Kommentar zu Trumps „Mugshot“Das Bild des Jahres sollte ein Stopp-Schild für US-Wähler sein

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Im Rahmen seiner bereits vierten Anklage als Ex-Präsident entsteht ein sogenannter Mugshot, den Donald Trump sofort für seinen Wahlkampf ausnutzt. Doch damit erreicht er keine neuen Anhänger. Ein Kommentar.

Das Bild des Jahres spricht Bände. Es zeigt einen grimmig dreinblickenden Angeklagten, der darauf aussieht wie ein Mafia-Boss. Das Polizeifoto Donald Trumps bei der Aufnahme seiner Personalien im berüchtigten Fulton-County-Gefängnis von Atlanta illustriert den gewichtigsten der 13 Anklagepunkte.

Dem Ex-Präsidenten wird darin vorgeworfen, mit seinen 18 Mitangeklagten, eine kriminelle Vereinigung gebildet zu haben, die gemeinsam das Ziel verfolgten, den Wählern Georgias ihre Stimmen zu rauben. Dazu sollen sie versucht haben, das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen in dem Gliedstaat zu Trumps Gunsten zu manipulieren.

Donald Trump versucht, mit Mugshot zu punkten

Gewiss dürfte Trump lange darüber nachgedacht haben, wie er auf dem ersten Mugshot eines ehemaligen US-Präsidenten in der Geschichte verewigt werden wollte. Das Ergebnis zeugt entweder von schlechtem Urteilsvermögen oder dem vorübergehenden Kontrollverlust eines Mannes, der bis dahin glaubte, er könne Politik nach Gusto wie Reality-TV inszenieren.

Dass er mit dem Posten des „Mugshots“ seine Rückkehr auf den in X umbenannten Kurznachrichtendienst Twitter markiert, spricht für die erste These. Glaubt Trump im Ernst, damit außerhalb des Personenkults der MAGA-Welt punkten zu können? Ein Mugshot ist für unabhängige Wähler das Gegenteil einer Wahlempfehlung. Und auf die vielen schlecht informierten Amerikaner wirkt der Mugshot nicht wie ein Ehrenabzeichen, sondern ein Stopp-Schild.

Denkbar scheint aber auch, dass der stets in den Farben des Sternenbanners gekleidete Ex-Präsident die Kontrolle über das Geschehen verloren hat. Dem grinsenden Fahnenmännchen verging das Lachen, als er sich bei seinem Ortstermin in dem berüchtigten Rapper-Gefängnis für einen Moment vorstellte, dass mitunter die Verurteilung in einem der insgesamt 91 Anklagepunkte in den vier anhängigen Strafprozessen reichen könnte, seine Freiheit zu verlieren.

Ein Triumph des amerikanischen Rechtsstaats

Man mag nun lange darüber streiten, ob der Sheriff von Fulton County aus Respekt vor der Institution der amerikanischen Präsidentschaft auf das Polizeifoto besser verzichtet hätte. Letztlich blieb ihm keine Wahl. Anders als an den anderen Schauplätzen der historischen Anklagen gegen Trump in New York, Washington und Miami schreibt das Gesetz des konservativen Südstaates diese erkennungsdienstliche Behandlung in Strafprozessen vor. Alternativlos.

Damit steht der historische Mugshot eines Ex-Präsidenten auch für den Triumph des amerikanischen Rechtsstaats, der seine Existenz der Rebellion gegen die britische Krone verdankt. US-Präsidenten sind keine Könige, sondern erhalten ihre Macht vom Volk. Und Trump ist 2020 abgewählt worden.

Das ist die wichtigste Aussage des Bilds des Jahres: Für Trump gelten dieselben Gesetze wie für alle anderen Bürger. Und er bleibt unschuldig, bis zwölf Geschworene darüber befunden haben, ob er nur wie ein Mafioso aussieht oder sich in Georgia auch wie einer verhalten hat. (RND/Thomas Sprang)

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