Kommentar zum Arzneimittelmangel in NRWWir riskieren, dass kranke Kinder nicht mehr gesund werden

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Fieberthermometer, Hustensaft, Wärmflasche und eine Tasse Tee stehen auf einem Stuhl, während ein Kind im Hintergrund in einer Hängematte liegt (Gestellte Szene).

Was, wenn das Fieber steigt, aber keine Apotheke mehr ein passendes Antibiotikum vorrätig hat?

Jahrzehntelang fand man in der Arzneimittelversorgung Geiz geiler als Sicherheit. Nun ist die Lage ernst. Ein grundlegendes und sofortiges Umsteuern tut Not.

Es geht hier nicht um Klopapier oder die bevorzugte Nudelsorte. Es geht nicht um die Einschränkung eines Luxus‘ wie Flugreisen, es geht nicht um zwei Grad weniger warme Wohnzimmer im Winter. Es geht um unsere Gesundheit und um die unserer Kinder. Und hier haben sich alle anderen Interessen höflich in die letzte Reihe zu stellen.

Auch ökonomische Einwände müssen jetzt ganz einfach mal die Luft anhalten und schweigen. Seit zwei Jahrzehnten entwickeln sich die Marktmechanismen in der Arzneimittelversorgung zugunsten der Wirtschaftlichkeit, während sie sich vom Ziel der Versorgungssicherheit Schritt für Schritt verabschiedet haben.

Unter enormem Preisdiktat zusammengezimmerte Rabattverträge zwischen Krankenkassen und Herstellern haben ein System begünstigt, in dem Geiz Werte wie Sorgfalt und Sicherheit schlägt. Wer auf diese Weise Regenschirme herstellt, riskiert, dass seine Kunden beim nächsten Gewitter nass werden. Wer aber auf diese Weise lebenswichtige Medikamente auf den Markt bringen will, der riskiert, dass kranke Kinder nicht mehr gesund werden. Eine Umfrage der Kinder- und Jugendärzte hat ergeben, dass es in Deutschland einen Mangel an lebenswichtigen Medikamenten für Kinder und Jugendliche gibt. Das macht wütend und fassungslos. Der Zustand ist untragbar.

Claudia Lehnen

Claudia Lehnen

Claudia Lehnen, geboren 1978, ist Chefreporterin Story/NRW. Nach der Geburt ihres ersten Kindes begann sie 2005 als Feste Freie beim Kölner Stadt-Anzeiger. Später war sie Online-Redakteurin und leitet...

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Die politischen Akteure haben hier viele Jahre grobe Fehler gemacht. An einem grundlegenden Umsteuern kommt nun niemand mehr vorbei. Die Lage ist ernst. Der Staat muss einen Vorrat an wichtigen Medikamenten anlegen und so als großer Abnehmer dafür sorgen, dass Hersteller verlässlich und gut bezahlt werden. Zudem muss gesetzlich festgeschrieben werden, dass generell und nicht nur bei Kindermedikamenten diejenigen Hersteller priorisiert zum Zuge kommen, die in Europa produzieren.

Verschwiegen werden darf nicht, dass auch wir Bürgerinnen und Bürger gerne vom Spar-Mantra in der Gesundheitspolitik profitierten, solange das bedeutete, dass die Krankenkassenbeiträge nicht allzu deutlich steigen. Denn auch das gehört zur Wahrheit dazu: Wer in Europa oder gar NRW Medikamente produzieren will und damit von kurzen und sicheren Versorgungswegen sowie strengen Umwelt- und Arbeitsschutzauflagen profitieren will, der muss mehr Geld auf den Tisch legen. Die Gesundheit von Kindern sollte uns das allerdings wert sein. Sparen wir lieber bei Nudeln und Sommerurlaub.


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Haben Sie das auch schon erlebt: Ihr Kind ist krank und Sie bekommen einfach nicht das gewünschte oder verschriebene Mittel in der Apotheke? Erzählen Sie uns Ihre Geschichte und schreiben Sie uns mit dem Betreff „Keine Medikamente für mein Kind“ an ksta-nrw@kstamedien.de

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