Noch nie sind Bundestagswahl und Karneval zusammengefallen. Wir haben prominente Jecke gefragt, wie sich diese Session für sie anfühlt.
„Allerletzter Warnschuss“Kölner Karnevalisten über ihre Ängste und Hoffnungen vor der Wahl

Musiker Peter Brings positioniert sich auch in den Sitzungssälen klar gegen Rechtsextremismus.
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2025 ist eine besondere Session: Erstmals fällt eine Bundestagswahl in die Karnevalszeit. Aber Karneval ist seit jeher auch politisch, das zeigen nicht zuletzt die Mottowagen. Wir haben Prominente gefragt, was ihnen mitten im Wahlkampf durch Kopf und Herz geht – und was sie sich von der neuen Regierung wünschen.
Juri Rother, Planschemalöör
Es ist eine gute Zeit, um sich daran zu erinnern, dass Karneval einen politischen Ursprung hat. Das ausgelassene Feiern, sich kostümiert in den Armen zu liegen und politische Gedanken und Einflüsse schließen sich nicht aus. Das ist besonders dieses Jahr eine wichtige und auch schöne Eigenschaft.
Ich habe das Gefühl, dass sich Menschen dieses Jahr mehr mit Politik beschäftigen als sonst und merke das in meinem Freundeskreis und auch bei mir selbst. Vielen ist bewusst, wie prekär die Situation ist und auch, dass wir in einem Umbruch leben. Das macht mir Hoffnung.

Juri Rother
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Auf der andere Seite spüre ich im Alltag in der realen Welt, aber auch online, dass die Spaltung der Gesellschaft zunimmt, das Wording immer leichtfertiger rechte Gesinnung spiegelt. Ich habe Angst, dass das, was wir mal als rassistisch wahrgenommen haben, gesellschaftlich akzeptiert und normalisiert wird. Ich wünsche mir von der künftigen Regierung, dass die Themen behandelt werden, die wichtig sind – wie beispielsweise Bildung, Umwelt und Familien.
Ich wünsche mir grundsätzlich menschenfreundliche, keine reaktionäre, populistische Politik, die über Ängste und Sorgen der Bevölkerung funktioniert. Ich wünsche mir, dass wieder faktenbasierter und konstruktiver miteinander gesprochen und der politische Diskurs nicht mehr von Hass und Hetze dominiert wird.
Biggi Wanninger, Stunksitzungs-Präsidentin
Leider wurde der Wahltermin nicht mit dem närrischen Volk abgesprochen. Bei der Stunksitzung reagieren wir aktuell.
Am kommenden Sonntag werden wir uns gemeinsam mit dem Publikum die ersten Prognosen um 18 Uhr auf der Leinwand ansehen. Das wird spannend. Wir sind natürlich darauf vorbereitet, die ein oder andere Nummer nach der Wahl anders zu spielen.

Biggi Wanninger
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Was mir Hoffnung macht: Hunderttausende sind in den letzten Wochen gegen Rechts auf die Straße gegangen. Wir sind mehr. Sorge macht mir allerdings die Politikverdrossenheit. Nichtwählen ist aber keine gute Option.
Wie die nächste Regierung aussieht, ist noch völlig unklar. Auf jeden Fall wäre eine respektvolle Gesprächs- und Debattenkultur angebracht, die sich – statt Stimmungen zu bedienen – an Fakten orientiert.
Nici Kempermann, Kempes Feinest
Es ist schon spannend, wie sich das alles dieses Jahr in der Session anfühlt. Auch die Gespräche mit den Kollegen sind viel politischer gelagert als sonst die Jahre.
Gerade unter uns Musikern fühlt man in den Gesprächen so sehr den Wunsch nach Demokratie, nach mehr miteinander sprechen und sich auch auf verschiedene Blickwinkel einlassen und nicht alles gleich verurteilen. Aber auch ein bisschen Angst, wohin sich nicht nur unser Land, sondern auch der Rest der Welt entwickelt.

Nici Kempermann
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Ich glaube weiterhin daran, dass der Karneval ein perfektes Bild dafür liefert, wie bunt und schön diese Welt sein kann. Natürlich müssen auch ernste Themen auf den Tisch und Lösungen gefunden werden, damit unsere Umwelt und unsere Wirtschaft weiter funktionieren können.
Aber wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann mehr Liebe und weniger Hass. Mehr Miteinander statt Gegeneinander.
Basti Campmann, Kasalla
Der Karneval ist ein Spiegelbild der Gesellschaft, insofern fühlt es sich überhaupt nicht komisch an, in dieser Zeit karnevalistisch unterwegs zu sein. Für uns ist das ja mittlerweile Alltag. Der Karneval gibt uns die Möglichkeit, ins Gespräch zu kommen, sowohl vor als auch hinter der Bühne. Diese nutzen wir auch für klare Statements – die sind uns wichtig, weil wir Multiplikatoren sind. Als jemand, der vor vielen Menschen spricht, haben wir eine besondere Verantwortung in diesen Zeiten. Diese klammern wir nicht aus, sondern sie ist integraler Bestandteil und versteht sich sehr gut mit dem gemeinsamen Feiern.
Die Sorgen sind nicht nur auf Deutschland bezogen: Man hat das Gefühl, in einer verrückten Netflix-Serie zu sein, wenn man sieht, was in der Weltpolitik passiert. Die macht mir natürlich Sorgen, genauso wie mächtige Persönlichkeiten wie Elon Musk. Auch die 20 Prozent, die die AfD vermutlich wählen werden, sind erschreckend für mich. Doch es bedeutet gleichzeitig, dass 80 Prozent sie nicht wählen.

