Kommentar zum CDU-AsylvorschlagPopulismus löst keine Asylfragen

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Eine Frau steht mit einem Baby im Arm und drei kleinen Kindern im Flüchtlingslager Kara Tepe in der Nähe von Mytilini auf Lesbos zwischen Zelten.

Eine Frau steht mit einem Baby im Arm und drei kleinen Kindern im Flüchtlingslager Kara Tepe in der Nähe von Mytilini auf Lesbos zwischen Zelten. Der CDU-Politiker Thorsten Frei hat die Abschaffung des individuellen Grundrechts auf Asyl gefordert.

Die Bundesregierung muss die Migrationspolitik verschärfen, aber das Grundrecht auf Asyl lässt sich nicht in Obergrenzen ordnen, kommentiert unsere Autorin.

Die Versorgung von Geflüchteten und Asylsuchenden ist ein wesentlicher Gradmesser dafür, wie die Bevölkerung die Politik im Land bewertet. In Kommunen, die nicht mehr wissen, wie sie die Menschen aus fernen Ländern unterbringen sollen, stoßen Solidarität und Hilfsbereitschaft mitunter an Grenzen. Und wenn sich Bürgerinnen und Bürger mit ihren eigenen Sorgen von den Regierenden nicht gesehen fühlen, schwindet das Verständnis für die Schutzbedürftigen anderer Nationen.

In diese Bresche springt die AfD mit radikalen Vorwürfen an die demokratischen Parteien, erst recht, wenn diese sich mit eigener Präsenz zurückgezogen haben wie in Teilen Ostdeutschlands. Dann hat die AfD leichtes Spiel. Taugliche Vorschläge für die so nötige Befriedung der Lage braucht sie nicht. Im Gegenteil.

Die Keule herausgeholt

Nun hat sich bedauerlicherweise auch die CDU mit ihrem Parlamentarischen Geschäftsführer im Bundestag, Thorsten Frei, in einem solchen Gestrüpp verloren. Von seinem Vorschlag wird nichts übrigbleiben, außer einer zusätzlichen Verunsicherung im Land.

Frei hat die Keule herausgeholt und die Abschaffung des individuellen Grundrechts auf Asyl gefordert. Das Recht der und des Einzelnen, auf europäischem Boden Asyl zu beantragen, solle durch eine direkte Aufnahme aus dem Ausland von 300.000 bis 400.000 Schutzbedürftigen – verteilt auf ganz Europa – ersetzt werden.

Seiner Begründung versuchte er einen menschlichen Anstrich zu verpassen: Das bestehende Recht sei „zutiefst inhuman“, weil alte, schwache, arme und kranke Menschen keine Chance hätten, nach Europa zu gelangen. Es ist aber wenig überzeugend, dass Frei Alte und Kranke kommen lassen möchte. Das wären auch viele, viele Millionen Menschen.

Gute Vorschläge dringend benötigt

Jeder gute Vorschlag zur Eindämmung der steigenden Zahlen von Asylern und Geflüchteten wird dringend benötigt. Deutschland hat 2015 knapp eine Million Menschen aus Syrien und 2022 eine ähnlich hohe Zahl aus der Ukraine aufgenommen. Die Belastungen sind überall zu spüren: In Kitas, in Schulen, im Gesundheitsystem, im Sozialsystem. Auf Dauer wird eine solche Aufnahmebereitschaft das Land überfordern.

Aber was wäre einer vergleichsweise starken und finanziell stabilen Demokratie würdig? Dass Verfolgte, Gefolterte oder auch Kriegsflüchtlinge – Frei vermischt die Zahlen – in ihrem Land erst einmal einen Antrag bei der EU stellen, ob sie vielleicht gerettet werden könnten?

Frei zündelt mit der Infragestellung eines Grundrechts, für die er im Bundestag keine nötige Mehrheit bekommen wird. Feste Aufnahmekontingente als Reaktion auf grausame Wirklichkeit von Kriegsverbrechern und Diktatoren widersprechen dem Grundgesetz. Eine Änderung ist hier auch – hoffentlich – nie zu erwarten.

Vielmehr ist es nötig, Fluchtursachen zu bekämpfen, arme Länder mit Wirtschaftsförderung zu unterstützen und nie wieder wie in Afghanistan ein Land erst 20 Jahre lang neu aufzubauen und dann Hals über Kopf wieder archaischen Männern zu überlassen.

Auch die Ampel will Aufnahmeregeln verschärfen

Die rot-grün-gelbe Bundesregierung ist nicht untätig bei der Verschärfung der Asylpolitik. Sie will im Verbund mit der Europäischen Union Aufnahmeregeln deutlich verschärfen, um irreguläre Migration und die steigende Zahl der Asylsuchenden zu begrenzen.

Was die Schwesterparteien CDU und CSU vor noch gar nicht langer Zeit beinahe gespalten hätte, will die Ampel – unter großen Schmerzen der Grünen-Basis – durchsetzen: die Prüfung von Asylgründen schon an den EU-Außengrenzen.

Strategie der Union wird sich rächen

Wenn die CDU meint, sich plakativ weit in das Spektrum des Populismus begeben zu müssen, wird das bei Wahlen nicht auf ihr Stimmenkonto einzahlen. Im Gegenteil, es wird sich rächen. Anhänger der AfD wählen deshalb nicht die CDU, und je weiter diese nach rechts rutscht, desto mehr gibt sie den von Angela Merkel einst eisern verteidigten Platz der Volkspartei in der Mitte der Gesellschaft frei.

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