Drei Jahre lang hat der Elektriker Mersim Mrvoljak mit der Stadt Aachen über einen Handwerker-Parkausweis für seinen Firmen-Wagen gestritten, der angeblich zu klein war.
Aachener Narrenspiel, Teil 2Wenn man den Werkzeugkasten festschrauben muss, um parken zu dürfen

Elektrotechnikermeister Mersim Mrvoljak hat den Winkel in der Hand, mit dem er seine Werkzeugkiste im Firmenwagen festgeschraubt hat.
Copyright: Mersin Mrvoljak
Ein Handwerker-Parkausweis für die Innenstadt, ein Elektriker und zwei Entscheidungen der Aachener Stadtverwaltung, die das Zeug für den Komödienstadl haben: Es ist schon ein skurriles Schauspiel bundesdeutscher Bürokratie, das sich 76 Kilometer entfernt von Köln abspielt.
Einer der Hauptdarsteller in diesem Stück ist Mersim Mrvoljak. Die Geschichte beginnt im Herbst 2022. „Wenn ich an die knapp drei Jahre denke, die seitdem vergangen sind, weiß ich nicht, ob ich lachen oder weinen soll“, sagt der Elektrotechnikermeister aus Aachen und schüttelt den Kopf.
Damals, als die örtliche Straßenverkehrsbehörde seinen Antrag ablehnte, den Firmenwagen der Marke Smart in der Innenstadt abstellen zu dürfen, hat er zunächst an ein Versehen geglaubt. „Gleiches Fahrzeug, gleiches Umfeld, zuvor mehrfach schon genehmigt, trotzdem wurde mir der Sonderparkausweis für Reparatur- und Montagezwecke plötzlich verweigert“, erinnert er sich an die eigene Fassungslosigkeit, als er merkte: „Die meinen das wirklich ernst“.
„Die meinen das wirklich ernst“
Der Wagen sei zu klein für ein Handwerkergefährt, argumentierte die Behörde allen Ernstes. „Schweres oder umfangreiches Material“, wie es in einem Erlass des damaligen Bau- und Verkehrsministers hieß, könne mit dem Cityflitzer doch keinesfalls transportiert werden.
„Kann man das glauben? Wer denkt sich denn so etwas aus“, fragt Mrvoljak, der in seiner Firma zehn Angestellte beschäftigt. Abgesehen davon, dass eine Rolle Kabel oder andere kleine Ersatzteile auch in einen Smart passen: Bei seinen Wartungs- oder Reparaturarbeiten in der City brauche er, genauso wie zahlreiche andere Handwerker, oft doch gar kein schweres Gerät oder Material, so der 43-Jährige. Im Fuhrpark seiner Firma gibt es neben dem Smart noch fünf große Transporter. „Für die haben wir absurderweise zwar eine Parkerlaubnis, finden aber nahezu nie einen entsprechenden Platz.“ Zahlreiche Aufträge in der Innenstadt habe er deshalb schon abgelehnt.
Spritfressende Trucks statt umweltfreundliche Kleinwagen
Warum bekommt ein umweltfreundlicher Kleinwagen keinen Ausweis, ein spritfressender 500-PS-Truck aber problemlos? „Aachen klagt über zu viel Verkehr, zu wenig Parkraum und hohe Emissionen. Gleichzeitig werden gerade die Fahrzeuge ausgeschlossen, die all das nicht verursachen - wer soll das noch verstehen?“, mahnte Yannic Schmitt, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Aachen. Außerdem führen seine Kollegen doch nicht zum Spaß durch die Stadt. „Wir sichern die Grundversorgung, erhalten die Infrastruktur, setzen die Energiewende um, schaffen Arbeitsplätze und zahlen Gewerbesteuer.“
Doch auch die Unterstützung des Kreishandwerker-Chefs nutzte nichts. Ökologie oder Energiewende hin oder her. Gewerbesteuer oder die Oma, deren Heizung nicht repariert wird, weil der Handwerker nicht vor dem Haus parken darf - egal. Die Parkerlaubnis wurde weiterhin nicht erteilt.
