimension. Für den Regenwald, der auch Deutschlands Lunge ist, hat Merz noch nichts geliefert außer einer Ankündigung, sich irgendwie an einem Fonds zu beteiligen. Ansonsten bleibt in Brasilien nun leider ein Deutschland-Bild von Ausländerfeindlichkeit und Arroganz hängen. (rnd)

