Am Freitagmorgen ist in Leipzig ein Abschiebeflug in Richtung Kabul gestartet, an Bord Dutzende afghanische Straftäter.
81 Menschen an BordMerz-Regierung schiebt Dutzende Straftäter nach Afghanistan ab

Menschen besteigen ein Flugzeug der Qatar Airways, vor dem Beamte der Bundespolizei stehen, auf dem Vorfeld am Flughafen Leipzig/Halle.
Copyright: Jan Woitas/dpa
Deutschland schiebt zum zweiten Mal seit der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 afghanische Staatsangehörige in ihr Herkunftsland ab. Wie eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums von Alexander Dobrindt (CSU) bestätigte, startet an diesem Morgen ein Flugzeug vom Flughafen in Leipzig aus mit 81 Menschen an Bord, um diese in ihr Herkunftsland zurückzubringen.
Sammelabschiebungen nach Afghanistan gab es vor der Machtübernahme der Taliban öfter, danach nur noch einmal - im vergangenen August. Jetzt bringt wieder ein Flieger Straftäter zurück. Es handele sich um vollziehbare Ausreisepflichtige, die strafrechtlich in Erscheinung getreten seien.
Erster Abschiebeflug nach Afghanistan unter Merz-Regierung gestartet
Gegen 8.30 Uhr startete in Leipzig eine Maschine der Qatar-Airways. Nach Angaben eines dpa-Fotografen waren Passagiere mit mehreren Bussen dorthin gebracht worden. Kurz vor 7.00 Uhr am Morgen stiegen die ersten ein, mindestens einer davon trug demnach eine Fußfessel.
Der erste Abschiebeflug seit Antritt der schwarz-roten Regierung unter Kanzler Friedrich Merz (CDU) startete unmittelbar vor Beginn eines Treffens von Dobrindt und mehreren EU-Kollegen auf der Zugspitze, bei dem es um eine Verschärfung der EU-Asylpolitik gehen soll.

Ein Flugzeug der Qatar Airways rollt über das Vorfeld vom Flughafen Leipzig/Halle.
Copyright: Jan Woitas/dpa
Seit dem letzten Abschiebeflug mit afghanischen Straftätern sind fast elf Monate vergangen. Nach Gewalttaten in Mannheim und Solingen hatte die Ampel-Regierung im vergangenen Sommer angekündigt, Abschiebungen auch nach Afghanistan wieder möglich zu machen.
CDU kündigt regelmäßige Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien an
Am 30. August waren dann mit Hilfe des Golfemirats Katar 28 männliche afghanische Straftäter ebenfalls von Leipzig aus in ihr Herkunftsland zurückgebracht worden. Katar hatte bereits in der Vergangenheit zwischen dem Westen und den Taliban vermittelt. Der damalige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kündigte an, es werde weitere solcher Flüge geben. Es blieb bei dem einen.
Nach der Neuwahl in diesem Jahr und wenige Wochen vor dem Antritt der neuen Regierung versprach der heutige Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) bei „Bild“ auf Nachfrage regelmäßige Abschiebeflüge nach Afghanistan und Syrien. Darauf könnten sich die Deutschen verlassen. Das werde man „dauerhaft und in wesentlich größeren Bereichen auch hinbekommen“.
Dobrindt will direkte Abschiebe-Abkommen mit Taliban-Regime
Doch die Durchführung gestaltet sich bis heute schwierig: Deutschland unterhält zu den islamistischen Taliban in Kabul keine diplomatischen Beziehungen. Die Gruppe ist insbesondere wegen ihrer Missachtung von Menschen- und vor allem Frauenrechten international isoliert. Man erkenne das Regime nicht als rechtmäßige Regierung an, Deutschland habe nur auf technischer Ebene über ein Verbindungsbüro in Katar Kontakt zu den dortigen Machthabern, hatte Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) kürzlich gesagt. „Das war es, und das ist es.“

Menschen besteigen ein Flugzeug der Qatar Airways, vor dem Fahrzeuge der Bundespolizei stehen auf dem Vorfeld am Flughafen Leipzig/Halle.
Copyright: Jan Woitas/dpa
Innenminister Dobrindt strebt an, das zu ändern. Er hatte dem „Focus“ Anfang des Monats gesagt: „Mir schwebt vor, dass wir direkt mit Afghanistan Vereinbarungen treffen, um Rückführungen zu ermöglichen. Nach wie vor braucht es Dritte, um Gespräche mit Afghanistan zu führen. Eine Dauerlösung darf das so nicht bleiben.“
UN lehnt Abschiebungen ab – Lage in Afghanistan weiterhin kritisch
Die Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen der Vereinten Nationen lehnen die Pläne ab. Die Bedingungen vor Ort seien noch nicht für Rückführungen geeignet, sagte Arafat Jamal, der Vertreter des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR in Kabul damals in Reaktion auf Dobrindts Aussagen. Die Sprecherin des UN-Menschenrechtsbüros, Ravina Shamdasani, wies auf laufende Menschenrechtsverletzungen in Afghanistan hin, wie etwa Hinrichtungen oder die Unterdrückung von Frauen.
Ende Mai hielten sich einer Regierungsantwort zufolge 446.287 Afghaninnen und Afghanen in Deutschland auf. Unter ihnen waren 11.423 Ausreisepflichtige, davon 9.602 mit und 1.821 ohne Duldung, wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ Anfang Juli mitgeteilt hatte. (dpa)