Die Grünen in NRW kritisieren die Entscheidung des Innenministeriums deutlich. Aslan spricht von einer „unglücklichen Wortwahl“.
„Völlig falsche Konsequenz“NRW-Grüne kritisieren Entlassung von Kölner Lehrerin an Polizeihochschule
Nachdem der „Kölner Stadt-Anzeiger“ am Montag darüber berichtet hatte, dass die Kölner Lehrerin Bahar Aslan an der Hochschule für Polizei und Verwaltung (HSPV) in NRW nach einem Tweet als Dozentin nicht mehr weiterbeschäftigt werden soll, gibt es breite Unterstützung für Aslan – aber auch kritische Stimmen. Auf Twitter hatte Aslan geschrieben, sie bekomme Herzrasen, wenn sie oder ihre Freundinnen und Freunde in eine Polizeikontrolle geraten, „weil der ganze braune Dreck innerhalb der Sicherheitsbehörden uns Angst macht“.
Der Landesvorsitzende der Grünen in NRW, Tim Achtermeyer, erklärte am Dienstagmittag, die Entziehung des Lehrauftrags sei „die völlig falsche Konsequenz“. Die Hochschule sei „gut beraten, diesen Schritt zurückzunehmen und das Gespräch zu suchen“. Achtermeyer kritisierte zudem, dass Aslan offenbar nicht die Möglichkeit eingeräumt wurde, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen.
Landeschef der Grünen über Causa Bahar Aslan: „Völlig falsche Konsequenz“
„Ich erwarte mir von einem Arbeitgeber Solidarität, differenziertes Agieren und Gespräche, gerade im Umfeld der Polizei und innerhalb einer Hochschule“, so Achtermeyer. Stattdessen sei man vor einem „Shitstorm“ eingeknickt, kritisierte der Grünen-Politiker die Entscheidung des von der CDU geführten Innenministeriums. CDU und Grüne bilden als Koalition die amtierende Landesregierung.
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Mit Julia Höller (Grüne) hatte sich zuvor bereits die innenpolitische Sprecherin der Grünen in NRW „irritiert“ über den Vorgang gezeigt. „Wir brauchen eine differenzierte Debatte über strukturellen Rassismus in unserer Gesellschaft. Genau deshalb ist Bahar Aslan die Richtige für einen Lehrauftrag an der HSPV“, erklärte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen. „Ich bin irritiert darüber, dass ihr so kurzfristig der Lehrauftrag entzogen wurde.“
Der Tweet Aslans sei „unglücklich formuliert“ gewesen, sie könne „emotional nachvollziehen“, wenn Polizisten sich „pauschal angegriffen“ fühlten, so Höller. Der „Shitstorm von Hass und Hetze“ in den Aslan dadurch geraten sei, sei jedoch „durch nichts zu rechtfertigen“, erklärte die Grünen-Politikerin. „Ich hoffe, dass Bahar Aslan weiterhin an der HSPV lehren kann.“
SPD-Politikerin Sawsan Chebli entsetzt: „Schlimm für das Vertrauen in Sicherheitsbehörden“
Auch Vertreter der Polizei, aus der Wissenschaft und Politiker anderer Parteien sprangen der Dozentin öffentlich zur Seite. Unionspolitiker begrüßten die Entscheidung unterdessen ebenso wie Vertreter der AfD.
SPD-Politikerin Sawsan Chebli zeigte sich entsetzt ob der Entlassung Aslans. „Das ist so krass, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass es am Ende so durchgezogen wird“, schrieb sie bei Twitter. „Schlimm für das Vertrauen in Sicherheitsbehörden ist diese ganze Geschichte und der Umgang mit Bahar Aslan so oder so“, hieß es weiter.
Der stellvertretende Vorsitzende der Linkspartei, Lorenz Gösta Beutin, verteidigte die entlassene Dozentin mit scharfen Worten. „Solidarität mit Bahar Aslan, alle Verachtung für Staatskanzlei NRW und GdP“, schrieb Gösta Beutin auf Twitter. Die „Gewerkschaft der Polizei“ (GdP) und das Land NRW hätten bei einer „Hetz-Kampagne“ mitgemacht. „Nicht der braune Dreck wird Thema, sondern sie, die darauf hinweist“, fügte der Linken-Politiker an.
