Kommentar zu UmfragewertenErstarken der AfD: Was in den 1930er-Jahren geschah, kann wieder geschehen

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Rechtsextremist Björn Höcke (AfD), Fraktionsvorsitzender in Thüringen, führt den besonders extremen und starken Flügel in der AfD.

Rechtsextremist Björn Höcke (AfD), Fraktionsvorsitzender in Thüringen, führt den besonders extremen und starken Flügel in der AfD.

Eine neue Umfrage in Sachsen sieht die AfD bei 35 Prozent. Damit bestätigt sich ein Trend. Die Berliner Ampelkoalitionäre und alle Demokraten im Land müssen jetzt endlich aufwachen, kommentiert Markus Decker.

Die Zahlen sind erschütternd, wieder einmal. In der neuesten Umfrage für Sachsen, wo in einem Jahr ein neuer Landtag gewählt wird, rangiert die AfD bei 35 Prozent und damit deutlich vor der CDU. SPD, Grüne, Linke und FDP firmieren allesamt unter der Rubrik Kleinparteien.

Tatsächlich bestätigen die Zahlen einen Trend, der für andere Ostländer ähnlich gilt – allen voran für Thüringen. Die Demokratie ist in Gefahr. Nicht mehr abstrakt, sondern konkret – und nicht mehr morgen oder übermorgen, sondern heute. Was in den 1930er-Jahren geschah, kann wieder geschehen. Wenn wir jetzt nicht die richtigen Schlüsse ziehen!

Wir haben Bedrohungen von außen. Egal, ob in den USA oder Europa: Überall erstarken mehr oder weniger rechtsradikale Parteien. Das hat Signalwirkung für Deutschland. Nach Jahrzehnten der durch den Nationalsozialismus bewirkten Tabuisierung lautet die Botschaft: Man darf wieder Rechtsaußen wählen, und man tut es.

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Jenseits der AfD ist zur Mitte hin eine Grauzone entstanden – und sie wächst

Wir haben eine AfD, die zur Lösung der Probleme nichts beiträgt – nichts zur Bekämpfung des Klimawandels, der Inflation oder des Fachkräftemangels –, sondern Probleme gezielt verschärft. Trotzdem oder gerade deshalb wird sie gewählt. Man konnte das lange Zeit für ein ostdeutsches Spezifikum halten. Doch die Zeiten sind vorüber. In Hessen, wo die Bürgerinnen und Bürger am 8. Oktober zu den Urnen schreiten, würden 16 Prozent AfD wählen.

In Bayern sind es 14 Prozent – wobei hier die Freien Wähler in gleicher Stärke dazu kommen. Deren Vorsitzender Hubert Aiwanger demonstriert derzeit täglich, dass er nicht begriffen hat, worauf die demokratische Bundesrepublik 1949 gründete: auf der Abkehr von dem, was 1945 endete. Das ist typisch. Jenseits der AfD ist zur Mitte hin eine Grauzone entstanden, und sie wächst.

Schließlich haben wir eine wegen ihrer inhaltlichen Gegensätze ohnehin dysfunktionale Bundesregierung, die sich trotz vordergründiger Harmonie bei der Kabinettsklausur in Meseberg unverändert in überflüssigen Sticheleien ergeht. Die Selbstvergessenheit der Ampelkoalition mit einem kommunikativ überforderten Kanzler ist zum Fürchten. In einer Zeit, in der der Parlamentarismus grundsätzlich infrage steht, zeigt sich schmerzlich, dass das Denken zu vieler Politiker an den eignen Parteigrenzen endet.

Es gibt keine einfachen Antworten mehr

„Leute, wacht auf!“, rief der 90-jährige Altliberale Gerhart Baum unlängst. Im Berliner Regierungsviertel folgen zu wenige diesem Rat. Es ist leider nicht so, dass demokratische Parteien zuallererst das Nötige tun, um die Demokratie zu schützen, wenn es ernst wird. Sie kalkulieren nach wie vor zuallererst, was ihnen im demokratischen Wettbewerb nützt. Manche haben nichts anderes gelernt, als den politischen Gegner zu bekämpfen.

Es gibt in dieser Lage keine einfachen Antworten mehr, zumal sie sich noch verschärfen könnte. Wie in Thüringen. Dort regiert eine rot-rot-grüne Minderheitsregierung, die, auch weil ihr die Mehrheit fehlt, keine konsistente Politik zustande bringt. Die CDU kann sich nicht entscheiden zwischen Kooperation und Konfrontation. Es entsteht ein chaotisches Bild, das Vertrauen der Bürger erodiert weiter. Derlei könnte in Sachsen ebenfalls passieren. Am Ende hätte die AfD ihr Ziel erreicht: zunächst nachhaltige Destabilisierung, dann Machtübernahme.

Gefragt sind: lösungsorientierte Politik ohne populistische Obertöne; Entlarvung der AfD als Kraft, die alles nur schlimmer macht; verantwortungsbewusste Bürger, die das Wort von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beherzigen, wonach sich niemand auf mildernde Umstände herausreden kann, wenn er Antidemokraten seine Stimme gibt. Wir befinden uns jedenfalls in einer Situation, in der Gefahren ineinandergreifen und Defätismus grassiert. In Teilen Ostdeutschlands ist dieser Punkt erreicht. Es gilt, ihn für Gesamtdeutschland abzuwenden.

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