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Während Geiselhaft im GazastreifenJunge musste sich wohl Videos von Hamas-Gräueltaten anschauen

Lesezeit 4 Minuten
Der zwölfjährige Eitan Yahalomi nach seiner Freilassungen aus der Hamas-Geiselhaft mit seiner Mutter. (Archivbild)

Der zwölfjährige Eitan Yahalomi nach seiner Freilassungen aus der Hamas-Geiselhaft mit seiner Mutter. (Archivbild)

Wochen verbrachten die freigelassenen Geiseln in Gaza. Jetzt schildern Angehörige, was ihnen widerfahren ist.

Ein zwölfjähriger Junge wurde während seiner 52-tägigen Geiselnahme durch die Hamas dazu gezwungen, sich Videos von den Gräueltaten des 7. Oktober anzusehen, das berichtet die Tante des Jungen gegenüber dem französischen TV-Sender BFM. Am 7. Oktober hatte die Terrororganisation Hamas israelische Siedlungen und ein Musikfestival attackiert und hunderte Menschen auf brutalste Weise gefoltert, vergewaltigt und getötet. Mehr als 230 Israelis wurden von den Terroristen zudem in den Gazastreifen verschleppt und als Geiseln gefangen gehalten.

Seit Freitag gilt eine Feuerpause in Gaza. Im Gegenzug hat die Hamas begonnen, Geiseln freizulassen. Israel entlässt derweil palästinensische Häftlinge aus Gefängnissen. Unter den nun freigelassenen Geiseln war auch der zwölfjährige Eitan Yahalomi, der zusammen mit seinem Vater Ohad Yahalomi, der nach wie vor von der Hamas gefangen gehalten wird, aus dem Kibbuz Nir Oz entführt worden war.

Israel: Tante berichtet über Hamas-Geiselhaft ihres Neffen

Am Montagabend konnte der Junge schließlich seine Angehörigen wieder in die Arme schließen. Deborah Cohen, die Tante des Jungen, erklärte dem „Guardian“ nach dem Wiedersehen, ihr Neffe habe in Händen der Hamas „Grauen“ erlitten.

Eitan Yahalomi (M.) mit seiner Mutter (l.) am 28. November im Sourasky Medical Center in Tel Aviv.

Eitan Yahalomi (M.) mit seiner Mutter (l.) am 28. November im Sourasky Medical Center in Tel Aviv.

„Die Hamas hat ihn gezwungen, Videos über die Schrecken zu sehen, die niemand sehen will, sie haben ihn gezwungen, sie zu sehen“, sagte Cohen gegenüber BFM. „Jedes Mal, wenn ein Kind weinte, bedrohten sie es mit einer Waffe, um es zum Schweigen zu bringen.“ Sie hab während der Geiselhaft ihres Neffen gehofft und daran glauben wollen, dass Eitan „gut behandelt“ werde, fügte sie an. „Offensichtlich nicht. Diese Leute sind Monster.“

Geiselhaft in Gaza: „Jedes Mal, wenn ein Kind weinte, bedrohten sie es mit einer Waffe“

Die Familie des Zwölfjährigen, einschließlich seiner Mutter und seiner beiden Schwestern im Alter von zehn und 20 Monaten, war am 7. Oktober von Hamas-Terroristen entführt worden. Während der Vater bei einem Schusswechsel verwundet und zusammen mit Eitan nach Gaza gebracht wurde, konnte die Mutter mit den beiden Schwestern entkommen, berichtet der britische „Guardian“ über den Fall.

Der brutale Umgang mit den Geiseln sei bereits kurz nach der Ankunft im Gazastreifen deutlich geworden, schilderte die Tante des Jungen seine Erzählungen. Demnach wurde der Zwölfjährige von Zivilisten im Gazastreifen bei seiner Ankunft geschlagen. „Als er in Gaza ankam, wurde er von Zivilisten angegriffen. Er ist ein zwölfjähriges Kind“, sagte Cohen.

