Der „Spiegel“ veröffentlicht Zitate, die aus einem Gespräch von EU-Staatschefs stammen sollen. Die Antwort aus Moskau kommt sofort.
Putins Unterhändler vs. KanzlerMoskau verspottet Merz nach Leak von brisanter Telefon-Mitschrift

Kirill Dmitrijew und Kremlchef Wladimir Putin (im Hintergrund). Der russische Chefunterhändler hat Kanzler Merz bei X verspottet. (Archivbild)
Copyright: IMAGO / SNA
Der Bericht hatte am Donnerstag für reichlich Wirbel gesorgt: Das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ hat brisante Zitate veröffentlicht, die aus einer Mitschrift von einem Telefonat europäischen Spitzenpolitiker stammen sollen, darunter auch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU). Nato-Chef Mark Rutte, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der finnische Präsident Alexander Stubb und ihr ukrainischer Amtskollege Wolodymyr Selenskyj nahmen demnach ebenfalls an dem Telefonat teil.
Im Fokus des Gesprächs soll der amerikanische „Friedensplan“und insbesondere die Rolle der US-Unterhändler Steve Witkoff und Jared Kushner gestanden haben. Dabei äußerten sich dem „Spiegel“ zufolge mehrere Teilnehmer kritisch über Trumps Verhandlungsführer.
Mitschrift von Merz-Telefonat: „Sie spielen Spielchen“
Der Bundeskanzler und Macron sollen dabei eindringliche Warnungen ausgesprochen haben. Selenskyj müsse „in den nächsten Tagen extrem vorsichtig sein“, erklärte Merz demnach und kritisierte Witkoff und Kushner scharf: „Sie spielen Spielchen, sowohl mit euch als auch mit uns.“
Alles zum Thema Wolodymyr Selenskyj
- Putins Unterhändler vs. Kanzler Moskau verspottet Merz nach Leak von brisanter Telefon-Mitschrift
- Krieg in der Ukraine „Dickköpfige Dummheit“ - Putins Unterhändler verspottet Merz
- Krise in der Ukraine Selenskyj will neuen Kanzleichef bestellen
- Konferenz in Bremen Innenminister wollen bei Drohnenabwehr eng zusammenarbeiten
- Putins Kalkül Die Ukraine-„Friedensgespräche“ sind kaum mehr als eine Farce
- Ukraine-Krieg Selenskyj: Bereiten Treffen in den USA vor
- Friedensbemühungen Kreml besteht auf Geheimhaltung bei Ukraine-Gesprächen
Macron warnte derweil vor einem Verrat durch die USA: „Es besteht die Möglichkeit, dass die USA die Ukraine beim Thema Territorium verraten, ohne Klarheit über Sicherheitsgarantien“, soll der Franzose der Mitschrift zufolge gesagt haben.
„Wir dürfen Wolodymyr nicht mit diesen Jungs alleinlassen“
„Wir dürfen die Ukraine und Wolodymyr nicht mit diesen Jungs alleinlassen“, befand demnach auch Stubb – und soll dafür Zuspruch von Rutte bekommen haben. „Ich bin mit Alexander einer Meinung, wir müssen Wolodymyr beschützen“, habe der Nato-Chef erklärt.
Woher das Telefonprotokoll stammt und wer es an den „Spiegel“ weitergegeben hat, blieb unklar. Neben den zitierten Staatschefs nahmen demnach auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, EU-Ratspräsident António Costa sowie mehrere weitere Regierungschefs an der Schalte teil.
Regierungssprecher verweigert Kommentar zu Bericht über Mitschrift
Mehrere Teilnehmer bestätigten gegenüber dem Hamburger Nachrichtenmagazin, dass das Gespräch am Montag (1. Dezember) stattgefunden habe, eine Bestätigung für die Inhalte gab es jedoch nicht. Paris dementierte die Macron zugeschrieben Zitate ausdrücklich.
