Kommentar zur Bundeswehr-ReformBoris Pistorius, der Mann ohne Angst

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Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) will die Bundeswehr umbauen.dpa

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) will die Bundeswehr umbauen.

Boris Pistorius stellt die Bundeswehr auf eine bessere Landes- und Bündnisverteidigung ein. Sein Mut tut Deutschland gut.

Boris Pistorius ist der beliebteste Politiker im Land, obwohl er Deutschland wieder „kriegstüchtig“ machen will. Er hat viele Menschen damit verschreckt. Aber er hat mit seiner klaren Sprache vor allem Vertrauen in der Bevölkerung gewonnen. Er ist keiner, der sich verliert in verschwurbelten Sätzen und um den heißen Brei herumredet. Er ist ein Verteidigungsminister, der sagt, was Sache ist. Und danach hat die Bundeswehr eklatante Mängel bei ihrer Aufstellung für die Landes- und Bündnisverteidigung.

Man kann darüber streiten, ob es klug ist, dem Kriegstreiber Wladimir Putin mit solch schonungsloser öffentlichen Bestandsaufnahme einen prima Überblick über die Schwächen der Bundeswehr zu geben. Aber man kann von Glück sagen, dass in Deutschland nun ein Politiker Verteidigungsminister ist, der vor nichts Angst hat. Nicht vor dem friedensbewegten Teil seiner SPD, nicht vor deren Wählerschaft und nicht vor dem russischen Präsidenten.

Vielmehr droht Pistorius selbst: Niemand solle auf die Idee kommen, Nato-Gebiet anzugreifen. Wenn Putin irgendetwas beeindruckt, dann die Garantie, dass er selbst Schaden nimmt.

Bundeswehr-Reform: Pistorius bricht Verkrustungen auf

Mit der Straffung der Führungsstrukturen bricht Pistorius Verkrustungen auf und legt zusammen, was zusammengehört: das Territoriale Führungskommando und das Einsatzführungskommando zu einem Operativen Führungskommando. Die Begründung des Ministers lässt noch rückwirkend über den bisherigen Zustand erschaudern: zu viele Verantwortungsebenen führen am Ende dazu, dass niemand Verantwortung übernimmt. Im Kriegsfall - gute Nacht!

Apropos Kriegsfall. Der Sozialdemokrat hat diesen Begriff wieder in den Mund genommen. Dabei kennt das Grundgesetz nur den Verteidigungsfall. Das hört sich eleganter an und macht deutlich, dass Deutschland Angriffe abwehrt, aber nicht ausführt. Doch sollte ein Nato-Partner angegriffen werden, müsste auch Deutschland zu Hilfe eilen und wäre im Krieg. Wenn Pistorius von Kriegsfall spricht, hört es sich wie diese Botschaft an: Alle mal aufwachen, die Lage ist ernst.

Boris Pistorius hat keine externen Experten benötigt

Pistorius schlägt ein hohes Tempo an, ein halbes Jahr gibt er den Streitkräften für die Umstrukturierung. Das ist eine Ansage für die Bundeswehr, der im Inland derart schnelle Reaktionen bisher kaum abverlangt wurden. Der Minister selbst hat - nur - fünf Monate gebraucht, um die Reform der Bundeswehr mit eigenen Experten - ohne teure externe Berater - auf den Weg zu bringen. Und er hat gleich einen nächsten Entscheidungsprozess angekündigt: über eine neue Wehrpflicht. Der Bundeswehr fehlt es an Personal.

Der SPD-Mann hat Sympathien für das schwedische Modell: Zum 18. Geburtstag bekommt Jede und Jeder Post von der Musterungsbehörde. Etwa zehn Prozent von ihnen werden eingezogen. In Schweden wird das mehr als nur akzeptiert. Männer und Frauen wollen zur Armee. Zum einen, weil diese gute Karrierechancen bietet. Zum anderen, weil die Verteidigung des Landes eine in der Gesellschaft hochgeschätzte Aufgabe ist.

Um den historischen Schritt zu gehen und die Aussetzung der Wehrpflicht unter Schwarz-Gelb 2011 rückgängig zu machen und einen verpflichtenden Wehrdienst für Männer - und dann auch für Frauen - einzuführen, bräuchte die Ampel die oppositionelle Union für eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat.

Und sie müssten sich wohl alle warm anziehen. Selbst im Kalten Krieg war die Lage kaum so explosiv wie seit dem russischen Überfall auf die Ukraine. Wer jetzt zur Bundeswehr geht, muss eben „kriegstüchtig“ sein. Die Mentalität, für den eigenen Staat zur Not durchs Feuer zu gehen, ist in Deutschland aber wenig ausgeprägt. Da müsste Pistorius noch viel Klartext reden. Und nicht nur er.

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