Insgesamt 229 antisemitische Vorfälle wurden im Vorjahr in Köln bekannt, darunter Angriffe und üble Drohungen.
Alarmierende ZahlenMehr Antisemitismus-Vorfälle – Jugendliche beschimpfen jüdische Mitschülerin in Köln

Polizeischutz für die Kölner Synagoge in der Roonstraße.
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Die Zahl antisemitischer Vorfälle in Köln ist auf ein Rekordniveau gestiegen. Insgesamt 229 Taten im Vorjahr bedeuteten eine Steigerung von 30 Prozent im Vergleich zu 2023, meldet die Fachstelle gegen Antisemitismus im NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln (NS-DOK).
Seit vier Jahren werden die Zahlen erhoben, und „zum vierten Mal in Folge steigen die von uns dokumentierten antisemitischen Vorfälle im Stadtgebiet“, sagt Daniel Vymyslicky, Mitarbeiter der Fachstelle. Diese Entwicklung sei auch nicht mehr mit dem gewachsenen Bekanntheitsgrad der Meldestelle zu erklären. „Die jüdische Gemeinschaft in Köln steht massiv unter Druck und braucht mehr Unterstützung“, fordert Vymyslicky.
Köln: Jugendliche beschimpfen jüdische Mitschülerin
Insgesamt wurden im Vorjahr vier körperliche Angriffe, sieben Bedrohungen, zehn gezielte Sachbeschädigungen, 36 Massenzuschriften und 172 Vorfälle der Kategorie „verletzendes Verhalten“ dokumentiert, meldet das NS-DOK. Letzteres betreffe insbesondere gezielt böswillige oder diskriminierende Äußerungen gegenüber jüdischen Personen und Organisationen sowie antisemitische Schmierereien im öffentlichen Raum. Von den gemeldeten Vorfällen waren 2024 insgesamt 170 Personen in Köln direkt betroffen, schreibt das NS-DOK.
In ihrem Jahresbericht nennt die Meldestelle auch konkrete Beispiele – sie reichen von Schmierereien auf Fassaden und öffentlichen Toiletten wie „Juden morden wie Nazis“ oder „Der Holocaust ist eine Lüge“ über die Beschädigungen einer jüdischen Figur auf dem Bauzaun des Jüdischen Museums MiQua bis hin zu persönlichen Beleidigungen, Anfeindungen und Angriffen.
Antisemitische Beschimpfung in Köln: „Vergasen wie bei Hitler“
So sei etwa eine jüdische Schülerin von Mitschülern beschimpft worden, sie solle die Religion wechseln und sich „vergasen gehen wie bei Hitler“. Ein Ladenbesitzer musste sich von einem Kunden, den er beraten wollte, anhören: „Mit dreckigen Juden spreche ich nicht.“ Anschließend sei der Geschäftsmann von dem Kunden geschubst und an der Kleidung gezerrt worden. Der Tatverdächtige habe den Vorfall bei der Polizei abgestritten, das Verfahren sei eingestellt worden, teilt das NS-DOK mit.
Gestiegen seien vor allem antisemitische Äußerungen und Handlungen, die sich auf den Holocaust und auf Israel beziehen. Der sogenannte „Post-Schoa-Antisemitismus“, bei dem zum Beispiel der Holocaust relativiert oder gar befürwortet werde, sei im Vergleich zu 2023 um 80 Prozent gestiegen. Neben der Beschädigung von Denkmälern zur Erinnerung an jüdische NS-Verfolgte kam es im letzten Jahr erneut zu Störungen von Gedenkveranstaltungen, etwa anlässlich der Pogromnacht am 9. November.
Die politische Motivation der Täter sei in knapp drei von vier Fällen unbekannt, meldet das NS-DOK. Drei Prozent seien rechtsextremistisch motiviert gewesen, 1,7 Prozent linksextremistisch und 0,9 Prozent islamisch oder islamistisch.
Antisemitismus sei ein Phänomen, das sich in vielen Formen zeige, sagt Sylvia Löhrmann, NRW-Beauftragte für die Bekämpfung des Antisemitismus, für jüdisches Leben und Erinnerungskultur – „von offenen Angriffen bis hin zu subtilen Vorurteilen. Es ist unsere Pflicht, diese Formen zu erkennen und ihnen entschieden entgegenzutreten, denn der Umgang mit Antisemitismus ist auch ein Gradmesser für die Verfasstheit unserer Demokratie.“ Die neuen Zahlen im Jahresbericht seien nicht bloß Statistiken, sondern „ein eindringlicher Appell, dass wir alle gemeinsam Verantwortung übernehmen müssen“.