Trotz eindringlicher Warnungen feuerte das US-Militär bei einer Übung Geschosse über eine Autobahn ab. Die Splitter treffen ein Polizeiauto. Doch das Weiße Haus beschimpft den Demokraten.
„Verantwortungslos“Hochpolitischer Zwischenfall in den USA – Granate explodiert bei Militärübung

US-Vizepräsident JD Vance spricht mit Reportern bei seiner Ankunft auf dem Joint Base Andrews, nachdem er an der 250-Jahr-Feier des Marine Corps in Camp Pendleton in Kalifornien teilgenommen hat. (Archivbild)
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Die Show, die der amerikanische Vizepräsident J.D. Vance von einer mit Sandsäcken geschützten Plattform am südkalifornischen Strand aus beobachtete, wirkte spektakulär: Kriegsschiffe kreuzten am Horizont. Bomber schossen durch die Luft. Ein dutzend Amphibienboote tauchten aus dem Pazifik auf und spuckten Haubitzen aus, die kurz darauf mit donnerndem Knall ihre 155-Millimeter-Geschosse abfeuerten. Vance war begeistert: Nachdem der woke „Mist“ abgeräumt sei, könne die Marine endlich wieder „ihre beste Arbeit leisten“, lobte er.
Doch einen Kilometer weiter kam die militärische Übung aus Anlass des 250. Geburtstags der Teilstreitkraft gar nicht gut an. Dort hatten Polizeibeamte plötzlich das Gefühl, dass Kieselsteine vom Himmel herunterschossen. Offenbar war eine Granate in der Luft vorzeitig explodiert. Ihre mehrere Zentimeter großen Splitter schlugen auf der Kühlerhaube eines Autos und neben einem Motorrad der California Highway Patrol ein, die zum Begleitschutz des Vizepräsidenten abgestellt waren und auf einer Autobahnauffahrt standen.
USA: Granate explodiert bei Militärübung – Zwischenfall hat hochpolitischen Hintergrund
Wie durch ein Wunder wurde bei dem Vorfall am Samstag, der erst einen Tag später durch amerikanische Medienberichte über den Polizeibericht bekannt wurde, niemand verletzt. Die Marine kündigte eine Untersuchung an. „Wir sind entschlossen, die Ursache aufzuklären und die Erkenntnisse für künftige Einsätze zu nutzen“, erklärte ein Sprecher lapidar. Das Büro von Vance äußerte sich nicht. Der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom nannte die Aktion „verantwortungslos“.
Doch der Zwischenfall hat einen hochpolitischen Hintergrund. Der Abschuss der 155-Millimeter-Granaten war schon zuvor hochumstritten gewesen. Unmittelbar hinter dem Übungsgelände der Marine bei Camp Pendleton verläuft nämlich die stark befahrene Küstenautobahn I-5. Um die Küstenlandemission für den Vizepräsidenten und den ebenfalls anwesenden Verteidigungsminister Pete Hegseth realistisch wirken zu lassen, hatte die Marine den Abschuss von Granaten vom Strand in Richtung des Landesinnere über die Autobahn hinweg geplant.
Der Präsident stellt sein Ego über die Verantwortung für die öffentliche Sicherheit.
Der demokratische Gouverneur Newsom hatte frühzeitig vor dieser Show gewarnt: Ein solches Luftmanöver über der Hauptverkehrsader zwischen Los Angeles und San Diego, die täglich von zehntausenden Fahrzeugen genutzt wird, sei „gefährlich“, mahnte er. Doch die Einwände des Politikers wurden vom Militär abgewimmelt und in Washington mit giftigen politischen Attacken beantwortet.
Zwischen Newsom und dem Weißen Haus wurden wilde Online-Posts ausgetauscht. „Der Präsident stellt sein Ego über die Verantwortung für die öffentliche Sicherheit“, monierte der Demokrat. Er kündigte an, dass er die Autobahn für die Dauer des Haubitzen-Manövers vorsorglich sperren werde.
Trumps Propagandaabteilung beleidigte den Demokraten daraufhin bei X ganz im Stil des Präsidenten als „Newscum“ (eine Vermischung des Namens mit dem Wort "Abschaum") und behauptete, der Gouverneur lüge, um politische PR-Punkte zu machen.
Doch Newsom ließ sich nicht einschüchtern. Er schloss für knapp eine Stunde einen 27 Kilometer langen Autobahnabschnitt. Damit verursachte er lange Staus. Möglicherweise hat er damit Leben gerettet. „Das könnte jemand getroffen haben“, empörte sich der Gouverneur bei X: „Zweifelsohne ist eine Entschuldigung fällig - nicht nur bei den Kaliforniern, sondern bei allen Amerikanern.“ Doch darauf kann man bei Donald Trump lange warten. (rnd)