Längst hat der Einsatz der Nationalgarde in Washington die Dimension einer „Verschönerungsaktion“ gesprengt. Trump zwingt die USA auf einen gefährlichen Weg.
NationalgardeDonald Trump geht es nicht um die Bekämpfung des Verbrechens


Mitglieder der Nationalgarde patrouillieren vor dem Nationals Park in Washington.
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Anfangs schien es wie eine Laune: Auf der Fahrt zu seinem Golfplatz vor den Toren von Washington hatte sich Donald Trump über mehrere Obdachlosenzelte geärgert. Die von Demokraten regierte Stadt mit ihrem hohen afroamerikanischen Bevölkerungsanteil ist ihm schon immer zuwider. Ein „Rattenloch“ hat er sie genannt. Nun forderte er per Online-Post: „Wir wollen unsere Hauptstadt zurück!“
Das war vor zwei Wochen. Was sich seither ereignet, hat den Rahmen einer lokalen „Verschönerungsaktion“ längst gesprengt. Mehr als 2200 bewaffnete Nationalgardisten aus sieben Bundesstaaten patrouillieren mit Panzerfahrzeugen die Straßen der Metropole. Die örtliche Polizei wurde der Regierung unterstellt. Beamte der Einwanderungspolizei ICE, des Secret Service und der Bundespolizei FBI führen Tag und Nacht Razzien durch. Schon bald will Trump bewaffnete Truppen auch nach Baltimore und Chicago schicken.
Die Kriminalitätszahlen sinken, einen Notstand gibt es nicht
Gleichwohl ist die Opposition in den USA unsicher, wie sie mit der Besatzung amerikanischer Städte umgehen soll. Ist dies nicht die jüngste Macht-Show eines Egomanen? Ein Ablenkungsmanöver von der Erfolglosigkeit seiner Ukraine-Gipfel und der Epstein-Affäre? Eine bewusste Provokation vielleicht, um die Demokraten in die Falle der Distanzierung von den Sicherheitskräften und einer Verharmlosung von Verbrechen zu treiben?

Menschen protestieren gegen den Einsatz von Bundespolizei und Nationalgarde in der Stadt.
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Das alles mag sein. Doch es ist viel mehr. Das Argument, der Präsident bekämpfe halt mit unkonventionellen Methoden die Kriminalität, hält keiner Überprüfung stand. Ja, es gibt erschreckend viel Mord und Totschlag in amerikanischen Städten. Aber das ist ein jahrzehntealtes Phänomen. In jüngster Zeit sinken die Zahlen. Einen akuten Notstand gibt es nicht.
Donald Trump nimmt die Brennpunkte nicht in Visier, sondern Touri-Orte
Zudem müssten zur Bekämpfung der Gewalt deren Brennpunkte ins Visier genommen werden. Sie liegen in Washington im überwiegend von Schwarzen bewohnten Südosten der Stadt. Dabei spielen Drogen, Waffen und soziale Probleme eine große Rolle. Wer dagegen vorgehen will, muss die Prävention und die Polizeipräsenz in diesen Vierteln verstärken und die Gerichte so ausstatten, dass sie Straftäter schnell verurteilen können.

Nationalgardisten patrouillieren am Sockel des Washington Monuments.
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Der angebliche Law-and-Order-Präsident macht das Gegenteil: Gleich zu Beginn seiner Amtszeit hat er 1500 verurteilte Kapitolstürmer pauschal begnadigt. Den von ihm dominierten Kongress ließ er die Mittel für Verbrechensprävention und -bekämpfung um 800 Millionen Dollar kürzen. Und die Nationalgardisten setzt er publikumswirksam rund um die touristischen Sehenswürdigkeiten der Hauptstadt ein.
Föderale Zuständigkeiten setzt Trump einfach außer Kraft
Nüchtern betrachtet ist das Ganze also eine Show-Nummer. Doch de facto vollzieht sich vor unseren Augen eine beunruhigende Entwicklung: Trump setzt föderale Zuständigkeiten einfach außer Kraft. Er hat den Nationalgardisten gesagt, sie dürften „machen, was sie wollen“. Die Häscher der ICE-Truppe, die gerade um 10.000 Männer und Frauen aufgestockt wird, tragen bei ihrer Jagd auf illegale Migranten weder Uniformen noch Namensschilder.
Nun lässt der Präsident auch noch eine ständig verfügbare militärische Eingreiftruppe aufbauen, die Proteste im ganzen Land niederschlagen kann. Man braucht nicht viel Fantasie, um zu erahnen, wie leicht sich – etwa im Umfeld von Wahlen oder beim Amtsantritt eines „kommunistischen“ Bürgermeisters in New York – ein Vorwand für den Einsatz eines solchen unkontrollierten Spezialkommandos konstruieren lässt.
Bewusst testet der Möchtegernautokrat Trump gerade die Grenzen seiner Macht aus. Dabei zwingt er sein Land auf eine extrem gefährliche Bahn. An deren Ende steht die Verwandlung der USA in einen Polizeistaat mit einer präsidialen Privatarmee.