Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Kommentar

Klimakonferenz
Merz spricht von mehr Tempo – und bremst beim Klimaschutz selbst

Ein Kommentar von
3 min
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) gibt bei der Weltklimakonferenz COP30 eine Pressekonferenz.

Merz fordert auf der Klimakonferenz in Belém mehr Tempo beim Klimaschutz, bleibt jedoch klaren Zusagen schuldig.

Zum Auftakt der UN-Klimakonferenz in Belém wirbt Brasilien für einen milliardenschweren Fonds zum Schutz der Regenwälder. Deutschland zeigt Interesse, zögert aber mit klaren Zusagen.

Um zu verstehen, was beim Klimaschutz schiefläuft, helfen zwei Zahlen. Die erste: Brasilien, wo am Montag die Weltklimakonferenz beginnt, schlägt eine Art Investmentfonds für die Regenwälder vor – den „Tropical Forest Forever Facility“ (TFFF) – 125 Milliarden US-Dollar sollen eingezahlt werden, zu einem Fünftel von den UN-Staaten, der große Rest aus privatem Kapital, Rendite versprochen.

Das Ziel: Länder zu entschädigen, die auf Einnahmen durch Abholzung verzichten. Denn je mehr die Regenwälder schrumpfen, desto weniger CO2-Mengen können sie speichern, was die Erhitzung der – ganzen – Erde vorantreibt. Auch in Deutschland. Bisher haben in Belém aber nur wenige Regierungen Zusagen gemacht. Kanzler Friedrich Merz (CDU) will Deutschland beteiligen, den Fonds aber auf Rentabilität und Risiko überprüfen, bevor er einen Betrag nennt.

Eine Quittung

Die andere Zahl ist eine Quittung: Allein 2024 haben nach Angaben der Industriestaaten-Organisation OECD klimabedingte Katastrophen Schäden von über 285 Milliarden Euro verursacht. Durch Dürren, Überschwemmungen, Stürme. Es zahlten Staaten, Versicherungen, Bürger – und 16.000 Menschen mit ihrem Leben.

Über Geld dürfte in Belém wie bei vielen vorherigen UN-Klimakonferenzen erbittert gestritten werden. Was uns die Erderwärmung bereits jährlich kostet, fällt jedoch meistens unter den Tisch. Der Fonds wäre ein Klacks gegen das, was uns erwartet, wenn die Weltgemeinschaft ihr Klimaziel aus dem Pariser Abkommen von 2015 verfehlt – wonach es gerade aussieht –, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen.

08.11.2025, Brasilien, Belem: Ein Mann sitzt an einem Fluss nahe des Veranstraltungsortes des COP30-Klimagipfels. Der Klimagipfel beginnt am 11. November. Foto: Fernando Llano/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Ein Mann sitzt an einem Fluss nahe des Veranstaltungsortes des COP30-Klimagipfels in Brasilien, Belem. Der Klimagipfel beginnt am 11. November.

Dafür, dass Merz ursprünglich wenig Lust auf das Treffen der Staats- und Regierungschefs in Belém verspürte, hat er vor Ort überraschend Gefallen daran gefunden. Der Kanzler, der vor kurzem spöttisch infrage stellte, dass sich auf der Welt etwas änderte, wenn Deutschland heute klimaneutral wäre, wählte plötzlich seine Worte.

Er setzte zwar seinen Schwerpunkt auf die Wirtschaft, die durch Klimaschutz nicht gefährdet werden dürfe, weil es sonst auch an Akzeptanz in der Bevölkerung fehlte. Damit hat er grundsätzlich recht. Aber weil sich unsere Lebensgrundlagen ohne besseren Klimaschutz drastisch verschlechtern werden, war es gut, dass Merz persönlich hier „mehr Tempo“ forderte.

Leider wiederum hatte er vor seiner Brasilien-Reise selbst nicht in den Turbo geschaltet, sodass er eine Summe für den Regenwaldfonds schuldig blieb. Wenn Merz ernst genommen werden will, muss er noch für die Verhandlungen in Belém den „namhaften“ Betrag nachliefern, den er in Aussicht gestellt hat.

Klimaschutz hat in Deutschland gegenwärtig wenig Konjunktur. Russlands Krieg gegen die Ukraine, der brutale Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern, das Abschlachten im Sudan, die Polarisierung der Gesellschaft, die schlechte Wirtschaftslage und nicht zuletzt der Ausstieg der USA aus dem Klimaabkommen – das alles löst Zukunftsängste aus. Was soll der individuelle Beitrag zum Klimaschutz schon bringen, wenn sich die Welt auch ohne Erderwärmung zerstört?

Wegweisendes Urteil

Wahr bleibt trotzdem, was das Bundesverfassungsgericht 2021 in sein wegweisendes Klima-Urteil geschrieben hat. Danach muss der Staat mit den natürlichen Lebensgrundlagen „so sorgsam“ umgehen und sie „in solchem Zustand“ hinterlassen, „dass nachfolgende Generationen diese nicht nur um den Preis radikaler eigener Enthaltsamkeit weiter bewahren könnten.“

Sonst würden wir sagen: Nach uns die Sintflut. Das will aber doch niemand den Kindern und Enkeln antun. Deshalb geht Klimaschutz – trotz anderer Krisen – nicht irgendwann, sondern nur jetzt. Der Regenwald von Brasilien ist nur ein Beispiel.