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Sohn nach 584 Tagen frei„Unbeschreibliche Qualen“ – Familie schildert Details aus Hamas-Geiselhaft

Lesezeit 4 Minuten
Edan Alexander umarmt nach seiner Freilassung Familienmitglieder. Details zur Gefangenschaft des 21-Jährigen sind mittlerweile bekannt geworden. (Archivbild)

Edan Alexander umarmt nach seiner Freilassung Familienmitglieder. Details zur Gefangenschaft des 21-Jährigen sind mittlerweile bekannt geworden. (Archivbild)

Edan Alexander ist frei – nun werden Details zur Hamas-Geiselhaft bekannt. Auf Dank für Benjamin Netanjahu verzichtet die Familie. 

Die Eltern des am Montag freigelassenen amerikanisch-israelischen Doppelstaatlers Edan Alexander haben sich zu den Bedingungen während der Hamas-Geiselhaft ihres Sohnes geäußert. Alexander, der bei seiner Entführung in den Gazastreifen gerade einmal 19 Jahre alt war, habe seinen Eltern „von den unbeschreiblichen Qualen und der täglichen Angst“ erzählt, die nächste Nacht „nicht zu überleben“. Zudem habe ihr Sohn „von Hunger, Wassermangel und schrecklichen sanitären Bedingungen“ berichtet, sagte seine Mutter Yael Alexander. Die Schilderungen ihres Kindes hätten der Familie „das Herz gebrochen“, führte sie aus.

Der mittlerweile 21 Jahre alte Edan Alexander war zu Wochenbeginn nach 584 Tagen in Gefangenschaft im Gazastreifen freigelassen worden. Er war bei dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 von den Terroristen verschleppt worden, während er Dienst in der Golani-Brigade der israelischen Armee leistete.

Edan Alexander: 584 Tage in Gefangenschaft der Hamas

Auch zur Verpflegung Alexanders wurden mittlerweile Details bekannt: Der Speiseplan habe überwiegend aus Bohnen, Reis und Fladenbrot bestanden. Während des letzten Waffenstillstands habe es ab und zu auch Fleisch gegeben, berichtete der TV-Sender Channel 12. Besonders brisant sei unterdessen der Einsturz eines Tunnels gewesen, in dem er zwischenzeitlich gefangen gehalten worden war. Alexander sei dabei nur knapp dem Tod entkommen, hieß es weiter. 

Insbesondere zu Beginn der Geiselhaft sei Alexander außerdem Folter ausgesetzt worden, einige ihm damals zugefügte Wunden sind auch nach seiner Freilassung noch sichtbar. Für lange Zeit sei der damals 19-Jährige zudem gefesselt geworden und habe einen Sack über dem Kopf tragen müssen, berichteten israelische Medien weiter. Wegen seiner amerikanischen Staatsbürgerschaft sei er von der Hamas als „Trumpf“ bezeichnet worden, oftmals sei er nur als „der Amerikaner“ angesprochen worden. 

Mutter über Geiselhaft: „Jeder Moment hätte der letzte sein können“

„Das schrecklichste Geräusch von allen – das, was Edan am meisten fürchtete – war der Lärm des Krieges, der über ihren Köpfen tobte: ohrenbetäubende Explosionen, das Pfeifen von Raketen, Geräusche des Einsturzes, des Zerbröckelns und der bebenden Erde“, sagte Yael Alexander der „Jerusalem Post“ und fügte an: „Jeder Moment hätte der letzte sein können.“

Die Freilassung ihres Sohnes mache sie überglücklich, erklärte die Familie zudem. „Es ist ein Geschenk Gottes zu wissen, dass sein Leid ein Ende hat“, sagte sein Vater Adi Alexander vor Journalisten in Tel Aviv. „Es ist wunderbar, dass Edan zu Hause zu ist“, führte er weiter aus. Auch seine Frau Yael zeigte sich überwältigt vor Freude. „Die Zeit stand still“, als sie ihren Sohn nach seiner Freilassung umarmt habe, sagte die Mutter.

Edan Alexander veröffentlicht Selfie: „Home Sweet Home“

Die ehemalige Hamas-Geisel äußerte sich unterdessen noch nicht persönlich zu der Zeit im Gaza-Streifen. Laut israelischen Medien veröffentlichte Alexander jedoch bei Instagram ein Foto, dass ihn mit einem Bier in der Sonne sitzend zeigt. „Home Sweet Home“, schrieb Alexander demnach zu der Aufnahme. 

Alexanders Eltern dankten derweil US-Präsident Donald Trump für seine Unterstützung. Die US-Regierung habe „Tag und Nacht daran gearbeitet haben, alle Geiseln nach Hause zu bringen“, sagte Yael Alexander und dankte außerdem der israelischen Armee und den beteiligten Mitarbeitern des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet. Auf Dank für den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu verzichtete die Familie hingegen.

Familie verzichtet auf Dank für Benjamin Netanjahu

Der Druck auf Netanjahu steigt in Israel unterdessen weiter: 67 ehemalige Geiseln haben den israelischen Ministerpräsidenten nun zu einem Deal mit der Hamas über die Freilassung der restlichen Entführten im Gazastreifen aufgerufen. In einem offenen Brief mit der Überschrift „Ein Aufruf, Geschichte zu schreiben“, war die Rede von einer historischen Gelegenheit nach der jüngsten Freilassung Alexanders.

„Die Mehrheit der israelischen Gesellschaft will die Geiseln zurück – selbst um den Preis, die Militäroperationen zu beenden“, schrieben die Ex-Geiseln. „Sie glaubt an die Heiligkeit des menschlichen Lebens und an die größte Bedeutung, die Gefallenen für ein würdiges Begräbnis nach Israel zurückzubringen.“

„Befreit alle unsere Brüder und Schwestern aus ihrem Alptraum – unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit“, forderten die Unterzeichner außerdem. Nur die sofortige Rückkehr aller Geiseln durch ein verhandeltes Abkommen könne „die Grundlage für Hoffnung, Einheit und die Erneuerung unserer Nation schaffen.“ Nach israelischen Angaben werden derzeit noch mindestens 20 Geiseln lebend im Gazastreifen festgehalten. (mit dpa/afp)