In Köln bekommen auch Smarts einen Handwerker-Parkausweis
Mersim Mrvoljak zog schließlich vor Gericht, weil er „diesen Unfug einfach nicht eingesehen hat“. Das Problem: Das Verwaltungsgericht prüfte lediglich, ob die Stadt dafür zuständig und berechtigt war, den Parkausweis abzulehnen. Inwieweit die Verweigerung des Parkausweises ökologisch oder ökonomisch sinnvoll ist, war irrelevant für die Beurteilung. Das Resultat: Laut Erlass durfte die Straßenverkehrsbehörde entscheiden, die Ablehnung also sei „rechtlich nicht zu beanstanden“, schlussfolgerten die Aachener Richter.
Mrvoljak legte Berufung beim Oberverwaltungsgericht Münster ein. Während das Verfahren noch lief, berichtete auch der „Kölner Stadt-Anzeiger“ über das „Aachener Narrenspiel“. Andernorts, etwa in Köln, hat es der Smart leichter. Dort gibt es den begehrten Parkausweis, „sofern das Fahrzeug mit einer festen Firmenbeschriftung versehen und zum Transport für Werkzeuge oder Material geeignet ist (beispielsweise Transport von Werkstattkisten), und regelmäßig Bau-, Reparatur- und Montagearbeiten sowie handwerkliche Dienstleistungen außerhalb des eigenen Betriebes im Kundenauftrag ausgeführt werden“.
Park-Posse auch im NRW-Landtag hinterfragt
Werkzeugkiste, gute Idee, sagte man sich in Aachen daraufhin wohl. Denn aufgeschreckt durch die öffentliche Berichterstattung war der Streit mittlerweile auch in der Politik angekommen und hatte zu vielen Fragen geführt. Sogar bis in den nordrhein-westfälischen Landtag hatte es die Park-Posse geschafft. In einer Anfrage an die Landesregierung thematisierte die FDP-Fraktion die „unverständliche Ablehnung von Handwerkerparkausweisen aufgrund vermeintlich ungeeigneter Fahrzeuggröße in der Stadt Aachen“.
Eine Werkzeugkiste also, die könnte die Rettung sein, dachte man sich in Aachen. Wenn die fest eingebaut sei, dann könne ein Kleinwagen doch eigentlich auch als Handwerker-Auto gelten, hieß es jetzt.

Mit einem Winkel hat Mersim Mrvoljak seinen Werkzeugkoffer fest im Auto verschraubt. Anschließend hat er einen Parkausweis für die Innenstadt erhalten.
Copyright: Mersim Mrvoljak
„Echt jetzt?“, dachte Mersim Mrvoljak, als er in der Presse davon erfuhr. Und schritt zur Tat. Er nahm zwei Winkel, eine Bohrmaschine und schraubte die Werkzeugkiste, die sowieso immer im Auto war, im Kofferraum fest. Und siehe da: „Hiermit erhalten Sie die Ausnahmegenehmigungen im eingeschränkten Halteverbot, in Haltverbotszonen, auf öffentlichen Plätzen, auf Bewohnerparkplätzen und gebührenfrei und ohne Beachtung der Höchstparkdauer an Parkuhren zu parken“, teilte der „Fachbereich Mobilität und Verkehr“ jetzt schriftlich mit.
Wer’s lustig findet, darf jetzt lachen. Mersim Mrvoljak fragt sich, wo der Sinn sein soll, dass er seine Werkzeugkiste jetzt nicht mehr mit zum Kunden nehmen kann. Kreishandwerker-Chef Schmitt benutzt Vokabeln wie „Verwaltungssatire“, „Absurdistan“ oder „Quatsch-Vorschriften“: „Statt pragmatischer Lösungen, die das Handwerk in seiner täglichen Arbeit unterstützen, erleben wir Regelungen, die an der Realität vorbeigehen und wertvolle Arbeitszeit kosten.“