Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Klingbeils erste BewährungsprobeWie der neue Finanzminister eine Einigung im Zollstreit sucht

Lesezeit 4 Minuten
Lars Klingbeil (SPD), Bundesminister der Finanzen, Vizekanzler und SPD-Bundesvorsitzender, gibt am Rande des Treffens der G7-Finanzminister und Notenbankgouverneure ein Pressestatement.

Lars Klingbeil (SPD), Bundesminister der Finanzen, Vizekanzler und SPD-Bundesvorsitzender, gibt am Rande des Treffens der G7-Finanzminister und Notenbankgouverneure ein Pressestatement.

Für Lars Klingbeil war es der erste Auftritt als Bundesfinanzminister auf der globalen Bühne: Beim G7-Treffen in Kanada ging es um die aggressive Zollpolitik der USA und ihre Folgen für den Welthandel. Der SPD-Chef versuchte es mit versöhnlichen Tönen.

Ob er nicht doch ein wenig nervös sei, erst wenige Tage im Amt und nun schon bei einem komplizierten internationalen Finanzgipfel? Lars Klingbeil, gerade gelandet in Kanada, zögert nicht – die Frage eines Journalisten war zu erwarten. Er habe als SPD-Parteichef bereits viele internationale Begegnungen gehabt, so der neue Bundesfinanzminister. Das sei immer einer der Schwerpunkte der politischen Arbeit gewesen. „Ich habe mich gut vorbereitet“, versichert pflichtschuldig der Vizekanzler.

Unsicherheit durch Zollpolitik

Alles andere wäre auch fahrlässig gewesen, schließlich hat die chaotische Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump die Weltwirtschaft erheblich durcheinander gebracht. Bei ihrem Treffen im Skiort Banff in den Rocky Mountains haben die Finanzminister der G7-Staaten in den vergangenen Tagen versucht, den Konflikt zumindest zu entschärfen.

Es war die erste große Auslandsreise des neuen Ministers, der bisher entgegen seines selbstbewussten Auftretens auf dem Gebiet der internationalen Finanzpolitik kaum eigene Expertise hat – und doch sofort agieren muss. Da erging es ihm nicht besser als einem früheren Bundesfinanzminister mit SPD-Parteibuch.

Zölle nur auf Eis gelegt

Der gleichfalls frisch ins Amt gekommene Olaf Scholz musste sich 2018 beim G7-Gipfel im kanadischen Whistler auch schon mit angedrohten Zöllen einer US-Regierung auseinandersetzen. Das war in der ersten Amtszeit von Präsident Trump. Scholz konnte damals aber schnell aufatmen, denn Trump ließ sich ohne Eskalation auf ein Stillhalteabkommen mit der EU ein. Heute ist die Lage eine andere.

„Congratulations dear Lars“

Beim gemeinsamen Gruppenfoto der Finanzminister und Notenbankchefs aus Kanada, den USA, Japan, Frankreich, Großbritannien und Italien ist Klingbeil eine gewisse Unsicherheit anzumerken. Während die anderen Ressortchefs EZB-Chefin Christine Lagarde mit Küsschen begrüßen, die großartige Berglandschaft loben und Scherze machen, steht Klingbeil etwas steif herum. Mit „Congratulations dear Lars“ begrüßt ihn der Gastgeber, Kanadas Finanzminister Francois-Philippe Champagne, und bittet ihn zu einem Foto mit Angehörigen der nationalen Polizei, die mit ihren roten Uniformjacken und braunen Lederhüten ein gutes Motiv abgeben. Klingbeil schaut etwas gequält.

Fleißiger Aktenleser

Auf dem neunstündigen Flug mit einer Regierungsmaschine nach Calgary und der anschließenden zweistündigen Fahrt mit dem Auto nach Banff haben seine Spitzenbeamten das gemacht, was in Berlin „Druckbetankung“ genannt wird: In kurzer Zeit so viel Wissen in einen neuen Minister hineinstopfen wie nur möglich. Mit Klingbeil haben es die Ministerialen nicht allzu schwer. Er gilt zwar nicht gerade als Aktenfresser, aber durchaus als fleißiger Leser und Mann mit schneller Auffassungsgabe.

Die im Ministerium vereinbarte Strategie: Nicht weiter eskalieren, sondern verbal abrüsten, um doch noch einen Deal mit den USA hinzubekommen. Schließlich sind die angedrohten Zölle bisher nur auf Eis gelegt, ebenso die Gegenzölle der EU. „Deutschland und Europa strecken den USA weiterhin die Hand aus und wollen eine gemeinsame Lösung“, sagt Klingbeil in die Kameras. Der Amerika-Fan Klingbeil will auch verhindern, dass die G7 in eine „G6+1" zerfallen, dass es also zu einer Frontstellung der sechs übrigen G7-Staaten gegen die USA kommt. Es sei im Sinne aller, „dass wir uns nicht auseinanderdividieren lassen“, so der SPD-Chef.

Gleich am Anfang des Gipfels steht die erste große Bewährungsprobe an. Klingbeil trifft US-Finanzminister Scott Bessent zu einem Vier-Augen-Gespräch – übrigens ohne Dolmetscher, denn Klingbeil hat vor Jahren einige Monate in den USA gelebt und fühlt sich sicher auf Englisch. Bessent verteidigt öffentlich immer wieder die Zollpolitik von Trump, angeblich hat er einen kurzen Draht zu ihm. Doch das heißt beim erratischen Politikstil des Präsidenten wohl nicht allzu viel.

Nach Washington eingeladen

In deutschen Regierungskreisen wird das Gespräch anschließend mit der diplomatischen Formel eines „offenen und konstruktiven Austauschs“ beschrieben. Kingbeil habe unterstrichen, dass die Handelsstreitigkeiten zum Wohle aller schnellstmöglich beigelegt werden sollten, da hierdurch Unternehmen und Arbeitsplätze auf beiden Seiten des Atlantiks bedroht würden. Offenbar lief das Gespräch aber tatsächlich gut, schließlich dauert es länger als geplant. Und Bessent lud Klingbeil nach Washington ein, was in den transatlantischen Beziehungen keine Selbstverständlichkeit mehr ist.

Bei den anschließenden Gesprächen im G7-Kreis stand dann auch die weitere Unterstützung für die Ukraine auf der Tagesordnung. Konkrete neue Finanzhilfen sind zwar derzeit nicht nötig. Doch es geht um das Signal, das den Europäern sowie Japan und Kanada angesichts des putinfreundlichen Kurses von Trump wichtig ist.

Ob sich die USA auf eine gemeinsame Abschlusserklärung der Finanzminister zur Ukraine und den Handelsstreitigkeiten einlassen, war noch offen. Klingbeil zeigte sich aber zuversichtlich: „Ich bin vorsichtig optimistisch, dass wir das hinbekommen.“