Schweden beendet UntersuchungDeutschland ermittelt in Nord-Stream-Verfahren weiter – Russland provoziert

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Das vom dänischen Verteidigungskommando zur Verfügung gestellte Foto zeigt das Nord Stream 2-Gasleck in der Nähe von Bornholm aus der Luft.

Das vom dänischen Verteidigungskommando zur Verfügung gestellte Foto zeigt das Nord Stream 2-Gasleck in der Nähe von Bornholm aus der Luft. (Archivbild)

Schweden stellt die Ermittlungen zur Sabotage an den Gasleitungen ein – Deutschland übernimmt, der Kreml ist offenbar hoch interessiert. 

Die schwedische Staatsanwaltschaft stellt ihr Ermittlungsverfahren zur Sabotage an den Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee ein. Man sei zu dem Schluss gekommen, dass die schwedische Gerichtsbarkeit in der Angelegenheit keine Anwendung finde und es daher keinen Anlass mehr gebe, die Ermittlungen fortzuführen, gab der mit den Untersuchungen betraute Staatsanwalt Mats Ljungqvist am Mittwoch bekannt.

Nord-Stream-Verfahren eingestellt: Schwedische Gerichtsbarkeit findet keine Anwendung

Nach Angaben des schwedischen Nachrichtendienstes Säpo konnten die Ermittlungen zeigen, dass sich die Sabotage nicht gegen Schweden richtete und daher auch keine Gefährdung der schwedischen Sicherheit darstellte. Die gesammelten Erkenntnisse der Schweden könnten nun den deutschen Ermittlungen zugutekommen.

Moskau kommentierte den Schritt umgehend, Kreml-Sprecher Dmitri Peskow kritisierte die Entscheidung Schwedens laut der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass. Russland sei bis heute kein Zugang zu den Ermittlungsergebnissen gewährt worden. Und nun werde der Fall einfach zu den Akten gelegt, kritisierte er.

Kreml nennt Einstellung der schwedischen Untersuchungen „bezeichnend“ – und schaut auf Deutschland

Der Vertraute von Wladimir Putin nahm zudem die deutschen Ermittler in die Pflicht und betonte, dass Deutschland „durch diesen Terroranschlag viel verloren“ habe. „Die deutschen Steuerzahler leiden, deutsche Firmen und Unternehmen leiden, sie verlieren ihre Wettbewerbsfähigkeit, sie verlieren ihre Rentabilität ohne dieses Gas“, so Peskow, ohne diese Behauptungen zu konkretisieren.

Es werde „interessant sein, wie akribisch die deutschen Behörden an diese Untersuchung herangehen werden“, sagte Peskow provokant.

Nord-Stream: Gas floss bereits vor der Explosion nicht mehr nach Deutschland

Am 26. September 2022 waren mehrere Explosionen in der Nähe der dänischen Ostsee-Insel Bornholm registriert und wenig später vier Lecks an drei der insgesamt vier Leitungen von Nord Stream 1 und 2 entdeckt worden. Alle Lecks traten in internationalen Gewässern auf, jeweils zwei in den ausschließlichen Wirtschaftszonen von Schweden und Dänemark. In den beiden skandinavischen Ländern wurden daraufhin ebenso Ermittlungen aufgenommen wie in Deutschland.

Die Karte zeigt den Verlauf von Nord Stream 1 und 2 in der südlichen Ostsee und der Lokalisierung der Lecks.

Die Karte zeigt den Verlauf von Nord Stream 1 und 2 in der südlichen Ostsee und der Lokalisierung der Lecks.

Gas floss allerdings schon vor der Sprengung nicht mehr durch die Leitungen. Nach Beginn seines Angriffskriegs gegen die Ukraine hatte Russland die Lieferungen über Nord Stream schrittweise gedrosselt und Anfang September 2022 völlig eingestellt; angeblich wegen technischer Probleme.

Wer ist für die Sabotage an den Nord-Stream-Leitungen verantwortlich?

Ljungqvist war knapp zwei Monate später zu dem Schluss gekommen, dass die Lecks auf schwere Sabotage zurückzuführen seien. „Nun durchgeführte Analysen zeigen Reste von Sprengstoff an mehreren der angetroffenen Fremdkörper“, hatte er im November 2022 verkündet. Bereits kurz nach Entdeckung der Lecks war vermutet worden, dass Sabotage dahintersteckt. Wer dafür verantwortlich ist, ist bis heute unklar.

Dass der ungeklärte Nord-Stream-Fall somit gänzlich zu den Akten gelegt wird, bedeutet die schwedische Entscheidung nicht: „Die deutsche Ermittlung geht weiter“, machte Ljungqvist klar. Man habe bei der Untersuchung eine gute Zusammenarbeit mit verschiedenen Ländern gehabt, vor allem mit Dänemark und Deutschland, und dabei auch regelmäßig Informationen und Lageberichte teilen können. „Im Rahmen dieser rechtlichen Zusammenarbeit konnten wir Material übergeben, das bei den deutschen Ermittlungen als Beweismittel verwendet werden kann“, erklärte der Schwede.

Deutschland führt Ermittlungen weiter – bislang nichts als Spekulationen

Auch die Bundesanwaltschaft teilte mit, dass die Ermittlungen von deutscher Seite aus andauern. „Weitergehende Auskünfte werden derzeit nicht erteilt“, erklärte eine Sprecherin am Mittwoch in Karlsruhe.

Die Frage nach den Tätern bleibt somit auch mehr als 16 Monate nach den Explosionen an den Gas-Pipelines weiter ungeklärt. Theorien zu Verdächtigen gab es in dieser Zeit einige. Die USA, die Ukraine und Russland steckten unterschiedlichen Betrachtungen zufolge hinter dem Anschlag. Allein, eindeutige Beweise für eine Täterschaft konnte bisher niemand vorlegen.

Sicher ist indes, dass die Ermittler Sprengstoffspuren auf einer verdächtigen Segeljacht namens „Andromeda“ entdeckt haben. Es bestehe der Verdacht, dass diese zum Transport des bei der Sabotage eingesetzten Sprengstoffs genutzt worden sei, hieß es in einem gemeinsamen Brief der UN-Botschaften Deutschlands, Dänemarks und Schwedens an den Weltsicherheitsrat. Man habe herausgefunden, dass das Boot im Namen einer Person angemietet worden sei, die Dokumente verwendet habe, mit denen die Identität des echten Mieters verschleiert werden sollte.

Nach Experteneinschätzungen sei es möglich, dass ausgebildete Taucher Sprengsätze an den Orten angebracht haben könnten, an denen die Gasleitungen beschädigt worden seien, hieß es in dem Brief weiter. Gleichzeitig wurde darin aber auch betont, dass es zu dem Zeitpunkt nicht möglich sei, die Identität der Täter und ihre Motive zuverlässig zu klären.

Nord Stream 1 und 2 verlaufen jeweils als Unterwasser-Doppelstrang über eine Strecke von rund 1200 Kilometern von Russland nach Deutschland. Nord Stream 1 lieferte seit 2011 einen großen Anteil des nach Europa importierten Gases. Allerdings hatte Moskau die Lieferungen im Zuge der Konfrontation mit dem Westen nach dem russischen Angriff auf die Ukraine schon vor der Zerstörung gedrosselt und dann ganz eingestellt. Die neuere Nord-Stream-2-Pipeline war bereits mit Gas gefüllt, aber mangels Zertifizierung noch nicht in Betrieb. (pst mit dpa)

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