Kommentar zur KoalitionChristian Lindner im Glück – Kleinster Partner FDP setzt sich durch

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Die Parteichefs der Koalitionsparteien Lars Klingbeil (SPD, v.l.n.r.) Ricarda Lang (Grüne) und Christian Lindner (FDP) sprechen im Bundestag nach dem Koalitionsausschuss.

Die Parteichefs der Koalitionsparteien Lars Klingbeil (SPD, v.l.n.r.) Ricarda Lang (Grüne) und Christian Lindner (FDP) sprechen im Bundestag nach dem Koalitionsausschuss.

Kanzler Olaf Scholz macht sich offenbar um den Fortbestand der FDB Sorgen und wollte für Stabilität sorgen.

Christian Lindner konnte sein Glück kaum fassen. Wenn es nach ihm ginge, witzelte der sichtbar gut gelaunte FDP-Chef und Bundesfinanzminister nach dem Ende des wohl längsten Koalitionsausschusses aller Zeiten, könne man sich künftig ruhige öfter drei Tage lang für Beratungen zurückziehen – angesichts all der Dinge, die dabei herausgekommen seien.

Lindner hat gut lachen, denn er und seine FDP haben sich bei den Marathonverhandlungen in vielen Punkten durchgesetzt. Schnellere Planung für mehr als 100 Autobahnprojekte: beschlossen. Die scharfen Sektorziele beim Klimaschutz: weg. Der Umwelt- und Naturschutz: geschliffen.

Da mag Grünen-Chefin Ricarda Lang neben ihm noch so tapfer grüne Erfolge wie eine Erhöhung der LKW-Maut, zusätzliche Milliarden für den Bahnverkehr oder die Pflicht zum Bau von Solaranlagen an neuen Autobahnen aufzählen; an dem grundsätzlichen Eindruck ändert sie nichts. Der kleinste und derzeit schwächste Koalitionspartner hat den beiden großen in vielen Punkten seinen Willen aufgedrückt.

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Ob die beschworene Einigkeit zwischen SPD, Grünen und FDP hält, ist fraglich

Wundern darf man sich darüber nicht, denn für die Liberalen steht am meisten auf dem Spiel. Um nicht weniger als den Fortbestand der FDP müssen Lindner und die Seinen nach einer Serie verheerender Wahlniederlagen fürchten. Schon allein deshalb ist nachvollziehbar, dass der um die Stabilität seiner Koalition besorgte Bundeskanzler Olaf Scholz in den Beratungen näher an Lindner als an Wirtschaftsminister Robert Habeck gewesen sein soll. Dass Ultrapragmatiker Scholz außerdem in der Wirtschaftspolitik mehr Schnittmengen mit den Gelben als mit den Grünen hat, kommt da noch hinzu.

Entscheidend für das künftige Erscheinungsbild der Ampel wird nun sein, wie die grüne Basis die neuen Zumutungen aufnimmt, und ob die nun beschworene Einigkeit hält.

Zweifel sind angebracht, denn anders als behauptet, liefert das 16-seitige Ergebnispapier der Koalitionäre keineswegs Antworten auf alle offenen Fragen. So gibt es etwa beim großen Streitthema der vergangenen Tage, dem Gebäude-Energie-Gesetz, auch jetzt noch kaum aufzulösende Widersprüche. FDP-Chef Lindner erweckte in seinem Statement nach dem Koalitionsausschuss zwar den Eindruck, dass das Verbot neuer Gasheizungen aufgeweicht sei, in dem Ergebnispapier aber findet sich dazu kaum etwas. Die Details würden im „Ressortkreis überarbeitet“ geklärt, heißt es lapidar.

Viele Fragezeichen bleiben bei Beschlüssen der Ampel-Parteien

In der Verkehrspolitik haben die Ampelpartner „festgelegt“, dass sie einen Konsens zum Ausbau der Infrastruktur „anstreben“. Und um die wichtigste Frage, wie eigentlich die künftigen Haushalte finanziert werden sollen, haben sie sich gleich ganz herumgedrückt.

Es bleiben also viele Fragezeichen – und noch mehr Gelegenheiten, sich weiter zu streiten. Nicht auszuschließen, dass Lindners Witz mit den regelmäßigen Marathonsitzungen in den kommenden Monaten doch noch Realität wird. Fraglich ist allerdings, ob dann noch jemand lacht.

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