20 Euro für die Notaufnahme?„Eine Gebühr wird die Versorgung Schwerkranker verbessern“

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Die Krankenwagenanfahrt zur Zentralen Notaufnahme (ZNA) der Universitätsklinik Köln.

Ein Besuch der Notaufnahme soll nach dem Willen der CDU/CSU künftig 20 Euro kosten.

Wer selbst die Notaufnahme aufsucht, könnte dafür künftig 20 Euro zahlen. Jan Schirmer von der Kassenärztlichen Vereinigung findet: Gute Idee! – und erklärt, warum.

Die Notaufnahmen sind häufig überlastet. Die Union hat jetzt einen Vorschlag zur Entlastung gemacht. Wer selbst die Notaufnahme einer Klinik aufsucht, soll demnach 20 Euro zahlen. Gefährlich, sagt Gerald Gass von der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Überfällig, findet Jan Schirmer von der Kassenärztlichen Vereinigung in Köln. Warum, erklärt er hier.

Jan Schirmer, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung in Köln:

„Es geht nicht nur um eine generelle Notdienstgebühr! Es geht darum, Missbrauch der Notdienststrukturen zu verhindern, um mit unseren ohnehin zu knappen Kapazitäten wirklich hilfsbedürftige Patienten zügig zu versorgen. Unumstritten benötigt unser überlastetes Gesundheitssystem dringend eine Reformierung. Die politische Diskussion dreht sich auch um einen Ausbau der medizinischen Notfallsysteme, eine uneingeschränkte Inanspruchnahme wird dabei leider gewünscht.

Von uns niedergelassenen Ärzten wird noch mehr Einsatz in der Notfallversorgung gefordert, teilweise wurde ein Bereitschaftsdienst mit 24 Stunden an sieben Tagen die Woche diskutiert. In den Praxen gibt es Akut-, offene, Abend- und teils Wochenendsprechstunden. Die neun Kölner Bereitschaftsdienstpraxen werden aus der Vergütung der Vertragsärzte bezahlt. Dabei wird eine separate Finanzierung der Notfallsysteme seit Jahren gefordert. Die Dienste werden von Ärzten zusätzlich zu ihrer Tätigkeit geleistet. Die Leistungen (der GKV) müssen nach Paragraf 12 SGB V notwendig, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

Jeder zweite Patient in der Notdienstpraxis ist kein Notfall

Etwa die Hälfte aller Menschen, die Notdienstpraxen aufsuchen, sind medizinisch nicht als Notfälle einzustufen. Viele Patienten sind wegen der Beschwerde schon beim Arzt gewesen oder wollen die Diagnosen überprüfen lassen oder wünschen Rezepte oder Überweisungen. Häufig erfolgen Vorstellungen zum Ausschluss von im Internet gegoogelten Diagnosen, gerne auch vor Reisen. Viele Probleme können mit Schmerzmitteln, Salben und Geduld selbst behandelt und am Folgetag durch eine Praxis kontrolliert werden.

Es besteht kein Bewusstsein für die Fehlnutzung des Systems und die verursachten Unkosten. Es geht also um mehr Eigenverantwortung jedes Einzelnen: „Muss mein Anliegen wirklich umgehend behandelt werden oder kann ich bis zum Folgetag warten?“ Allerdings ist jeglicher Aufruf zu mehr Eigenverantwortung in der aktuellen politischen Diskussion ein Tabu-Thema und wird scharf kritisiert.

Maßnahmen zu mehr Eigenverantwortung sind nötig

Von Seiten der Kassenärztlichen Vereinigung wird bereits an einem System zur Entscheidungsunterstützung im Rahmen einer telefonischen Ersteinschätzung vor Inanspruchnahme von Notfallsystemen gearbeitet (SmED). Neben der beschriebenen Aufklärung und Steuerung sind Maßnahmen zu mehr Eigenverantwortung bei Nutzung der Notfallsysteme notwendig. Wir brauchen dazu Maßnahmen mit Flächenwirkung. Hier ist eine Eigenbeteiligung an der Notfallversorgung ein diskussionswürdiger Lösungsansatz.

Eine Notdienstgebühr wird den beschriebenen Missbrauch minimieren und die Versorgung Schwerkranker verbessern. Selbstverständlich müsste ein System gewählt werden, wodurch eine Eigenbeteiligung die Behandlung von schwerwiegenden Notfällen nicht einschränkt und eine soziale Ungerechtigkeit vermieden wird. Patienten mit akuten schwerwiegenden Beschwerden werden eine geringe Eigenbeteiligung von 20 Euro gerne beitragen, andere werden vielleicht beginnen, nachzudenken. Und das ist erwünscht.“

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