Kommentar zur WahlIn Berlin ist viel mehr nötig als ein „Weiter-so“

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Wahlgewinner Kai Wegner (CDU) zieht an Franziska Giffey (SPD), Berlins regierender Bürgermeisterin, vorbei.

Wahlgewinner Kai Wegner (CDU) zieht an Franziska Giffey (SPD), Berlins regierender Bürgermeisterin, vorbei. Ob die Christdemokraten aber auch Rot-Grün-Rot verdrängen, ist noch unklar.

Die nachgeholte Wahl zeigt vor allem eins: Die Berlinerinnen und Berliner sind unzufrieden. Haben die Parteien keine Lösungen für die Großstädte?

Das unwürdige Kapitel der Wahlwiederholung in Berlin kann geschlossen werden. Nach diesem Sonntag hat die Hauptstadt zumindest wieder ein gültiges Wahlergebnis, auf dessen Basis eine Regierung gebildet werden kann. Berlin ist also erst mal raus aus den national und international negativen Schlagzeilen. Und damit enden die guten Nachrichten dieses Wahlsonntags.

Die CDU hat die Wahl der Prognose zufolge klar gewonnen, wird aber möglicherweise nicht regieren können. SPD, Grüne und Linke haben offensichtlich mit herben Verlusten ihre Mehrheit ins Ziel gerettet. Offen ist noch, ob sie sich zur nächsten Landesregierung zusammenraufen – unklar mit wem an der Spitze. Gut wäre das nicht. In Berlin ist so viel mehr notwendig als ein Weiter-so.

Berlin: Wiederholte Wahl, gleiche Probleme

Eine Regierende Bürgermeisterin der SPD, die weiter die gigantischen Probleme Berlins gesundbetet. Eine sogenannte Mobilitätssenatorin von den Grünen, die ohne jedes Konzept mit einer Sperrung aus einer pulsierenden Einkaufsstraße eine Geisterstraße macht. Und eine Linkspartei, der zum Thema Wohnungsnot nur das Stichwort Enteignung einfällt.

Mit diesen Strategien wird man die vielen Probleme der Hauptstadt nicht lösen können. Für keine der Parteien in Berlin gibt es Anlass zu triumphieren oder sich anbiedernd für das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler zu bedanken. Die Wahlbeteiligung ist gesunken, die AfD hat zugelegt.

Dass die Wählerinnen und Wähler sich nicht in noch größerem Umfang der CDU zugewandt haben, hat auch gute Gründe. Nach einer Silvesternacht mit Gewaltexzessen die Vornamen der möglichen Täter abfragen zu lassen, ist vom Problemlösungsansatz ähnlich intelligent wie der Versuch, Wohnungsnot mit Enteignungen zu lösen.

Die Unzufriedenheit der Berlinerinnen und Berliner

Die Unzufriedenheit der Berlinerinnen und Berliner mit ihrer Senatsverwaltung war in den vergangenen Monaten so groß, dass eine passabel aufgestellte Opposition gute Wahlergebnisse eigentlich wie reife Früchte hätte ernten können. Die CDU hat für Berliner Verhältnisse zwar sehr gut zugelegt – aber längst nicht in dem Ausmaß, in dem die Bevölkerung in der Hauptstadt unzufrieden ist.

In Berlin kristallisiert sich, welche Probleme die CDU grundsätzlich in Großstädten hat. Der CDU wird nicht wirklich zugetraut, die spezifischen Herausforderungen, die eine multikulturelle Hauptstadt hat zu verstehen und lösen zu können. Nun steht Berlin nach einem harten Wahlkampf eine schwierige Regierungsbildung bevor.

Für die CDU ist die Regierungsbildung kein Selbstläufer. Normalerweise gehört der Regierungsbildungsauftrag der Partei mit den meisten Stimmen, was in Berlin die CDU ist. Nun fällt der CDU aber auf die Füße, dass sie es in Berlin versäumt hat, als konstruktive Opposition aufzutreten und Brücken zur SPD und zu den Grünen zu bauen.

Rot-Grün-Rot wird alles daran setzen, um die CDU außen vor zu lassen

Die beiden bisherigen Partner in einer rot-grün-roten Koalition werden alles daran setzen, die CDU außen vor zu lassen. Angesichts des erheblichen Abstands der CDU zum Rest des Felds ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass sich die Wählerinnen und Wähler tatsächlich einen Wechsel für Berlin wünschen. Berlin wünscht sich angesichts der übergroßen Problemlagen in der Stadt einen Neustart. Das können SPD und Grüne nicht ignorieren. Was die Machtverhältnisse auf Bundesebene angeht, ist Berlin der Hund, der den Mond anbellt.

Im Bundesrat wird es keine Verschiebungen der ohnehin komplizierten Verhältnisse mit den vielen bunt gescheckten Landesregierungen geben. Spannender ist da der Blick nach Hessen, wo im Herbst gewählt wird. Sollte dort die regierende CDU abgelöst werden, dann wird die Union ihre bisher bestehende Blockademehrheit im Bundesrat verlieren.

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