Linken-Politiker: „Solidarität mit Bahar Aslan, alle Verachtung für Staatskanzlei NRW und GdP“
Auch innerhalb der Polizei meldeten sich kritische Stimmen zu Wort. „Sagt mal, Kolleg:innen, drückt’s unter der Mütze?“ schrieb der auf Twitter populäre Berliner Polizeihauptkommissar Oliver von Dobrowolski. „Bahar Aslan hat (leider auch als Betroffene) genau den richtigen empathischen Zugang zum Thema und ist daher die perfekte Person für ihren Lehrauftrag“, fügte er an. „Ihr solltet Solidarität zeigen, statt euch der abartigen Hetze anzuschließen.“ Auch die Berufsvereinigung „PolizeiGrün“ kritisierte die Entlassung Aslans. Es sei ein „dunkler Tag für Meinungsfreiheit“, hieß es auf Twitter.
„Der Fall von Bahar Aslan zeigt wie unter einem Brennglas, wie wenig Verständnis der Mainstream in der Polizei für die Perspektive von Menschen hat, die von Rassimus betroffen sind“, schrieb unterdessen Tobias Singelnstein, Professor der Kriminologie, auf Twitter. Es sei noch ein langer Weg zu gehen, fügte er an. Singelnstein hatte kürzlich eine Studie über Polizeigewalt vorgelegt, das Innenministerium in NRW hat die Studie als nicht repräsentativ kritisiert.
Entlassung von Bahar Aslan: „Wenn die Grünen das dulden, sollten sie sich schämen“
Thomas Feltes, Polizeiwissenschaftler an der Ruhr Universität in Bochum, zeigte sich ebenfalls empört. „Da ist das letzte Wort hoffentlich noch nicht gesprochen“, schrieb er bei Twitter. „Wenn die Grünen in NRW das dulden, dann sollten sie sich schämen“, fügte Feltes vor Bekanntwerden der Stellungnahme der Partei an. „Irgendwann muss Schluss mit der Anbiederung an die CDU sein.“
Carlo Masala, Politikwissenschaftler an der Universität der Bundeswehr, wurde noch deutlicher. „Ich könnt‘ …“, schrieb er auf Twitter. Die Entscheidung sei „beschämend“ und ein „Einknicken vor dem Mob“. Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty kritisierte die Entlassung. „Ein Vorgang der Bände spricht“, kommentierte Philipp Krüger, Sprecher der Gruppe „Polizei und Menschenrechte“. Die Äußerungen von Aslan seien „in der Sache absolut berechtigt“.
Der CDU-Innenpolitiker Christos Katzidis hatte die Äußerung Aslans zuvor als „unerträglich und untragbar“ bezeichnet. Er erwarte eine strafrechtliche und eine disziplinarrechtliche Prüfung. „Sie ist ja auch Lehrerin an einer Hauptschule.“ Der GdP-Landesvorsitzende Michael Mertens sagte unterdessen am Montag, eine solche „Pauschalverurteilung der Sicherheitsbehörden geht gar nicht“. Der Fall müsse arbeits- und strafrechtlich aufgearbeitet und geprüft werden.
CDU und AfD begrüßen Entscheidung: „Pauschalverurteilung der Sicherheitsbehörden geht gar nicht“
Auch der AfD-Politiker Georg Pazderski begrüßte die Entscheidung. „Wer sich derart rassistisch und beleidigend gegenüber einer ganzen Berufsgruppe äußert, muss auch die Konsequenzen spüren“, schrieb er bei Twitter.
Aslan selbst widersprach den Vorwürfen von Hochschule und Innenministerium am Montag in Interviews mit „Zeit“ und „taz“. Die entlassene Dozentin sprach von einer Kampagne. „Genau das ist Cancel Culture“, so Aslan. „Vielleicht war es eine unglückliche Wortwahl. Es tut mir leid, wenn sich Polizisten angesprochen fühlen, die vorbildlich ihren Dienst tun“, erklärte die Lehrerin im Gespräch mit der „Zeit“. Es sei ihr um jene Beamte gegangen, die sich an rechtsextremen Chats beteiligten und mit ihrer „Geisteshaltung ganze Dienststellen vergiften.“
Bahar Aslan will „Schmutzkampagne nicht so stehen lassen“
Die Kölnerin berichtete unterdessen von „diversen Jobangeboten von Universitäten und Fachhochschulen“, die sie am Montag erhalten habe. Aslan kündigte am Dienstagmorgen zudem an, sich gegen die Entscheidung der Hochschule und des Innenministeriums zur Wehr setzen zu wollen und sprach von einem „Skandal“. Die „Schmutzkampagne“, die gegen sie gefahren werde, „werde ich nicht so stehen lassen“.