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Kommentar

Israel und Iran
Wegsehen ist trotz der verfahrenen Lage keine Option für die Bundesregierung

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Lesezeit 3 Minuten
Rettungskräfte und israelische Soldaten begutachten die Schäden und suchen nach Opfern, nachdem eine iranische Rakete in Rishon Lezion eingeschlagen ist und dabei mindestens zwei Menschen getötet und mehrere weitere verletzt wurden.

Rettungskräfte und israelische Soldaten begutachten die Schäden und suchen nach Opfern, nachdem eine iranische Rakete in Rishon Lezion eingeschlagen ist und dabei mindestens zwei Menschen getötet und mehrere weitere verletzt wurden. 

Europas Mittelmächte sind im schwelenden Konflikt zwischen Israel und dem Iran nur Nebendarsteller. 

Wie verfahren die Lage ist, zeigt eine Meldung vom 11. Februar 2005 (!). Damals ermahnte der grüne Außenminister Joschka Fischer den Iran, auf sein Atomprogramm zu verzichten und demokratische Reformen voranzutreiben. Würde das Mullah-Regime im Gegenzug mehr Handel treiben können, werde es im Nahen Osten „auf der Gewinnerseite“ stehen. Es stehe jedenfalls am Scheideweg und dürfe „sich nicht verrechnen“, so Fischer vor über 20 Jahren.

Der aktuelle Außenminister Johann Wadephul ist der siebte Amtsinhaber nach ihm. Und es scheint sich nichts verändert zu haben. Tatsächlich hat sich aber eine Menge verändert, und das nicht nur, weil zwischen Israel und dem Iran seit zwei Tagen offener Krieg herrscht. Die Islamisten in Teheran stehen dem Vernehmen nach kurz davor, Atomwaffen zu entwickeln.

Eskalation zwischen Israel und dem Iran: Europas Mittelmächte sind nur Nebendarsteller

Überdies sind sie sehr geschwächt: Ihre Verbündeten, die Hisbollah im Libanon und die Hamas in Gaza, sind vernichtend geschlagen, Syrien hat sich nach dem Sturz Baschar al-Assads abgewandt. Unterdessen ist Israel mit einer in Teilen rechtsextremistischen Regierung unter Opfern zur Regionalmacht aufgestiegen.

Und auch das ist anders geworden: Während Deutschland, Frankreich und Großbritannien seinerzeit mit dem Iran über ein Abkommen verhandelten, in dem das Land sein umstrittenes Atomprogramm aufgeben und im Gegenzug Handelserleichterungen bekommen sollte, spielen Europas Mittelmächte nur noch am Rande eine Rolle.

Ausschlaggebend ist allein, was der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu tut – und ob er die Rückendeckung von US-Präsident Donald Trump hat. Die gegenwärtige ist wie die vorherige Bundesregierung faktisch ohne Einfluss. Ihren Vertretern geht es vielmehr wie Menschen in einem Zimmer, in dem zu viele Möbel stehen. Sie können überall anecken. Dies gilt umso mehr, als das Existenzrecht Israels deutsche Staatsräson bleibt.

Natürlich geht es um völkerrechtliche Lösungen. Die aber sind längst so weit entfernt wie die Zwei-Staaten-Lösung für Israelis und Palästinenser. Die Akteure haben sämtliche roten Ampeln bereits vor langer Zeit überfahren und mehr oder minder alle Regeln außer Kraft gesetzt. Ein Zurück in den Status der Unschuld kann man sich wünschen. Helfen wird es nicht.

Iranisches Atomprogramm muss enden – doch dieses Ziel ist illusionär

Im Kern muss es jetzt um ein Ende des Krieges ebenso gehen wie um ein Ende des iranischen Atomprogramms. Beide Ziele unter einen Hut zu bringen, erscheint indes nahezu illusionär. Schließlich verfolgt Netanjahu mittlerweile offenbar das Ziel, die Mullahs zu stürzen. Das wiederum wäre völkerrechtlich nicht legitimiert, vielen Iranern allerdings fraglos recht.

Gleiches gilt für die zahlreichen Exil-Iraner in Deutschland – und wohl nicht zuletzt für die Bundesregierung. Man darf nicht vergessen, dass die Mullahs Verbündete Russlands sind und Präsident Wladimir Putin in seinem Krieg gegen die Ukraine unterstützen. Ein rascher Regime-Change in Teheran wäre vermutlich im Sinne aller Beteiligten, außer der Betroffenen.

Ein langer Krieg ist es hingegen weder für die gebeutelten Menschen in der Krisenregion Nummer eins auf dem Globus noch für den Rest der Welt, auch nicht für Deutschland. Letzteres gilt ökonomisch. Im Zuge des Krieges steigen die Ölpreise. Transportwege in der Luft und auf See werden massiv beeinträchtigt. Das ist schlecht für eine Exportnation, deren Wirtschaft gerade wieder Aufwind verspürt.

Es gilt darüber hinaus innenpolitisch. Denn Deutschland wird – letztlich mit Recht – als Verbündeter Israels wahrgenommen. Die Folge sind wachsende Israelfeindlichkeit und Polarisierung bei uns. All das spricht für eine aktive Rolle der deutschen Politik. Wegsehen ist keine Option.