Basti Campmann
Copyright: Dirk Borm
Das ist der Hoffnungsschimmer für mich. Ich habe auch die Hoffnung, dass das Getöse um diese Partei aufhört. Je lauter wir schreien, wenn die AfD was sagt, desto mehr nähren wir sie. Es entsteht der Eindruck, der Diskurs würde komplett bestimmt von dieser Partei und deren Wählern. Es ist zwar eine relevante Gruppe, aber es ist nicht die Mehrheit, die diese antidemokratische Partei wählt.
Ich hoffe, dass ab Sonntagabend eine stabile Mehrheitsfindung möglich wird und nicht eine merkwürdige Situation entsteht, in der seltsame Kombinationen entstehen, mit denen man nicht stabil regieren kann. Und ich habe die Hoffnung, dass die Politiker den aller letzten Warnschuss gehört haben und den Menschen besser zuhören.
Peter Brings, Brings
Die AfD, Trump, die Rede von US-Vizepräsident Vance, in der er mit Europa abrechnet – eigentlich wird in den Sitzungssälen und auch bei uns im Tourbus über nichts anderes geredet. Nach 25 Jahren im Karneval ist das erste Mal parallel Wahlkampf – und wir haben als eine von wenigen Bands ein politisches Lied im Gepäck.
In „Su lang die Welt sich drieht“ singen wir ja davon, dass wir zu lange gepennt haben und jetzt zusammenhalten müssen und für die Demokratie und unsere Freiheit auf die Straße gehen. Das kommt super an – mit einer Million Klicks auf den Streamingplattformen ist das Lied ein kleiner Karnevalshit.

Peter Brings
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Wenn wir in „Kleine Sünderlein“ singen, dass wir mal rot und mal schwarz sind, es aber Rabatz gibt, wenn es braun wird, sehe ich besonders viele Frauen mitsingen und die Faust ballen. Da geht mir das Herz auf.
Ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass es am Sonntagabend kein böses Erwachen gibt, dass wir weiter in einem friedlichen Land und einem freien Europa leben. Der Karneval steht für Toleranz und Vielfalt, er war immer auch politisch. Man muss keinem sagen, wo er sein Kreuz machen soll – aber auf keinen Fall bei den Rassisten und Faschisten!
Marita Köllner, Sängerin
Diese Session war es definitiv politischer als sonst. Ich werbe bei meinen Auftritten dafür, dass die Menschen wählen gehen. Dafür gibt es immer großen Applaus. Das ist für mich die erste Priorität: wählen gehen, damit am Ende nicht nur eine Minderheit die Parteien gewählt hat.
Am Sonntag werde ich im vollen Ornat zwischen zwei Auftritten in meine Wahlstube gehen, das wird auch besonders. Was mich vor allem sorgt, sind die vielen Ängste in der Bevölkerung. Meine schwulen Freunde haben große Angst, stärker diskriminiert zu werden, wenn die AfD mehr Macht gewinnt.

Marita Köllner
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Menschen, die hier gut integriert sind, dürfen auf keinen Fall abgeschoben werden. Mein Apotheker ist Türke, solche Mitbürger brauchen wir doch dringend. Meine älteren Freunde im Griechenmarktviertel haben Angst, dass sie mit ihrer Rente nicht klarkommen, einige gehen mit großer Scham Flaschen sammeln.
Ich glaube, dass die Wahlbeteiligung am Sonntag hoch sein wird: Das macht mir Hoffnung. Die künftige Regierung muss die Ängste der Menschen verringern, Probleme anpacken und die Wirtschaft ankurbeln. Kein Wischi-Waschi mehr.
Volker Weininger, Redner

Volker Weininger
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Inhaltlich macht der Wahlkampf für mich persönlich auf der Bühne keinen Unterschied zu den anderen Jahren, weil ich mich thematisch nicht mit aktuellen politischen Themen beschäftige. Sorge macht mir, dass die populistischen Kräfte zu viel Einfluss bekommen könnten mit ihren vermeintlich einfachen Lösungen für sehr komplexe Probleme. Ich hoffe sehr, dass es der neuen Regierung gelingt, wieder mehr Zusammenhalt und Miteinander in der Gesellschaft zu erreichen.
Jojo Berger, Querbeat

Jojo Berger
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Bei Vertrauensverlust in Institutionen und Politik können Kunst, Kultur und Karneval den wichtigen Teil der Welt übernehmen, in dem Visionen und Utopien in Farben und Tönen vorgelebt werden! Und die positiven Perspektiven, das gute Leben, im täglichen Struggle nicht aus den Augen verloren wird.Ich wünsche mir mit dem Wahlergebnis die Rückkehr zur Basis von Demokratie: Menschenrechte, Miteinander, Empathie.