Feindseligkeiten gegen Geiseln: „Als er in Gaza ankam, wurde er von Zivilisten angegriffen“

Die Schilderungen gehören zu den ersten Berichten über die Geiselhaft im Gazastreifen. Am Montag hatten sich Israel und Hamas darauf geeignet, die Feuerpause um zwei weitere Tage zu verlängern. Auch weitere Geiseln und palästinensische Gefangene sollen freigelassen werden.

Auch Ruti Munder berichtete über ihre Geiselhaft im Gazastreifen. Sie sei in einem „erstickenden“ Raum gefangen gehalten worden, erklärte die 78-Jährige. Nahezu 50 Tage lang habe sie auf Plastikstühlen mit einem Laken geschlafen. Ihr Ehemann Avraham ist weiterhin als Geisel der Hamas in Gaza.

Anfangs habe es „Hühnchen mit Reis, Konserven und Käse“ gegeben

Anfangs hätten die Geiseln „Hühnchen mit Reis, Konserven und Käse“ bekommen, sagte Munder dem israelischen Sender Channel 13. Kinder hätten auch Süßigkeiten bekommen. Das habe sich jedoch geändert, als die Lage im Gazastreifen sich weiter verschlechtert habe, erklärte die 78-Jährige.

Auch ihr Neffe, Shahar Mor, äußerte sich zu den Haftbedingungen seiner Familienmitglieder. Es habe Aspekte gegeben, die man „fair“ nennen könnte, erklärte Mor auf einer Pressekonferenz in London. „Sie versuchten, ihnen so viel Essen wie möglich zu geben“, zitierte der „Guardian“ die Schilderung. Es habe „humane Gesten“ gegeben, führte Mor demnach aus.

„Das ist wichtiger als ein Kartenspiel oder eine Schüssel Reis“

Das ändere jedoch nicht, dass die Hamas seinen Cousin Roee, den Sohn der befreiten Ruti Munder, getötet haben, betonte Mor. „Sie hätten meinem Cousin das Leben schenken können, anstatt es zu nehmen. Das ist wichtiger als ein Kartenspiel oder eine Schüssel Reis.“

Menschen schwenken israelische Fahnen, während ein Hubschrauber mit Geiseln, die von der Hamas aus dem Gazastreifen frei gelassen wurden, auf dem Hubschrauberlandeplatz des Schneider Children's Medical Center landet.

Menschen schwenken israelische Fahnen, während ein Hubschrauber mit Geiseln, die von der Hamas aus dem Gazastreifen frei gelassen wurden, auf dem Hubschrauberlandeplatz des Schneider Children's Medical Center landet.

Auch am Mittwoch wird die Freilassung weiterer Geiseln erwartet. Israel hat wiederholt versichert, alle der rund 240 Geiseln befreien zu wollen. Bei den bisherigen Freilassungen, die seit Freitagabend täglich stattgefunden haben, entließ die Hamas überwiegend Frauen und Kinder aus der Geiselhaft.

Zehn Monate altes Baby weiterhin als Geisel im Gazastreifen

Die jüngste Geisel, ein zehn Monate altes Baby, das zusammen mit seinem vierjährigen Bruder entführt wurde, befinden sich unterdessen immer noch in den Händen der Hamas. Die beiden Kinder waren zusammen mit ihren Eltern aus Nir Oz von den Terroristen entführt worden.

Deutschland bemüht sich unterdessen weiter im Hintergrund um die Freilassung weiterer deutscher Geiseln, nachdem am Dienstag eine deutsche Geisel freigekommen war. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bat am Mittwoch in Katar, das die bisherigen Geisel-Freilassungen vermittelt hatte, um Hilfe.

„Ich bin sicher nach diesem Gespräch, dass Katar alles unternehmen wird, um auch zur Freilassung der deutschen Geiseln beizutragen“, sagte Steinmeier nach einem Treffen mit Emir Tamim bin Hamad Al Thani. „Aber wir müssen verstehen, in einer solch schwierigen Verhandlungssituation kann es dazu auch keine Garantien geben.“