„Ich bitte um Verständnis, dass wir einzelne Medienberichte nicht kommentieren“, erklärte unterdessen ein Regierungssprecher in Berlin angesichts des Berichts und fügte hinzu: „Darüber hinaus können wir grundsätzlich über vertrauliche Gespräche nicht berichten.“
Merz telefonierte am Montag mit EU-Spitzenpolitikern
Der Sprecher verwies zudem auf Merz’ Äußerungen in der Pressekonferenz mit Polens Ministerpräsident Donald Tusk am vergangenen Montag. Merz hatte dabei unter anderem auf ein gemeinsames Telefonat mit Selenskyj, Macron und anderen europäischen Partnern Bezug genommen und gesagt, man halte die transatlantische Gemeinschaft „so gut wir nur können“ zusammen.

Putins Chefunterhändler Kirill Dmitrijew. (Archivbild)
Copyright: IMAGO/SNA
In Russland blieb das Leak des brisanten Telefonprotokolls unterdessen nicht unbemerkt. Mit Kirill Dmitrijew meldete sich am Donnerstag (4. Dezember) ausgerechnet ein mutmaßlicher Urheber des US-„Friedensplans“ zu Wort.
Putins Chefunterhändler meldet sich zu Wort
Berichten zufolge soll Putins Chefunterhändler zusammen mit Witkoff und Kushner den ursprünglich 28 Punkte umfassenden Plan erarbeitet haben, der in Europa überwiegend als prorussisch aufgefasst und erst nach scharfen Protesten schließlich überarbeitet wurde.
Am Dienstag präsentierten Witkoff und Kushner das Dokument im Kreml – und stießen nicht auf Gegenliebe. Im Gegenteil: Kremlchef Wladimir Putin hat seine Rhetorik seitdem verschärft und mit neuen Eroberungen gedroht.
Dmitrijew setzte nun auf Spott und Häme in Richtung des Bundeskanzlers. „Lieber Merz, Sie sind nicht einmal im Spiel“, schrieb der russische Chefunterhändler auf der Plattform X. „Sie haben sich durch Kriegstreiberei, die Torpedierung des Friedens, unrealistische Vorschläge, den Selbstmord der westlichen Zivilisation, Migration und dickköpfige Dummheit selbst disqualifiziert“, hieß es von Dmitrijew.
Kirill Dmitrijew verspottet Kanzler Merz
In einem weiteren Beitrag in dem sozialen Netzwerk verwies Dmitrijew zudem auf schlechte Umfragewerte für den Kanzler. „Fakt: 75 Prozent der Deutschen sind mit der Politik von Bundeskanzler Friedrich Merz unzufrieden“, schrieb der Unterhändler zu einer Grafik einer Forsa-Umfrage.
„Noch nie in der jüngeren Geschichte hat ein Bundeskanzler weniger als ein Jahr nach seinem Amtsantritt so niedrige Zustimmungswerte verzeichnet“, hieß es weiter von Dmitrijew, der Merz schließlich noch wissen ließ: „Merz sollte sich besser mit den innenpolitischen Problemen befassen, die er ignoriert: Migration, Kriminalität, moralischer und wirtschaftlicher Niedergang.“
US-Regierung wegen „Friedensplan“ in der Kritik
Der Unterhändler war unterdessen selbst kürzlich von einem brisanten Leak betroffen. Laut von Bloomberg veröffentlichten Telefon-Transkripten hatte Dmitrijew in einem Gespräch mit Putins Berater Juri Uschakow angedeutet, dass er den USA den Entwurf eines „Friedensplans“ zukommen lassen werde und darauf hoffe, dass die US-Unterhändler diesen mit wenigen Änderungen übernehmen würden.
Dmitrijew, der in den USA studiert hat, gilt als geschickter Diplomat, der vor allem auf wirtschaftliche Anreize gegenüber der Administration von US-Präsident Donald Trump setzt. Enthüllungen über geheime Wirtschaftsdeals zwischen den USA und Russland im Zuge des von Dmitrijew, Witkoff und Kushner entwickelten „Friedensplan“ hatten zuletzt für Wirbel gesorgt. Auch innerhalb der eigenen Partei steht die Trump-Regierung seitdem vermehrt in der Kritik. (mit dpa)


