Kommentar zur neu entflammten DebatteWoher weiß Volker Wissing, dass „die Leute“ kein Tempolimit wollen?

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Volker Wissing (FDP), Bundesminister für Digitales und Verkehr

Volker Wissing (FDP), Bundesminister für Digitales und Verkehr

Der Bundesverkehrsminister pflegt eine unverrückbare Meinung, die er sich auch von den Fakten nicht vermiesen lässt. Ein Kommentar.

Ideologie ist, wenn man eine unverrückbare Meinung pflegt, die man sich von Fakten nicht vermiesen lässt und für die man sich immer neue Begründungen zusammenklaubt. Bundesverkehrsminister Volker Wissing von der FDP hat es in dieser Disziplin zu großer Kreativität gebracht – jedenfalls, wenn es um das liberale Njet zu Tempolimits auf deutschen Straßen geht.

Verglichen mit Wissings bisheriger Sammlung an Erklärungen dafür, dass Deutschland als einziges Industrieland auf Geschwindigkeitsbegrenzungen für Autobahnen verzichtet, ist sein neuestes Argument allerdings regelrecht, nun ja: lahm. „Das wollen die Leute nicht“, gibt der Autominister als aktuelle Begründung dafür an, warum er Berechnungen des Umweltbundesamtes ignoriert, wonach allein ein 120-km/h-Limit die CO2-Emissionen um rund 6,7 Millionen senkt – mehr als das Doppelte aller innerdeutschen Flüge.

Dabei lässt sich eine Mehrheitsmeinung gegen Tempolimits gar nicht belegen: In aktuellen Umfragen sprechen sich klare 64 Prozent für die Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h aus – eine erneute Steigerung gegenüber früherer Demoskopie, laut der die Deutschen bereits seit einigen Jahren kein Problem mehr mit Tempolimits haben. Selbst die organisierte Meinung der Autofahrer – der ADAC – hat längst seine Position geändert und spricht sich im Sinne von Verkehrsfluss, Sicherheit und Klimaschutz für ein gedrosseltes Tempo aus.

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Insofern waren dem Verkehrsminister in der Vergangenheit schon schönere Vorwände eingefallen als ein – von ihm – gefühlter Volkswille. Zum Beispiel hatte Wissing vor zwei Jahren noch auf einen Mangel an nötigen Verkehrsschildern verwiesen, und notfalls kann er sich ja auch immer auf den Koalitionsvertrag mit SPD und Grünen berufen, laut dem es „ein generelles Tempolimit nicht geben“ wird. Auch sonst kündigte der Koalitionsvertrag schließlich genau den klimapolitischen Offenbarungseid im Straßenverkehr bereits an, für den Wissing seither steht. Keine Maßnahmen, nirgends.

Das ändert sich auch dadurch nicht, dass Wissing nun „andere Wege“ angekündigt, „um den Verkehr klimafreundlich zu gestalten“. Denn würde er das ernst meinen, hätte er ja angesichts der jahrelangen Zielverfehlung und Maßnahmenverweigerung im Verkehrssektor schon reichlich Gelegenheit gehabt, sie vorzustellen.

Dass die FDP als Königsweg für den Klimaschutz immer wieder nur eine höhere CO2-Bepreisung nennt – also die Benzinkosten so ansteigen lassen will, dass die Deutschen freiwillig ins Elektroauto fliehen – wirft dabei eine interessante Frage auf: Ob das „die Leute“ wohl wollen würden?

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