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Extremismus in NRWDrastischer Anstieg antisemitischer Übergriffe – die meisten im Regierungsbezirk Köln

Lesezeit 3 Minuten
Josefine Paul (r, Grüne), Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration, spricht neben Jörg Rensmann, Leiter der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Nordrhein-Westfalen bei der Vorstellung des Jahresberichts 2023 im Landtag.

„Wir dürfen ein gesellschaftliches Klima der Ausgrenzung nicht hinnehmen.“, sagte Josefine Paul (r., Grüne), Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration, bei der Vorstellung des Berichts. Neben ihr sitzt Jörg Rensmann, Leiter der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus NRW. 

Viele jüdische Menschen haben wieder Sorge, in Deutschland angefeindet, diskriminiert und attackiert zu werden. 

Drei Jugendliche aus NRW, radikalisiert durch Internet-Propaganda des sogenannten Islamischen Staates (IS), planen Terroranschläge. Sie wollen unter anderem Synagogen stürmen, mit Molotowcocktails in Brand setzen und mit Schuss- und Stichwaffen „möglichst viele Menschen töten“. – Während eines Vortrages über Judenfeindlichkeit an der Universität Bonn wird ein Zuhörer von einem antiisraelischen Aktivisten angegriffen, der die Veranstaltung zuvor durch Parolen-Geschrei gestört hatte. – In Köln-Chorweiler werden zwischen zwei Hakenkreuzen folgende Drohungen geschmiert: „NAZI KIEZ / Scheiss Juden! / Tag X kommt“.

Dies sind nur drei Fälle aus dem Jahresbericht der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (Rias). Von Schmierereien und Beleidigungen über Bedrohungen bis zu tätlichen Angriffen und Mordplänen: Insgesamt gab es 2024 demnach in NRW 940 antisemitische Vorfälle, dies entspricht einer Steigerung von 42 Prozent im Vergleich zum Vorjahr mit 664 Fällen. Durchschnittlich sind das 18 pro Woche, im Jahr 2023 waren es noch 13 pro Woche. Auch damals hatte es eine drastische Steigerung antisemitischer Vorfälle im Vergleich zum Vorjahr gegeben: Die Zahlen waren um 152 Prozent auf 664 Vorfälle angewachsen.

940 antisemitischer Anfeindungen und Übergriffe

In anderen Bundesländern sind die Zahlen laut den dortigen Recherche- und Informationsstellen ebenfalls deutlich gestiegen: In Bayern haben sich die gemeldeten Fälle sogar fast verdoppelt, und Rias Berlin berichtet für die erste Jahreshälfte 2024 von bereits mehr Vorfällen als im gesamten Jahr 2023. Eine deutliche Zunahme ist insbesondere seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und dem darauf folgenden Gaza-Krieg zu sehen: Die Zahlen sind auf konstant hohem Niveau.

„Nach dem pogromartigen Angriff der islamistischen Terrororganisation Hamas auf die Zivilbevölkerung Israels hat sich auch in NRW die konkrete Gefahr für Juden durch antisemitische Anfeindungen nochmal dramatisch erhöht“, sagte Alexander Sperling, Geschäftsführer des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe, bei der Vorstellung des Berichtes in Düsseldorf. Seitdem sei „die ohnehin schon hohe Zahl der judenfeindlichen Straftaten und Übergriffe nochmal fast explosionsartig gestiegen“, so Sperling: „Unbeschwertes jüdisches Leben ist momentan fast nur noch in geschützten Räumen möglich.“

Im Regierungsbezirk Köln gab es die meisten Vorfälle in NRW

Antisemitische Äußerungen oder Handlungen würden in allen gesellschaftlichen Bereichen stattfinden, „aber sie passieren nicht im luftleeren Raum“, ergänzte nordrhein-westfälische Familien- und Integrationsministerin Josefine Paul (Grüne): „Wir dürfen ein gesellschaftliches Klima der Ausgrenzung nicht hinnehmen.“ Man müsse „entschieden“ gegen die Anfeindungen „vorgehen“.

Zu Übergriffen ist es der Studie zufolge vor allem im öffentlichen Raum gekommen – auf der Straße, in öffentlichen Verkehrsmitteln, in Bildungseinrichtungen und auch an Gedenkorten. Neben einem Fall von extremer Gewalt wurden demnach 18 Angriffe, 22 Bedrohungen, 61 gezielte Sachbeschädigungen, 56 Massenzuschriften, 228 Versammlungen, fünf Diskriminierungen sowie 549 Fälle von verletzendem Verhalten registriert. Als extreme Gewalt wertet Rias physische Angriffe oder Anschläge, die den Verlust von Menschenleben oder schwere Körperverletzungen zur Folge haben können. Im Regierungsbezirk Köln gab es mit 330 Vorfällen die meisten in NRW, ein Jahr zuvor waren es 257.

Der dritte Jahresbericht mit Zunahme der Anfeindungen

Die Rias war vor mehr als drei Jahren von der Landesregierung eingerichtet worden und präsentierte ihren dritten Jahresbericht. Ein Großteil der dokumentierten Vorfälle wurde den Angaben zufolge direkt über die mehrsprachige Meldeseite www.rias-nrw.de beziehungsweise www.report-antisemitism.de gemeldet.

Vorfälle wie der im Februar vergangenen Jahres. Ein Mitglied einer jüdischen Gemeinde in Köln, der seinen Glauben auf seinem Instagram-Profil öffentlich gemacht hat, hatte einen kritischen Kommentar unter dem Posting einer Fußballfanseite hinterlassen. „Halt mal deine fresse du nervst jeden mit deinen Kommentaren es juckt keinen dass du jude bist ihr betreibt gerade Völkermord“, antwortete ein anderer User: „Hätte man euch vor 80 Jahren mal komplett beseitigt hätten wir das Problem heute nicht mit euch.“