Das Handwerk in NRW leidet unter einem dramatischen Fachkräftemangel. Kann eine „Dating-App“ Abhilfe schaffen?
Kampf gegen Fachkräftemangel„Tinder für das Handwerk“ soll Azubis bei der Berufsentscheidung helfen

Online-Dating hilft bei der Partnersuche - und soll auch bei der Berufswahl eine Entscheidungshilfe sein.
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Kaum eine Entscheidung prägt die Zukunft junger Menschen so sehr wie die Berufswahl. Doch wie entdecken Jugendliche den richtigen Job-Partner fürs Leben? In Soest soll eine App unkompliziert helfen.
„Wir haben eine Art Dating-App entwickelt, über die Berufssuchende und Ausbildungsbetriebe schnell und unkompliziert zueinander finden“, sagt Kevin Güner, Ausbildungscoach im Haus des Handwerks Soest. „Die Jugendlichen können anklicken, was sie interessiert – und bekommen vom Arbeitgeber eine Rückmeldung, wenn der sie kennenlernen möchte. Das ist viel effektiver als das übliche Verfahren.“
Die App „Passt!“ für angehende Azubis wird derzeit von der Kreishandwerkerschaft Hellweg-Lippe von rund 350 Unternehmen genutzt. Sie präsentieren sich in Textform, auf Fotos und auch auf Videos, die Bewerber können mit einem Klick Interesse an einem konkreten Ausbildungsplatz äußern und – optional – auch ihren Lebenslauf mit dem Betrieb teilen.
„Das unbürokratische Verfahren kommt gut an und erspart kleinen Betrieben viel Arbeit“, berichtet Güner. Die App sei zeitgemäß und helfe dabei, sich einen Überblick über die vielfältigen Berufsausbildungen im Handwerk zu verschaffen. „Wir haben im Handwerk insgesamt rund 130 Ausbildungsberufe. Viele Berufsbilder mit Zukunft sind Jugendlichen oft unbekannt. So bieten zum Beispiel Stuckateure vielfältige Leistungen im Bereich der Wärmedämmung an.“
Grüne befürworten„Tinder für das Handwerk“und wollen Bürokratie abbauen
Die Grünen im Düsseldorfer Landtag haben jetzt bei einer Klausurtagung ein Positionspaper beschlossen, das dem Handwerk mit konkreten Vorschlägen helfen soll. „Wir müssen die Digitalisierung nutzen, um Bürokratie abzubauen”, sagt Fraktionschefin Wibke Brems. „Wir wollen nicht, dass Handwerker an den Schreibtisch gefesselt sind.“ Ein „Tinder für das Handwerk“ könne ein wichtiges Werkszeug sein. „Schließlich geht es bei der Wahl des richtigen Berufes auch um eine lebenslange Partnerschaft“, so Brems.

Wibke Brems (Bündnis 90/Die Grünen) spricht im Plenarsaal bei der Sitzung des NRW-Landtags.
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Die Grünen sehen im Handwerk einen starken Motor für die Umsetzung der Klimawende. „Es sind Handwerkerinnen und Handwerker, die Wärmepumpen installieren, Dächer dämmen, Solardächer installieren und mit innovativen Lösungen lokale Wertschöpfung schaffen“, heißt es in dem Positionspapier. Deswegen sei es wichtig, alle Potenziale zu heben.
„Wir wollen mehr Frauen, mehr zugewanderte Menschen und mehr Menschen mit Behinderung für das Handwerk gewinnen“, sagt Marc Zimmermann, Sprecher für Handwerk der Grünen-Fraktion und selbst Handwerksmeister. Das Handwerk sei „ein gesellschaftlicher Klebstoff, der integriert, inkludiert, verbindet“.
Fachkräftemangel im fünfstelligen Bereich
Die Grünen appellieren nun an die Landesregierung, Instrumente wie die Matching-App für die Vermittlung von Azubis in Handwerksberufe bekannter zu machen. „Viele Berufe – wie zum Beispiel der Brunnenbauer - klingen altmodisch und sind Jugendlichen oft unbekannt. Die Digitalisierung kann helfen, Bewerber zu finden. Das hilft den künftigen Azubis – und unterstützt den Aufbau einer klimafreundlichen Wirtschaft.“
Im NRW-Handwerk arbeiten mehr als eine Million Beschäftigte, rund 200 000 Unternehmen erzeugen einen Umsatz von 162 Milliarden Euro. Die Betriebe sind eine tragende Säule des Wirtschaftsstandorts NRW. „Viele Unternehmen haben oft große Probleme, geeignete Azubis zu finden“, sagte Hans Jörg Hennecke, Hauptgeschäftsführer von „Handwerk.NRW“, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Landesweit gebe es einen Fachkräftemangel im fünfstelligen Bereich.
Bei der Jobvermittlung stünden bereits viele digitale Instrumente zur Verfügung, so Hennecke: „Diese Instrumente müssen zielgerichtet in der Berufsorientierung eingesetzt werden, ohne sich zu verzetteln. Wir müssen an allen Schulformen Praxiskontakte intensivieren und die Chancen der Berufsbildung aufzeigen.“