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Im wilden OstenWutbürgerin mit Bagger

Lesezeit 2 Minuten

Sie verlor die Geduld und ließ den Bagger anrücken: Regine Töberich

Köln – Es gibt nichts, worüber in Dresden leidenschaftlicher gestritten wird als über Architektur. In Dresden ist Architektur keine Wiese für sachliche Debatten, sondern ein Schlachtfeld. Sogar die Lokalzeitungen neigen zum Überschwang („Kahlschlag“), sobald jemand auch nur einen Sandstein versetzen will oder die Leute vom Grünflächenamt mit der Säge ausrücken.

Der Kölner, dessen ganzes Stadtarchiv in einer U-Bahn-Baugrube verschwunden ist, mag darüber nur den Kopf schütteln. Doch der Dresdner reagiert schon bei kleineren Veränderungen der Stadtarchitektur killerbienenartig. Michael Ton, ein Grünen-Politiker, hat sich nun vergeblich bei einer Architektin entschuldigt, die einen Radweg auf 50 Metern Länge hatte wegbaggern lassen. Ton hatte Regine Töberich geohrfeigt, was ihm sofort danach leid tat. Er trat auch reumütig von allen denkbaren Posten zurück. Seine handgreifliche Kritik kann man ein wenig verstehen, wenn man weiß, dass die weggebaggerten 50 Meter Radweg der Dame gar nicht gehörten. Sie gehören der Stadt. Töberich nahm die Entschuldigung des Grünen und das angebotene Schmerzensgeld von 500 Euro nicht an und erstattete Anzeige wegen Körperverletzung.

Drohen und Ignorieren

Die Geschichte dahinter ist Jahre alt. Die Architektin Töberich will an der Elbe einen Wohnkomplex bauen, „Marina Garden“ heißt das Projekt, es verspricht „gehobenes Wohnen“. 2014 wechselt die Mehrheit im Stadtrat – plötzlich ist sie links. Neue Mehrheit, neue Idee: ein Fünftel Wohnungen, vier Fünftel Soziokultur. Die Kommunalpolitiker beschließen eine zweijährige Veränderungssperre, was ein Baustopp ist, aber weicher klingt. Töberich droht, die Stadt ignoriert, dann bricht auch in der Architektin das Killerbienenartige durch. Sie zieht ihren dunkelgrünen Armeeparka an, lässt zwei Bagger kommen und reißt den Radweg weg.

Dabei ist allerdings ein Fehler passiert. Irgendwelche Maße einer Google-Map wurden nicht richtig übertragen und nicht ihr Stück Radweg auf ihrem Grund und Boden, sondern 50 Meter Dresden-Radweg waren nach dem Baggereinsatz Geröll. Wie gesagt, es ging hoch und welthistorisch her. Eine Ohrfeige, schimpfende Dresdner, Pappschilder: „Niemand hat die Absicht, einen Radweg zu entfernen“, eine Anspielung auf Walter Ulbricht, der auch nie eine Mauer bauen wollte.

Später rückte die Stadt an, ließ alles neu teeren und präsentierte Töberich die Rechnung. Mindestens 15 000 Euro für Bitumen.