Kommentar zum „Friedensmanifest“Die schlimmen Fehler von Schwarzer und Wagenknecht

Ein Kommentar von
Lesezeit 3 Minuten
Köln: Sahra Wagenknecht (Die Linke, l), Politikerin, und Alice Schwarzer, Frauenrechtlerin, stehen im Rheinauhafen am Rhein.

Köln: Sahra Wagenknecht (Die Linke, l), Politikerin, und Alice Schwarzer, Frauenrechtlerin, stehen im Rheinauhafen am Rhein.

Das „Manifest für den Frieden“ von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht wartet mit gefährlichen Vorstellungen auf, wie der russische Angriffskrieg beendet werden könnte.

Wer ist eigentlich gegen den Frieden und für den Krieg? Nur ausgemachte Zyniker und Menschenverächter würden das – wenn sie es denn offen zugäben – von sich behaupten. Einer davon sitzt im Kreml und lässt seine Armee samt einer skrupellosen privaten Soldateska im Nachbarland Ukraine bomben, morden, foltern, plündern und vergewaltigen.

„Für Krieg, gegen Frieden“ – angeblich Grundhaltung der Bundesregierung

Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht haben das Kunststück fertiggebracht, den Gegensatz „für Krieg, gegen Frieden“ groteskerweise als Grundhaltung der Bundesregierung auszugeben und dagegen in einem Manifest den „Aufstand für Frieden“ auszurufen. Wie fragwürdig dieser erneute Aufruf ist, erweist sich schon an der Behauptung der Initiatorinnen, für „die Hälfte der deutschen Bevölkerung“ zu sprechen.

Tatsächlich sollten sich hinter dem Wunsch nach einem baldigen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen doch wohl 99 Prozent aller Deutschen umstandslos versammeln können.

Nur mit Hilfe schwerer Waffen kann die Ukraine sich gegen den russischen Aggressor wehren
Carsten Fiedler, KStA-Chefredakteur

Das führt auf den schlimmen Grundfehler des Manifests von Schwarzer und Wagenknecht: Es tut so, als wäre die militärische Unterstützung des Westens für die Ukraine nichts anderes als Kriegstreiberei – und damit per Definition dem Frieden abträglich. Aber das stimmt nicht.

Recht auf Selbstverteidigung gehört zu den Grundfesten des Völkerrechts

Nur mit Hilfe schwerer Waffen kann die Ukraine sich gegen den russischen Aggressor wehren. Das Recht auf Selbstverteidigung gehört zu den Grundfesten des Völkerrechts – einer großartigen Errungenschaft nach den furchtbaren Erfahrungen zweier Weltkriege, von denen der erste mindestens mit großem Anteil, der zweite komplett auf deutsches Konto geht.

Carsten  Fiedler

Carsten Fiedler

Carsten Fiedler, Jahrgang 1969, ist Chefredakteur des „Kölner Stadt-Anzeiger“ und Geschäftsführender Chefredakteur des Newsrooms der Kölner Stadt-Anzeiger Medien. Begonnen hat Fiedlers Karriere in der...

mehr

Schon deshalb ist es schwer erträglich, wenn das Schwarzer/Wagenknecht-Manifest in seiner Lagebeschreibung dem ukrainischen Präsidenten bei der völkerrechtlich legitimen Verteidigung seines Landes unlautere Motive unterstellt, während Putin im ganzen Text kein einziges Mal als derjenige benannt wird, der diesen Angriffskrieg verantwortet – und damit auch als derjenige, der am Hebel sitzt, um die Gräueltaten und Kriegsverbrechen zu stoppen.

Dieses Manifest hat nichts anzubieten, womit die internationale Staatengemeinschaft die Kriegsparteien ernsthaft an den Verhandlungstisch bringen könnte. Der Status Quo kann schlechterdings keine Grundlage für die geforderte diplomatische Lösung sein. Putins einzige Lektion wäre es dann, dass militärische Gewalt sich lohnt.

Lizenz zum nächsten Überfall

Was das für die Anrainerstaaten Russlands bedeuten würde, die nicht der Nato angehören, lässt sich leicht ausmalen. Ein Angebot an Moskau ohne die Forderung nach Rückzug vom ukrainischen Territorium wäre eine Art Lizenz zum nächsten Überfall. Wer so den Frieden säen wollte, würde allergrößte Gefahr laufen, noch mehr Krieg zu ernten.

Deshalb darf und muss die Bundesregierung die Hiebe des Manifests mit der Moralkeule an sich abprallen lassen. Ja, es wird Tag für Tag gestorben in der Ukraine. Das ist schrecklich und muss so schnell wie möglich enden. Berechtigt ist auch die Sorge vor der Ausweitung des Krieges, die von der Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland geteilt wird.

Dennoch ist der Ruf nach sofortigen Friedensverhandlungen naiv und falsch. Die russischen Angriffe auf die zivile Infrastruktur der Ukraine gehen mit unverminderter Härte weiter, eine neue Großoffensive wird vorbereitet oder ist schon im Gange.

Wollte man denjenigen, der dafür verantwortlich ist, auch noch belohnen „um des lieben Friedens willen“, dann wäre das nicht nur das Ende der Moral, sondern auch die Preisgabe des internationalen Rechts und damit der Hoffnung auf ein Zusammenleben der Völker in Frieden und Freiheit.

KStA abonnieren